| # taz.de -- Perspektiven für die deutsche Wirtschaft: Das Flauten-Gejammer nü… | |
| > Die Wirtschaft schlechter zu reden, als sie ist, zielt auf | |
| > Steuererleichterungen für die Reichen. Und das Gerede über | |
| > Sozialkürzungen verunsichert. | |
| Bild: Friedrich Merz und seine CDU benehmen sich wie eine „Wünsch-dir-was-Tr… | |
| Die deutsche Wirtschaft dümpelt, und auch die Klimaziele werden nicht | |
| erreicht. Trotzdem legt sich die Ampel gegenseitig lahm, und auch die Union | |
| hat sich von konstruktiven Vorschlägen längst verabschiedet. Die CDU tut | |
| lieber so, als wäre sie keine Volkspartei – sondern eine | |
| Wünsch-dir-was-Truppe im Bierzelt. Das nützt nur der AfD. Schon bei der | |
| Analyse liegen die Parteien weit auseinander. Union und FDP glauben, dass | |
| Deutschland vor allem ein „Wettbewerbsproblem“ hätte und der | |
| „[1][Standort] in Gefahr“ wäre. | |
| Die Zahlen geben das jedoch nicht her. Im Jahr 2023 verzeichnete die | |
| Bundesrepublik einen satten Exportüberschuss von 4,1 Prozent der | |
| Wirtschaftsleistung, was rund 200 Milliarden Euro entspricht. Deutschland | |
| ist auf dem Weltmarkt sehr erfolgreich. Das Geraune über die | |
| „Wettbewerbsfähigkeit“ hat denn auch einen anderen Zweck: Liberale und | |
| Union wollen Steuersenkungen für die Unternehmen durchsetzen. | |
| FDP-Finanzminister Christian Lindner würde am liebsten den Soli komplett | |
| abschaffen. | |
| Ihn müssen jetzt nur noch Unternehmen und absolute Spitzenverdiener zahlen, | |
| während er für die breite Bevölkerung bereits im Jahr 2021 entfiel. Für die | |
| Reichen wäre es ein dickes Geschenk, wenn der Rest-Soli gestrichen würde: | |
| Etwa zwölf Milliarden Euro würden sie im Jahr sparen. Erneut wäre es das | |
| „Prinzip Gießkanne“: Alle Spitzenverdiener würden profitieren – ganz eg… | |
| ob sie investieren oder nicht. | |
| Ähnliche Pläne verfolgt die Union. Sie möchte vor allem die | |
| [2][Unternehmensteuern senken], und zwar von derzeit 28,3 auf 25 Prozent, | |
| was ebenfalls rund zehn Milliarden Euro im Jahr kosten dürfte. CDU-Chef | |
| Friedrich Merz hat eigens einen Brief an Kanzler Olaf Scholz verfasst, | |
| allerdings fehlte ein Vorschlag, wie das üppige Geschenk an die Firmen zu | |
| finanzieren sei. Nur zur Erinnerung: Die [3][Union hat beim | |
| Verfassungsgericht eingeklagt], dass die Schuldenbremse zu gelten habe. | |
| ## Merz ohne konkrete Vorschläge | |
| Doch seither agiert Merz, als hätte er von der Schuldenbremse noch nie | |
| gehört. Solange er die Reichen beglücken kann, ist ihm ein ausgeglichener | |
| Haushalt egal. Dabei sind die fiskalischen Spielräume extrem eng, wie sich | |
| am Wachstumschancengesetz zeigt. Dieses Vorhaben macht gerade Furore, weil | |
| es von der Union im Bundesrat blockiert wird, um der Ampel zu schaden. | |
| Aber abseits dieser politischen Taktiererei ist ein ganz anderer Fakt | |
| interessant: Das Gesetz sieht jetzt nur noch Abschreibungen von 3,2 | |
| Milliarden Euro vor, obwohl ursprünglich sieben Milliarden Euro geplant | |
| waren, um die Unternehmen bei Investitionen zu entlasten. Doch die Länder | |
| haben darauf bestanden, das Volumen deutlich zu kürzen – weil sie es sich | |
| schlicht nicht leisten können, auf Steuereinnahmen zu verzichten. Jeder | |
| Euro wird gebraucht. Es gibt keine Haushaltsposten, an denen der Staat | |
| signifikant sparen könnte. | |
| Die Union behauptet zwar, dass sie den „Sozialstaat vom Kopf auf die Füße | |
| stellen“ wolle, um die Steuerentlastungen zu finanzieren. Aber Merz | |
| vermeidet es tunlichst, konkret zu werden. Denn der weitaus größte | |
| Sozialposten sind die Renten, die staatliche Zuschüsse von enormen 128 | |
| Milliarden Euro verschlingen. Trotzdem kann man dort nicht streichen, denn | |
| die Durchschnittsrente der Frauen beträgt derzeit 1.316 Euro im Monat und | |
| die der Männer 1.728 Euro. [4][Das reicht nur knapp], um über die Runden zu | |
| kommen. | |
| Da es nicht möglich ist, in den staatlichen Haushalten zu kürzen, hat | |
| Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) eine andere Idee: Er will ein | |
| schuldenfinanziertes Sondervermögen schaffen, um die Firmen zu entlasten. | |
| Vorbild ist die Bundeswehr, die kürzlich mit 100 Milliarden Euro | |
| ausgestattet wurde. Leider ist auch Habecks Vorschlag ziemlich unsolide und | |
| mit der Bundeswehr nicht zu vergleichen. Dort wird immerhin investiert – in | |
| Waffen. | |
| ## Investitionen an Klimaschutz koppeln | |
| Man kann es bedauerlich finden, dass es seit dem Ukrainekrieg nötig ist | |
| aufzurüsten. Aber es ist nicht zu leugnen, dass Waffen einen gewissen Wert | |
| haben. Doch Habeck will mit dem Sondervermögen vor allem die | |
| Unternehmensteuern senken. Wie Lindner setzt er auf das | |
| [5][Gießkannenprinzip] – und plustert letztlich nur die Gewinne der Firmen | |
| auf. Habecks Projekt wäre nur sinnvoll, wenn er die Steuerentlastungen | |
| komplett an Investitionen in den Klimaschutz koppelte. | |
| Allerdings hat Habecks Sondervermögen sowieso keine Chance – weil die Union | |
| zustimmen müsste, um das Grundgesetz zu ändern. Damit ist nicht zu rechnen. | |
| Dieser Dauerstreit hat Folgen, denn er stärkt die AfD. Unter den | |
| WählerInnen setzt sich der Eindruck fest, dass „die da oben“ unfähig sind. | |
| Auch schürt es Angst, wenn ständig debattiert wird, wie man bei 21 | |
| Millionen Rentnern kürzen könnte. | |
| 24 Feb 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Ulrike Herrmann | |
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