# taz.de -- Polizeiaktion in der Wrangelstraße: Berliner Linie 2.0 | |
> Die Polizei weiß nicht, auf welcher Rechtsgrundlage die Besetzung der | |
> Wrangelstraße geräumt wurde. Das sorgt für Kritik innerhalb der | |
> Koalition. | |
Bild: Am Rande der „Mietenwahnsinn stoppen“-Großdemonstration besetzten De… | |
Die gewaltsame Räumung eines besetzten leer stehenden Ladens in der | |
Wrangelstraße durch die Berliner Polizei vergangenen Samstag beschäftigt | |
die Politik auch zwei Tage später noch. Katina Schubert, Landesvorsitzende | |
der Linken in Berlin und Mitglied im Abgeordnetenhaus, kritisierte mit | |
deutlichen Worten den Polizeieinsatz und den verantwortlichen | |
Koalitionspartner, Innensenator Andreas Geisel (SPD): „Es war ein absolut | |
unverhältnismäßiger Einsatz, über den wir sehr ernsthaft mit dem | |
Innensenator und der Polizei reden müssen.“ | |
Nach der großen Mietendemo am vergangenen Samstag hatten wohl einige | |
Personen kurzzeitig den seit drei Jahren leer stehenden ehemaligen | |
Gemüseladen Bizim Bakkal in Kreuzberg besetzt. Darauf folgte ein | |
gewaltsamer Polizeieinsatz. Es gab auf beiden Seiten Verletzte, 14 Personen | |
wurden festgenommenen, die inzwischen laut Polizei jedoch alle wieder frei | |
sind. Ermittelt werde bislang wegen 22 Delikten, unter anderem wegen | |
Hausfriedensbruch, Landfriedensbruch und Angriff auf Vollstreckungsbeamte. | |
Auch Katrin Schmidberger, für die Grünen im Abgeordnetenhaus und vor Ort, | |
war geschockt angesichts der Polizeigewalt: „Es wurde mehrfach auf | |
Demonstranten eingetreten, die am Boden saßen. Teilweise hat die Polizei | |
ohne erkennbaren Plan Demonstrierende hin und her getrieben.“ Canan Bayram, | |
grüne Kreuzberger Bundestagsabgeordnete und ebenfalls Augenzeugin, sagte: | |
„Die Polizei hat die Kontrolle verloren, eine Strategie war nicht | |
erkennbar.“ | |
Man müsse dringend diskutieren, wie diese Landesregierung mit | |
Verteilungskämpfen im Zuge von Verdrängungsprozessen umgehen wolle, sagte | |
Schubert, „die Polizei hat mit ausgesprochener Brutalität den Weg zu dem | |
Laden frei geknüppelt – ich stand direkt vor dem Laden, und für mich war | |
der Ausbruch der Gewalttätigkeit absolut nicht nachvollziehbar“. | |
## Innensenator Geisel äußert sich nicht | |
Ebenso wie die grüne Schmidberger wolle die Linke nun erneut die sogenannte | |
Berliner Linie diskutieren, nach der die Polizei besetzte Häuser in | |
Rücksprache mit den Eigentümern binnen 24 Stunden räumt. Der Einsatzleiter | |
hatte laut den parlamentarischen Beobachter*innen noch während des | |
Einsatzes gesagt, dass es weder einen Räumungstitel noch Absprachen mit dem | |
Eigentümer gegeben habe – normalerweise Voraussetzung für eine Räumung | |
zumindest bei besetztem Wohnraum. | |
Innensenator Geisel wollte sich zu dem Einsatz noch nicht äußern. Die | |
Ereignisse und Rahmenbedingungen würden derzeit geprüft, hieß es. | |
Katina Schubert ging nach eigenen Angaben trotz eines deutlich sichtbar | |
getragenen Abgeordnetenausweises sogar zu Boden, nachdem sie von der | |
Polizei geschubst wurde. Als Sie auf ihre Abgeordententätigkeit hinwies, | |
hieß es laut Schubert wörtlich von einem Polizisten: „Ist mir scheißegal, | |
ob ihr Abgeordnete seid oder nicht.“ | |
Schlimmer sei aus Ihrer Sicht jedoch, dass einige Demonstrant*innen | |
schwer verletzt worden seien und Sanitäter teils nicht zu ihnen vorgelassen | |
wurden. „Viele der Betroffenen waren junge Leute, die teilweise das erste | |
Mal so etwas erlebten und jetzt wohl einen anderen Blick auf ihren Freund | |
und Helfer haben“, so Schubert. | |
## Polizei wollte Kollegen retten | |
Die Polizei hatte nach dem Einsatz [1][in ihrer Polizeimeldung] | |
durchscheinen lassen, dass der Einsatz vor Ort deswegen so heftig war, weil | |
man Kollegen retten wollte. Sechs Zivilkräfte hätten angeblich Besetzer | |
noch während der Mietendemo festgenommen und sich dann in dem Laden | |
verbarrikadiert, um sich vor der größer werdenden Menge von | |
sympathisierenden Demonstrant*innen zu schützen. Die Gewerkschaft der | |
Polizei sprach sogar davon, dass die Zivilbeamten ihr Leben nur retten | |
konnten, weil sie sich vor 200 Gewaltbereiten in dem Laden | |
verbarrikadierten. | |
Nichts davon haben Schubert und Bayram beobachtet, beide gaben der Polizei | |
die Schuld an der Eskalation: „Ich glaube, die Polizei war auf einer | |
anderen Veranstaltung“, sagte Schubert angesichts der Polizeimeldung. Sie | |
habe während der Räumung direkt vor dem Laden gestanden. „Dennoch war für | |
mich der Ausbruch der Gewalttätigkeit vonseiten der Polizei absolut nicht | |
nachvollziehbar. Widerstand und Gewaltbereitschaft aufseiten der | |
Demonstrierenden konnte ich aus meiner Position nicht erkennen“, so | |
Schubert. Ausschließen könne sie allerdings nicht, dass es an anderer | |
Stelle auch vonseiten der Demonstrierenden Gewalt gegeben habe. | |
Das Protestbündnis Besetzen hielt die Polizeiversion von den Zivilbeamten | |
in dem Laden für komplett frei erfunden: „Die Cops ziehen sich irgendeinen | |
Quatsch aus der Nase, um die rechtswidrige Räumung und ihre Brutalität zu | |
legitimieren“, hieß es. | |
Die Polizei konnte am Montag auf Anfrage noch immer nicht eindeutig die | |
konkrete Rechtsgrundlage für den Einsatz benennen. Durch ein gewaltsames | |
Eindringen habe schwerer Hausfriedensbruch im Raum gestanden, auf der | |
anderen Seite galt es, die Gefahr abzuwehren, dass weitere Personen | |
eindringen, wie es hieß. Unklar war laut Pressestelle noch immer, ob es | |
einen Räumungstitel für den Laden gegeben hat. | |
8 Apr 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://www.berlin.de/polizei/polizeimeldungen/pressemitteilung.800459.php | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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