# taz.de -- Präsident des Zentralrats der Juden: Für Offenheit und Pluralität | |
> Mit der Wahl Josef Schusters setzt der Zentralrat auf Kontinuität. Der | |
> 1954 geborene Internist gilt als moderater, aber deutlicher Mahner. | |
Bild: Wie sein Vorgänger Graumann ein Nachkriegsgeborener: Josef Schuster. | |
Im Scheinwerferlicht stand Josef Schuster bislang nicht, obwohl er schon | |
lange im Zentralrat der Juden aktiv ist, und es drängte den Würzburger | |
Internisten auch nicht danach. Doch der 60-Jährige sah sich in die Pflicht | |
genommen, nachdem der bisherige Präsident Dieter Graumann im Oktober | |
überraschend seinen Verzicht auf eine zweite Amtszeit erklärt hatte. | |
Mit Schusters Wahl setzt der Zentralrat,auf Kontinuität. „Die Offenheit und | |
die Pluralität des Judentums weiter zu unterstützen ist mir ausgesprochen | |
wichtig“, hat er vor seiner Wahl gesagt, er wolle damit auch die Arbeit | |
seines Vorgängers fortführen. | |
Wie Graumann gehört Schuster zur ersten Nachkriegsgeneration, die die Zeit | |
des Nationalsozialismus nicht mehr selbst erleben musste. Beide wurden in | |
Israel geboren, Schuster 1954 in der Stadt Haifa. Dorthin hatte sein Vater | |
David 1938 – nach 15-monatiger Haft in den Konzentrationslagern Dachau und | |
Buchenwald – gemeinsam mit seinen Eltern aus Unterfranken emigrieren | |
können. Mutter Anita, die ebenfalls nach Palästina ausreisen konnte, stammt | |
ursprünglich aus Oberschlesien. Ihre Eltern wurden im KZ Auschwitz | |
ermordet. | |
Zwei Jahre nach seiner Geburt kehrte die Familie nach Deutschland zurück. | |
1958 wurde Vater David Schuster erster Vorsitzender der wiedergegründeten | |
Israelitischen Kultusgemeinde Würzburg und Unterfranken. Der Vater habe | |
„die Hand ausgestreckt zur Versöhnung“, sagt Josef Schuster, der heute | |
dieser orthodoxen Gemeinde vorsteht. „So bin auch ich erzogen worden.“ | |
Schuster studierte Medizin in Würzburg, dem Zentralrat gehört er seit | |
fünfzehn Jahren an, zuletzt als Vizepräsident. Er gilt als bedächtiger | |
Mann, der seine Schritte gut abwägt, als moderater, aber deutlicher Mahner. | |
So kritisierte er die NSU-Ermittlungen, die nicht konsequent genug geführt | |
worden seien. Politisch eher konservativ orientiert, beteiligt er sich auch | |
immer wieder an Demonstrationen gegen Naziaufmärsche in seiner Heimat. | |
Er ist der achte Vorsitzende in der Geschichte des 1950 gegründeten | |
Zentralrats. Rabbiner Walter Homolka vom Abraham-Geiger-Kolleg sagte, er | |
hoffe, dass Schuster „auf orthodoxe und liberale Kräfte integrierend“ | |
wirken werde. Die Pluralität der jüdischen Gemeinden ist in den letzten | |
Jahren weiter gewachsen. Die nach dem Krieg gegründeten Einheitsgemeinden, | |
die alle religiösen Strömungen präsentieren sollten, werden damit infrage | |
gestellt. Zudem kommt ein großer Teil der über 100.000 Mitglieder der 108 | |
Gemeinden nicht mehr aus dem deutschen Judentum, sondern ist erst nach der | |
Auflösung der Sowjetunion eingewandert. Deren Integration zählt zu den | |
wichtigsten Aufgaben der Gemeinden. | |
## Graumann mit zwiespältiger Bilanz | |
Graumann hatte im Oktober überraschend erklärt, nicht mehr für eine zweite | |
Amtszeit zur Verfügung zu stehen, und dies mit der hohen Belastung des Amts | |
begründet. Seine Bilanz fällt zwiespältig aus. Einerseits sei es ihm | |
gelungen, die finanziellen Zuwendungen zu erhöhen, und er habe daran | |
gearbeitet, „dass jüdische Gemeinden zukunftsgewandt, fröhlich und stark | |
kulturell geprägt sind“, so sein Nachfolger Schuster. | |
Andererseits fiel in Graumanns Amtszeit mit der Beschneidungsdebatte und | |
den judenfeindlichen Aktionen während des Gazakriegs in Deutschland eine | |
Renaissance antisemitisch geprägter Äußerungen. „Es ist für manche Mensch… | |
kein Tabu mehr, ihre Judenfeindschaft auszuleben und zu zeigen“, sagte | |
Graumann. „Wir haben in diesem Sommer während des Gazakriegs | |
Demonstrationen gesehen, wo der pure, primitive Judenhass sich Bahn | |
gebrochen hat“, fügte er hinzu. | |
Der nach Deutschland getragene Gazakonflikt hat auch zu einer Entfremdung | |
zwischen dem Zentralrat der Juden und den Vertretungen der Muslime geführt. | |
Graumann verlangte, dass sich die „muslimischen Repräsentanten viel stärker | |
gegen den Radikalismus aussprechen, als sie es tun“. Im September hatte der | |
Zentralrat eine zentrale Demonstration gegen Judenhass ohne direkte | |
Beteiligung muslimischer Verbände organisiert. | |
30 Nov 2014 | |
## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
Klaus Hillenbrand | |
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