# taz.de -- Özdemir verwässert Waldschutz-Pläne: „Zahnlose Mikro-Novelle“ | |
> Agrarminister Özdemir schwächt seine Waldgesetzreform ab. Er kommt | |
> Waldbesitzer:innen entgegen und vernachlässigt den Klimaschutz. | |
Bild: Einladender Waldweg | |
Berlin taz/afp | Das neue Waldgesetz wird deutlich weniger klare Regeln | |
aufstellen als Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) zunächst | |
geplant hatte. Seit Beginn der Woche ist ein „grundlegend überarbeiteter“ | |
Gesetzesentwurf zur Abstimmung an die anderen Ressorts gegangen. | |
[1][Umweltverbände, die schon mit der ersten Vorlage nicht glücklich | |
gewesen waren], zeigten sich nun erst recht enttäuscht. Die Verbände der | |
Waldeigentümer, die heftig gegen den früheren Entwurf lobbyiert hatten, | |
äußerten sich zunächst ebenso wenig wie die der Jäger. | |
Ursprünglich war geplant gewesen, das Bundeswaldgesetz in diesem Sommer zu | |
verabschieden. Nun soll das bis zum Jahresende passieren. | |
Die Ampelparteien hatten die Novelle des fast 50 Jahre alten | |
Bundeswaldgesetzes in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart. Nötig ist sie, um | |
die Regeln an die veränderten Anforderungen der Gesellschaft an den Wald | |
anzupassen. | |
Zudem berücksichtigt das Gesetz bislang weder Klima- und Artenkrise noch | |
die Ressourcenknappheit. „[2][Nur jeder fünfte Baum ist vollkommen | |
gesund“,] sagte ein Ministeriumssprecher. „Um unseren Wald zu erhalten und | |
dauerhaft nutzen zu können, müssen wir ihn für die Klimakrise rüsten und | |
umbauen.“ | |
Die Umweltverbände hatten deshalb einen „neuen und langfristigen | |
Gesellschaftsvertrag mit den Waldbesitzenden“ gefordert, der dem Erhalt des | |
Waldes als Lebensgrundlage dient. So sollten diese „nicht auf Einkommen | |
durch forstliche Nutzung angewiesen“ sein, sondern auch honoriert werden, | |
wenn sie den Wald schützen. Die [3][Waldbesitzer:innen fürchteten | |
dadurch aber „mehr Regulierung und Bürokratisierung“] oder „praxisferne | |
Eingriffe und pauschale Einschränkungen wie bei der Wahl der Baumarten“. | |
## Dienstleister Wald | |
Der aktuelle Entwurf ist nun weit entfernt von einem komplett neuen Gesetz. | |
So geht er zwar darauf ein, dass der Wald sogenannte | |
Ökosystemdienstleitungen erbringt, also etwa Sauerstoff erzeugt und | |
[4][Kohlenstoff bindet], Boden und Grundwasser schützt oder Erosion | |
verhindert. Gleichberechtigt sei aber seine Nutzung für die Erholung und | |
als Wirtschaftsgut. | |
Konkrete Maßnahmen und Vorgaben etwa zur Regulierung des Wasserhaushalts | |
oder auch zum klimagerechten Umbau fehlen deshalb. Kahlschläge ab einem | |
Hektar Fläche sollen zwar „nur mit Genehmigung der zuständigen Behörden vor | |
Ort möglich“ sein. Verstöße werden aber nicht als Straftaten eingestuft, | |
wie das in der ersten Referentenvorlage vorgesehen war. | |
Entsprechend verhalten reagierten die Umweltverbände. Sie begrüßten zwar | |
grundsätzlich, dass die Novelle überhaupt noch kommt, kritisierten aber den | |
„enttäuschenden und inhaltlich stark verwässerten Entwurf“, wie etwa | |
Florian Schöne vom Deutschen Naturschutzring sagte. Er verlangte | |
Nachbesserungen an dem „Minimalkompromiss“, dem die konkreten Regelungen | |
fehlten. | |
Der Umweltverband BUND schrieb in einer Pressemitteilung, es handle sich um | |
„zahnlose Mikro-Novelle“, bei der nicht einmal „ökologische | |
Mindeststandards“ berücksichtigt seien. Jörg-Andreas Krüger vom Nabu | |
bemängelte, dass der Entwurf vor allem auf Freiwilligkeit setze: „Alles | |
kann, nichts muss“, sagte Krüger. Positiv sei lediglich ein „zeitgemäßes | |
Zielbild“ mit einem „Fokus auf den [5][Erhalt des Waldes und seiner | |
Ökosystemleistungen]“. | |
21 Aug 2024 | |
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## AUTOREN | |
Beate Willms | |
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