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# taz.de -- Ökoklos sind im Trend: Das Geschäft läuft
> Die Start-ups heißen Ökolocus, Goldeimer oder Vivaerde. Öko-WCs sind
> gerade der heiße Scheiß in der deutschen Gründerszene. Warum eigentlich?
Bild: Experten für Ökoklos erkennen sofort: das hier ist keine
Berlin taz | Enno Schröder geht es darum, das Defäkieren schöner zu machen.
„Bei uns wird der ganze Prozess des Auf-die-Toilette-Gehens gefeiert“, sagt
Schröder, einer der Geschäftsführer der Hamburger Goldeimer GmbH.
Das Start-up vermietet seit 2014 Trockentoiletten an Festivalbetreiber. In
der Miete inbegriffen sind dabei nicht nur die Klokabinen, sondern auch
Zeitschriften und Musikbeschallung, zum Beispiel „Golden Brown“ von den
Stranglers. Und natürlich Sägespäne, mit denen die Hinterlassenschaft am
Schluss abgedeckt wird. Denn das Besondere an den Ökoklos ist: Sie kommen
komplett ohne Wasser aus.
Die Holzspäne sollen die Feuchtigkeit binden und so verhindern, dass
Gerüche entstehen. Die Hände wäscht man sich mit Hygiene-Gel. Eine nicht
repräsentative Umfrage unter Festivalbesuchern in der Redaktion ergibt: 50
Prozent der Nutzer finden den Geruch der Ökotoiletten tatsächlich weniger
schlimm als den von Chemietoiletten. Die anderen finden die Trockenklos
ziemlich eklig.
Die Hersteller der Aborte setzen bei den Benutzern auf ein Bewusstsein für
Nachhaltigkeit. „Es ist eigentlich schon absurd, dass wir unsere Toiletten
mit sauberem Trinkwasser spülen. Wir degradieren das Wasser zum
Transportmedium für die Scheiße zur Kläranlage“, sagt Schröder. In vielen
Entwicklungsländern sei es hingegen wichtig, Alternativen zum Wasserklosett
zu etablieren, da die sanitäre Infrastruktur fehlt. Goldeimer bezeichnet
sich als Sozialunternehmen: Die künftigen Gewinne sollen vollständig an die
Organisation Viva con Agua gehen, die sich für eine bessere Wasser- und
Sanitärversorgung einsetzt.
## Hohe Akzeptanz bei der Zielgruppe
Ökotoiletten boomen in Deutschland gerade. Allein in den letzten fünf
Jahren gründeten sich unter anderem die Start-ups Nowato in Frankfurt,
Ecotoiletten in Dresden, Ökolocus in Leipzig und Vivaverde in Berlin.
Ursprünglich kommen Trockentoiletten aus Skandinavien, wo sie aufgrund
fehlender Kanalisation und harter Böden für einsame Haushalte die einzige
Möglichkeit waren.
Die Entdeckung für Festivals mit Zehntausenden Besuchern ist eine
Business-Idee, auf die viele jetzt aufspringen. Denn sie lösen für die
Festivals mit Zehntausenden Besuchern an abgelegenen Orten gleich mehrere
teure Infrastrukturprobleme. Ohne Wasser spart man nicht nur Leitungen,
auch das Gewicht des Abfalls ist viel geringer. In der vergangenen
Festivalsaison konnte Goldeimer seine Klos auf 18 Veranstaltungen
aufstellen. Das Geschäft läuft, könnte man sagen.
Der Unternehmer Wolfgang Berger hat zu dem Thema gleich mehrere Bücher
geschrieben, zuletzt „Komposttoiletten für Garten und Freizeit.“ Die
Ökoklos haben für ihn sogar noch Potenziale, die die Start-ups nutzen
könnten. „Die Akzeptanz bei der Zielgruppe der Festivalbesucher ist hoch“,
sagt er. „Aber das ist ein Eimer in einer Kabine, das war’s. Die
Entwicklung ist eigentlich schon viel weiter.“ Bei echten Komposttoiletten
kann der Mensch nämlich sein Produkt nach einiger Zeit als fertige
Komposterde entnehmen.
Bei Ökoklo-Vermietern wie Goldeimer ist dieser Kreislauf noch nicht auf
diese Weise geschlossen. Sie lassen die Hinterlassenschaften zwar von
Kompostieranlagen abholen, müssen dafür aber zahlen. Am Ende wird auch
keine Komposterde daraus gemacht, sondern ein Bodensubstrat. Denn die
Regelungen zum Umgang mit menschlichen Fäzes sind streng. Karotten pflanzen
darf man darin nicht. Aus Sicht der Behörden gehört Kot in die
Kanalisation, danach in die Kläranlage.
Ein Modell, das schon der Künstler Friedensreich Hundertwasser bemängelte.
In seinem Manifest „Heilige Scheiße“ bezeichnete er das Spülen mit Wasser
als „gottlose Tat“ und klagte: „Der Kreislauf vom Essen zur Scheiße
funktioniert. Der Kreislauf von der Scheiße zum Essen ist unterbrochen.“
27 Nov 2016
## AUTOREN
Marie Kilg
## TAGS
Toilette
Scheiße
Start-Up
Festival
Landwirtschaft
NGO
Park am Gleisdreieck
Neuseeland
Christopher Froome
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