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# taz.de -- Streit um Lollapalooza-Festival in Berlin: Die Vision eines runterg…
> Zum Lollapalooza-Festival im Treptower Park werden Zehntausende erwartet.
> Vielen Anwohnern gefällt das nicht: Am Donnerstag demonstrieren sie
> dagegen.
Bild: Schöne Stimmung, kaputte Natur? Lollapalooza-Festival in Berlin 2015
Es wird gejoggt, man wirft eine Frisbee, hängt im Biergarten ab, schippert
mit dem Tretboot auf der Spree herum oder döst einfach nur schlaff auf den
weitläufigen Grünanlagen vor sich hin. Es ist ein ganz normaler Tag mitten
im Juli im Treptower Park, einem der beliebtesten Erholungsgebiete Berlins.
Genau hier aber soll in zwei Monaten die Erde beben, wenn bei der zweiten
Berliner Ausgabe des Musikfestivals Lollapalooza Bands wie Radiohead,
Tocotronic und New Order auftreten – insgesamt zwei Tage lang. Erwartet
werden circa 45.000 Besuchern pro Tag. Der Park, so viel ist klar, wird
sich an diesem 10. und 11. September ein Wochenende lang im Ausnahmezustand
befinden. Wer hier gern mal vorbeikommt, um gemütlich die Enten zu füttern,
sollte sich dafür besser einen anderen Tag aussuchen.
Gut, das ist Berlin, könnte man meinen, hier findet ständig irgendwo etwas
statt, was die gewohnte Routine beeinträchtigt, sei es ein Marathon, die
Fanmeile oder irgendein Autorennen, wegen dem mal eben die Karl-Marx-Allee
gesperrt wird. Nur kommt hier eben fünf Minuten nach Veranstaltungsende die
Berliner Stadtreinigung, macht alles wieder schön sauber und der Berliner
Alltag kehrt zurück.
Im Falle des Lollapaloozas jedoch gibt es Befürchtungen, dass nach dem
Festival dauerhaft nichts mehr so sein werde im Treptower Park wie davor.
Dass die schmucken Grünanlagen samt Rosengarten, gerade für rund 17
Millionen Euro renoviert, die ein so ganz anderes Ambiente bilden als die
Berliner Parkklassiker wie der eher wenig schmucke Görli, zertrampelt und
zerstört werden. Und dass wie einst bei der Loveparade im Tiergarten die
Büsche im Urin notdürftiger Partywilliger ertrinken. Am Donnerstag ruft
deswegen die Bürgerinitiative Treptower Park zu einer Demonstration gegen
das Festival auf.
## Temporäre Übernahme
Vor allem gibt es eine Angst davor, dass die temporäre Übernahme eines
großen Teils des Parks durch ein Mega-Festival, das einst in den USA
gegründet wurde und dessen Franchise-Ableger inzwischen auch in Brasilien,
Argentinien und Chile angekommen sind, durchaus längerfristig das Ende
einer geschützten Idylle bedeuten könnte: Wird erst mal eine Veranstaltung
dieser Größenordnung genehmigt, dauert es vielleicht nicht lange bis zur
totalen Eventisierung der Treptower Ruheoase.
Da hilft es auch kaum, dass das Bezirksamt Treptow-Köpenick vehement
betont, dass das Lollapalooza imTreptower Park eine aus der Not geborene
Ausnahme in diesem Jahr sei und es keine Fortsetzung an derselben Stelle
geben werde.
André Szutkowski, Mitbetreiber der Insel der Jugend, einem hübsch im
Treptower Park gelegenen Kulturhaus mit Sommergarten, Bootsverleih und
Sonnenterrasse, ist einer derer, die die „Kommerzialisierung geschützter
Grünflächen“ befürchten, wenn das Lollapalooza kommt. Klar, er werde auch
„enorme Umsatzeinbußen“ erleiden, weil niemand während eines lauten
Großevents im Park ausgerechnet bei ihm seine Ruhe suchen werde.
Aber auch als ganz normaler Bürger des Bezirks fühle er sich verschaukelt
von Senat und Bezirksamt, sagt er. Über die Medien erst habe er im März
erfahren, dass das Lollapalooza kurzfristig vom Gelände rund um den
ehemaligen Flughafen Tempelhof in den Park verlegt werde, weil dort, wo
vergangenes Jahr das Festival stattfand, inzwischen Geflüchtete
untergekommen sind. Demokratisches Mitspracherecht sehe für ihn anders aus.
Der Senat hat einen Vertrag mit Lollapalooza. Eine Schadenersatzklage im
Bereich von 15 Millionen Euro ist zu befürchten, wenn das Festival ins
Wasser fällt. Also unterstützte die Senatskanzlei die Lollapallooza-Macher
bei der Suche nach einem Ausweichgelände. „Wir haben uns intensiv
umgeschaut, mehrere Optionen geprüft. Am Ende blieb aber nur der Treptower
Park“, sagt dazu Lollapalooza-Sprecher Tommy Nick.
## Sowjetisches Bedenken
Falls nun tatsächlich versucht wurde, das Musikfestival möglichst
geräuscharm von einem Ort zum anderen zu verlegen, ist das gründlich
misslungen. Selbst die Botschafter ehemaliger Sowjetstaaten mischen mit und
geben zu bedenken, dass all die Rockmusik die Totenruhe am Sowjetischen
Ehrenmal stören könnte, das sich ja ebenfalls im Treptower Park befindet.
Und dann wird auch noch am Lollapalooza-Wochenende der “Tag des offenen
Denkmals“ begangen, der doch nach etwas Ruhe und Andacht verlangt.
Rock im Park oder nicht – dieses Thema taugt vielleicht sogar für den
Wahlkampf. In der Bezirksverordnetenversammlung positionierten sich
Vertreter der CDU und SPD schon mal im Pro-Lager, die der Grünen und Linken
bildeten die Contra-Front. Die einen präsentierten sich als Advokaten der
Jugend, die nichts gegen ein zünftiges Rockkonzert haben, und versuchten,
die anderen als miesepetrige Popkonzertverhinderer dastehen zu lassen.
„Wir nehmen die Bedenken der Anwohner ernst“, betont Lollapalooza-Sprecher
Nick, „und wir wissen, dass das eine sensible Sache im Treptower Park ist.“
Die Festivalleiterin des Lollapalooza, Fruzsina Szép, lässt sich zudem mit
den Worten zitieren, man werde den Treptower Park nicht nur hegen und
pflegen, „sondern wie unseren eigenen Garten im Herzen der Stadt
behandeln“.
Vor der Bürgerinitiative Treptower Park, der sich auch André Szutkowski
angeschlossen hat, und deren Slogan „Kein Lollapalooza im Treptower Park“
habe man keine Angst, sagt Nick. Über einen Plan B mache man sich keine
Gedanken, seitens des Bezirksamts Treptow-Köpenick bestehe schließlich
„kein Zweifel, dass wir das Genehmigungsverfahren durchbekommen.“
André Szatkowski kündigt trotzdem an, rechtliche Schritte gegen das
Festival im Treptower Park einzuleiten.
14 Jul 2016
## AUTOREN
Andreas Hartmann
## TAGS
Lollapalooza
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Protest
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