# taz.de -- Parteien-Streit um Solidaritätszuschlag: Auf dem Weg nach Karlsruhe | |
> Finanzminister Olaf Scholz will, dass nur noch Reiche den Soli zahlen. | |
> Die FDP findet das unfair und droht, vor das Bundesverfassungsgericht zu | |
> ziehen. | |
Bild: Scholz hält den Rest-Soli für die Reichen für „verfassungskonform“ | |
BERLIN taz | Ob die Koalition aus Union und SPD mit diesem Plan durchkommt, | |
steht in den Sternen. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) will die Lohn- | |
und Einkommensteuer senken, indem er den Solidaritätszuschlag für die | |
meisten Bürgerinnen und Bürger ab 2021 abschafft. Nur wer hohe Einkommen | |
erhält, soll ihn weiterzahlen. Weil die Gutverdiener nicht ebenfalls in den | |
Genuss der Steuersenkung kommen, droht die FDP nun, vor das | |
Bundesverfassungsgericht zu ziehen. | |
Konkret schlägt Scholz vor: Bis zu einem Jahreslohn von knapp 74.000 Euro | |
brutto sollen ledige Arbeitnehmer den Soli nicht mehr zahlen. Darüber | |
steigt der Zuschlag allmählich an. Der volle Satz von 5,5 Prozent der | |
Steuerschuld wird erst ab gut 109.000 Euro Bruttogehalt fällig. Eine | |
Familie – zwei Erwachsene, zwei Kinder – bleibt Soli-frei bis zum Einkommen | |
von 152.000 Euro. Über 90 Prozent der Steuerpflichtigen werden so teils | |
mehrere hundert Euro jährlich sparen. Den vollen Zuschlag berappen dann nur | |
noch die 3,5 Prozent mit den höchsten Gehältern. | |
Die Union unterstützt das im Prinzip, will aber eigentlich die komplette | |
Abschaffung des Soli. Die FDP ebenso: Sie gab deshalb ein Gutachten bei | |
Hans-Jürgen Papier in Auftrag, dem ehemaligen Präsidenten des | |
Bundesverfassungsgerichts. Ab Anfang 2020 sei der Solidaritätszuschlag „mit | |
dem Grundgesetz nicht mehr vereinbar“, lautet dessen Einschätzung. Papier | |
verweist darauf, dass der Zuschlag seit den 1990er Jahren dazu diente, die | |
Wiedervereinigung zu finanzieren und große Summen nach Ostdeutschland zu | |
lenken. Nun laufe aber der entsprechende Solidarpakt II Ende 2019 aus. | |
Damit, so Papier, trete wieder die „finanzverfassungsrechtliche Normallage“ | |
ein. Der Bund dürfe dann nicht mehr einen Zuschlag auf die Einkommensteuer | |
erheben, über dessen Verwendung nur er entscheide. Alle Bundesländer | |
müssten an den kompletten Einnahmen beteiligt werden. | |
Finanzminister Scholz sieht das anders: Er hält den Rest-Soli für die | |
Reichen für „verfassungskonform“. Schließlich brauche der Bund auch | |
weiterhin Geld, um vor allem in Ostdeutschland für „gleichwertige | |
Lebensverhältnisse“ zu sorgen. Scholz beruft sich dabei auf eine | |
Entscheidung des Verfassungsgerichts von 1972. Darin geht es darum, unter | |
welchen Umständen eine Ergänzungsabgabe nach Artikel 106 des Grundgesetzes | |
gestattet ist. Scholz hält es außerdem für ungerecht, wenn auch Leute mit | |
hohen Gehältern entlastet würden. Er plädiert eher dafür, den verbleibenden | |
Zuschlag zu legalisieren, indem man ihn als höheren Spitzensteuersatz in | |
die Einkommensteuer einbaut. | |
Bodo Ramelow (Linke), Ministerpräsident von Thüringen, forderte dagegen | |
einen „Ausstiegsfahrplan“ auch für Spitzenverdiener. Und | |
AfD-Finanzpolitiker Kay Gottschalk will die Millionäre ebenfalls entlasten | |
– während sich die Partei im Wahlkampf in Ostdeutschland einen sozialen | |
Anstrich gibt. | |
Die Gegenargumente lässt Scholz an sich abperlen. Und wenn das | |
Verfassungsgericht entscheidet, ist er möglicherweise nicht mehr | |
Finanzminister. | |
12 Aug 2019 | |
## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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