# taz.de -- Öffentliche Toiletten in Berlin: Gratispinkeln nur mit Penis | |
> Warum sind nur Pissoirs kostenlos? Die Berliner Abgeordnete Katalin | |
> Gennburg (Die Linke) findet das ungerecht. | |
Bild: Die Senatsverwaltung entschied 2020, dass 68 neue barrierefreie Toiletten… | |
BERLIN taz | Pissoirs im Freien bleiben kostenlos, während für öffentliche | |
Unisex-Toiletten 50 Cent bezahlt werden müssen. Das geht aus der Antwort | |
der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz auf eine Anfrage | |
von Katalin Gennburg (Linke) vor. Diese war überschrieben mit dem Titel | |
„Umsonst pinkeln für alle!“. | |
Menschen mit Penis zahlen nichts dafür, ein Pissoir in der Öffentlichkeit | |
zu benutzen. Wer das nicht kann, verschwindet fürs Geschäft hinter einen | |
Baum oder sucht ein Toilettenhaus auf, das 50 Cent kostet. Gennburg fragte | |
den Senat deshalb schriftlich: „Ist dem Senat bekannt, dass öffentliche | |
Pissoirs kostenlos genutzt werden können, dass jedoch alle Personen, denen | |
diese Option nicht zur Verfügung steht, auf öffentlichen Toiletten 50 Cent | |
zum Pinkeln zu zahlen haben?“ | |
Die Senatsverwaltung antwortet darauf, dass „die neue Berliner Toilette | |
ausnahmslos eine Unisex-Toilette“ ist, aber überall dort, wo besonders viel | |
wildgepinkelt wird, kostenfreie Pissoirs aufgestellt werden. | |
Vergangenes Jahr war entschieden worden, 68 neue barrierefreie Toiletten an | |
„touristisch relevanten Bereichen“ entstehen zu lassen. Im Vorhinein wurde | |
eine Bedarfsanalyse durchgeführt. Doch ist der Zugang zu öffentlichen | |
Toiletten in Berlin damit nicht für jede:n geregelt. Nicht jede:r kann es | |
sich leisten, 50 Cent fürs Pinkeln auszugeben. Zwar gibt es kostenlose | |
öffentliche Toiletten in Berlin – für die meisten der 200 Anlagen ist aber | |
eine „Benutzungsgebühr“ von 50 Cent fällig. | |
## Forderung nach kostenlosen Toiletten | |
Zur Begründung nennt die Senatsverwaltung, dass „Fehlnutzungen und | |
Missbrauch“ entgegengewirkt werde und „die [1][öffentlichen | |
Toilettenanlagen] möglichst allen zur Verfügung stehen sollen und nicht | |
durch die dauerhafte Belegung einzelner Personen der Nutzung durch andere | |
entzogen werden“ soll. Was wohl so viel heißen soll wie: „In den | |
Toilettenhäusern sollen keine Obdachlosen schlafen.“ | |
Katalin Gennburg verweist darauf, dass die Abschaffung der Obdachlosigkeit | |
ein wichtiges Thema sei: „So kann man das Problem aber nicht lösen“, sagt | |
sie der taz. Gennburg hatte damit gerechnet, dass der Senatsverwaltung die | |
[2][Gender-Ungerechtigkeit] der öffentlichen Toiletten bewusst ist: „Es ist | |
ja ein Grundkonflikt, dass Frauen 50 Cent zahlen müssen, wenn sie auf | |
Toilette müssen, und Männer halt nicht. Den kann man nicht wegdiskutieren, | |
und hier muss nachgesteuert werden.“ | |
Erschrocken hat sich Gennburg über das Gender-Stereotyp, das aus der | |
Antwort hervorgeht: Kostenlose Pissoirs seien überall dort angebracht, wo | |
es besonders viele Wildpinkler gibt. „Woher kommt eigentlich die Annahme, | |
dass Frauen keine Wildpinkler sind?“, so Gennburg. „Diese | |
Vergeschlechtlichung ist politisch eine absolut inakzeptable | |
Argumentation.“ | |
Deshalb fordert Gennburg weiterhin [3][kostenfreie öffentliche Klos] – wie | |
etwa in Moskau und Helsinki. Auch an nichttouristischen Standorten, die die | |
Bedürfnisse der Bürger:innen im Alltag abdecken. „Wir brauchen | |
kostenlose öffentliche Toiletten nicht nur am Ku'damm, wo die | |
Tourist:innen langlaufen, sondern auch in den Außenbezirken“, sagt | |
Gennburg. | |
12 Mar 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Fehlende-Klos-in-Berliner-Gruenanlagen/!5321875 | |
[2] /Warum-der-Welttoilettentag-wichtig-ist/!5725606 | |
[3] http://gratispinkeln.de | |
## AUTOREN | |
Nicole Opitz | |
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