# taz.de -- Olaf Scholz in Italien: Überzeugungsbesuch in Rom | |
> Während des Asylgipfels der EU-Innenminister besucht der Kanzler die | |
> italienische Regierungschefin Meloni. Die steht beim Thema Migration | |
> unter Druck. | |
Bild: Alles tutti in Rom? Bundeskanzler Olaf Scholz besucht Italiens Regierungs… | |
Die größte Irritation gab es beim Landeanflug auf Rom, eine Bö zwang den | |
Regierungsflieger noch mal durchzustarten. Ansonsten lief der Besuch von | |
Kanzler Scholz in Italien rund. Der Sozialdemokrat und der Postfaschistin | |
verstehen sich, beide postideologisch gestimmt, bestens. Die Zeiten, als | |
SPD-Chef Lars Klingbeil die Wahl der Rechten Giorgia Meloni eine falsche | |
Richtungsentscheidung nannte, sind vorbei. | |
Scholz lobte Italien als „verlässlichen Freund“, mit dem man | |
„ausgezeichnete, enge Beziehungen“ pflege. Meloni lobte „die intensive | |
Dynamik“ der Beziehungen. Im Herbst ist ein Regierungstreffen geplant. Dass | |
der Himmel der beidseitigen Beziehungen blau ist, liegt vor allem an | |
Meloni, die in der EU Friedenssignale gesendet hat. Rechte Politikerinnen | |
wie Marine Le Pen in Frankreich und den ungarischen Ministerpräsidenten | |
Orban hat sie noch nicht getroffen, Scholz nun schon zum zweiten Mal. Und | |
Meloni winkte auch die Sperrung von 6 Milliarden EU-Euro an Ungarn wegen | |
Orbans Demokratieabbau durch. Und: Anders als viele autoritäre Rechte in | |
der EU hat Meloni mit Putin nichts am Hut und unterstützt Sanktionen und | |
Waffenlieferungen an die Ukraine. | |
Parallel zu Scholz' Visite tagen die EU-Innenminister, die eine neue | |
schärfere EU-Asylpraxis suchen. Das ist Zufall, passt aber. Denn da gibt es | |
Komplikationen zwischen Rom und Berlin. Italien ist ein zentraler | |
Ankunftsort der Flüchtlinge aus Nordafrika. Meloni sagte: „Deutschland | |
weiß, dass es ohne Italien keine bessere Migrationspolitik in der EU gibt.“ | |
Das klang wie eine Drohung durch die Blume. Also hier der liberale, um | |
Menschenrechte besorgte Sozialdemokrat, dort die rabiate, r[1][echte | |
Abschiebepoltikerin]? Ja, auch. Aber es ist keineswegs das ganze Bild. | |
Im Ziel – weniger Flüchtlinge in der EU – sind sich Scholz und Meloni | |
einig. Der Dissens ist, wie man das erreicht. Die Ampel will Zentren an den | |
EU-Außengrenzen. Dort sollen Migranten aus Ländern mit geringer | |
Anerkennungsquote bis zu drei Monate festgehalten werden – und nach Prüfung | |
des Asylanspruchs entweder in EU-Länder weiter reisen oder abgeschoben | |
werden. Deutschland bietet dafür finanzielle und organisatorische Hilfe an. | |
Doch für Italien wäre dies das Gegenteil der bisherigen Praxis. Nämlich | |
Flüchtlinge nicht registriert nach Norden ziehen zu lassen. 2022 kamen rund | |
100.000 in Italien an – nur 20.000 blieben dort. | |
## Flüchtlingszentren in Afrika? | |
Meloni steht unter starkem selbst erzeugten Druck, Migration rigide zu | |
begrenzen. Das war eines ihrer Wahlversprechen. Doch die Zahlen steigen | |
2023. Auch seit das autoritäre Regime in Tunesien eine rassistische | |
Kampagne gegen dunkelhäutige Afrikaner initiierte. | |
Meloni will Flüchtlingszen-tren nach [2][Tunesien] und Libyen auslagern. | |
Man müsse „die Primär-Migration in den Griff bekommen“, so Meloni bei der | |
Pressekonferenz am Donnerstag. Scholz' Anspruch, Migranten „human und in | |
Einklang mit geltendem Recht“ zu behandeln, so der Kanzler in einem | |
Interview mit einer italienischen Zeitung, würde das Hohn sprechen. Solche | |
Zentren außerhalb sind, [3][wie das Beispiel Australien zeigt], schnell | |
organisierte Unmenschlichkeit. | |
Berlin hält Melonis Versuche, Tunesien und Libyen für solche Zentren zu | |
gewinnen, für aussichtslos. Die gemeinsame Linie scheint nun zu sein, | |
Tunesien finanziell zu helfen – um Migration von dort zu verhindern. Am | |
Sonntag wird Meloni dorthin mit Mark Rutte und Ursula von der Leyen reisen. | |
Melonis Taktik ist pragmatisch. Bislang hält sich die Regierung in Rom bei | |
dem Asyldeal in der EU bedeckt – man will keine Brücke sprengen. Die | |
Rechnung: Wenn es etwas gibt,was weniger Migration bedeutet, ist man | |
verhandlungsbereit. | |
## Meloni bleibt vage | |
Aber das würde heißen: eine verbindliche Zusage anderer EU-Staaten, | |
anerkannte Flüchtlinge aus Italien aufzunehmen, und die Sicherheit, | |
Abgelehnte abschieben zu können. Sonst wird Meloni bei ihrer jetzigen | |
Praxis bleiben: NGO-Rettungsboote schikanieren, Geflüchtete nicht | |
registrieren und hoffen, dass weiterhin die Meisten nach Norden | |
weiterziehen. Man werde in der EU „eine gemeinsame Lösung finden“, so die | |
Regierungschefin etwas vage. | |
Scholz verwies darauf, dass Deutschland eine Million U-krainer aufgenommen | |
hat. Von den 240.000 Asylsuchenden 2023 seien 80 Prozent nicht an der | |
EU-Außengrenze registriert worden. Ein Wink Richtung Meloni. | |
SPD-Innenministerin Nancy Faeser hatte schon angedeutet, man könne auch | |
wieder Grenzkontrollen einführen. | |
Meloni lobte bei der Pressekonferenz entschlossen die eigene | |
Flüchlingspolitik. Italien rette „im Mittelmeer Leben“ und leiste | |
„hervorragende Arbeit“. Scholz ließ dies unkommentiert. Die Worte | |
humanitäre Flüchtlingspolitik fielen bei der Pressekonferenz nicht. | |
8 Jun 2023 | |
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## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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Abdul Hamid Dbaiba | |
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