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# taz.de -- Fehlende Klos in Berliner Grünanlagen: Das pisschen Park
> Berlin lockt mit üppigen Grünanlagen, schert sich aber wenig um die
> Bedürfnisse derer, die sie nutzen. Warum gibt es eigentlich kaum
> Toiletten in den Parks?
Bild: Noch ein potenzieller Baumpinkler – und ist das überhaupt legal?
Sommer in der Stadt! Am Abend geht es in den Park. Man textet ein paar
FreundInnen zusammen, lässt sich auf dem warmen, ausgedörrten Rasen nieder
und nestelt das erste Bier aus dem Sixpack. Kondenswasser perlt von der
Flasche. Die Schwalben fliegen hoch. Gut fühlt sich das an.
Irgendwann fühlt man noch etwas anderes: Harndrang. Die Partygetränke haben
den Blutkreislauf sowie die Nieren durchwandert und wollen zurück in die
Umwelt. Auf zum nächsten Klo! Aber halt – gibt es hier überhaupt Klos?
In vielen der großen Berliner Parks lautet die Antwort: Eher nicht. Die
Partyhauptstadt lockt mit ihren üppigen Grünanlagen, schert sich aber wenig
um die Bedürfnisse derer, die sie nutzen. Was ungute Effekte hat:
Männliches Publikum trampelt vulgär mit offenem Hosenlatz durch die
Vegetation, weibliches sucht oft verzweifelt eine gastronomische
Einrichtung als Ausweichmöglichkeit. Behindertentoiletten? Fließendes
Wasser? Oft genug: Fehlanzeige.
Schauen wir auf Mitte: Im mit Abstand größten Park der Stadt, dem
Tiergarten, gibt es gerade einmal vier öffentliche Toiletten, zwei in der
Nähe des Brandenburger Tors und zwei an der Siegessäule. Auch die Klos der
Cafés am Neuen See und im Englischen Garten liegen im Randbereich. In den
beiden Volksparks des Bezirks sieht es für Bedürftige noch düsterer aus: Im
Humboldthain gibt es eine gebührenpflichtige Toilette, in den Rehbergen gar
keine.
## „So ziemlich ausgereizt“
Kann man da nicht was machen? Beim Grünflächenamt Mitte heißt es: Eine
Erweiterung des Angebots ist nicht geplant. Schon deshalb, sagt Mitarbeiter
Jürgen Götte, weil der Bezirk dann neue Werbeflächen an exponierter Stelle
zur Verfügung stellen müsste. „Und das ist jetzt so ziemlich ausgereizt.“
Der Hintergrund: Seit Anfang der 1990er Jahre gibt es den sogenannten
Toilettenvertrag mit der Wall AG. Er sieht vor, dass das Unternehmen die
Klos im öffentlichen Straßenland betreibt – seien es die vollautomatischen
„City Toiletten“ oder die im Inneren modernisierten gusseisernen
Gründerzeit-Häuschen, die der Volksmund „Café Achteck“ getauft hat. Im
Gegenzug erhält die Wall AG dann die Erlaubnis, große Leuchtposter für
Werbung aufzustellen.
Dieser Vertrag läuft Ende 2018 aus, die öffentlichen Klos werden neu
ausgeschrieben. Zurzeit werde mit den Bezirken geklärt, an welchen
Standorten weiterhin Bedarf bestehe, antwortete die Senatsverwaltung für
Stadtentwicklung vor Kurzem auf eine Anfrage aus der CDU-Fraktion. Aber wie
auch immer es kommt: Toiletten in den Parks betreibt auch Wall nicht, nur
an den Rändern, also auf öffentlichem Straßenland. Für eine zeitgemäße,
urbane Parknutzung ist das keine ernstzunehmende Lösung.
Viele Bezirke setzen darauf, dass die in den Parks angesiedelten
Gastronomen einen Teil der flüssigen Last auffangen. Auf der Webseite von
Friedrichshain-Kreuzberg etwa wird für den Görlitzer Park auf das Café
Edelweiss verwiesen, im Victoriapark auf dem Kreuzberg soll die kleine
XBergHütte hinter dem Gipfel mit dem Schinkel-Denkmal einen geordneten
Ablauf gewährleisten. Dazu gibt es Absprachen, die Cafés ächzen gerade im
Sommer trotzdem unter dem Andrang. „Wir bitten inzwischen um einen
freiwilligen Beitrag“, sagt Philipp Hebecker, der Betreiber der
„XbergHütte“, „denn gerade an den Wochenenden ist hier ein Riesenbetrieb…
Allerdings ist um 20, allerspätestens um 22 Uhr ohnehin Schicht: Dann hat
Hebecker Feierabend und die Partypeople wandern in die Büsche.
In der Neuköllner Hasenheide wiederum ist es die Kooperation mit der
legendären „Hasenschenke“, die manchen BesucherInnen Erleichterung
verspricht. Laut Bernd Kanert, dem Leiter des Neuköllner Grünflächenamts,
ist der Bezirk heilfroh, damit überhaupt ein Toilettenangebot im Park zu
haben, denn es fehlt schlicht und einfach das Geld: „Weil die Kosten für
Toiletten in öffentlichen Grünanlagen nirgendwo etatisiert sind, lassen sie
sich im Grunde nicht betreiben.“
## Erleichternde Ausnahmen
Natürlich gibt es auch eine positive Ausnahme. Die Grün Berlin GmbH, die
einige der schönsten und beliebtesten Berliner Parks betreibt, sorgt dort
überall für sanitäre Anlagen. Möglich wird das unter anderem, weil das
landeseigene Unternehmen nicht an den Wall-Deal von Senat und Bezirken
gebunden ist. In den Marzahner Gärten der Welt und im Britzer Garten sorgen
auch Eintrittsgebühren für die Refinanzierung.
Aber auch auf dem Tempelhofer Feld und im Gleisdreieckpark muss niemand
lange die Beine verknoten. Dort kommt es allerdings auch immer wieder zu
Vandalismus, mutwillig verstopften Becken oder zerkratzten Spiegeln. Nur im
Botanischen Garten Pankow – immer noch ein echter Geheimtipp – gab es noch
keine Probleme. Außer zu warmes Bier vielleicht.
Update: Eine vorbildliche Groß-Grünanlage ist dem Autor tatsächlich durch
die Lappen gegangen: Im frisch erneuerten Treptower Park gibt es jetzt auch
[1][zwei nagelneue öffentliche WC-Anlagen] – am Hafen und am
Weltspielplatz. Es handelt sich um geräumige, barrierrefreie
Techno-Toiletten, die von einem Konkurrenten der Firma Wall aufgestellt
wurden. Die Benutzung kostet allerdings auch hier 50 Cent. (04.08.16)
26 Jul 2016
## LINKS
[1] http://www.berliner-woche.de/alt-treptow/soziales/stilles-oertchen-im-park-…
## AUTOREN
Claudius Prößer
## TAGS
Park am Gleisdreieck
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Lollapalooza
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