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# taz.de -- Nicht umgesetzte Vorhaben der Groko: Auftakt zum Gesetzeversenken
> Kinderrechte ins Grundgesetz? Aber nicht mehr vor der Wahl! Übers
> untrügliche Zeichen, wann der Wahlkampf wirklich begonnen hat.
Bild: Diese Woche erst erwischte es die Verankerung der Kinderrechte im Grundge…
Es ist immer ein wenig strittig, wann so ein Wahlkampf wirklich anfängt.
Oft enden die Leitartikel schon ein Jahr vor der Bundestagswahl mit „… hat
also die XY-Partei den Wahlkampf eröffnet“, womit gemeint ist, dass jemand
sich nicht ausreichend sachgemäß geäußert hat.
Dabei gibt es ein sehr geeignetes Kriterium, den Beginn des Wahlkampfs zu
erkennen: Er fällt zusammen mit der Gesetze-versenken-Saison. Das ist die
Phase am Ende einer Regierungsperiode, wenn die Koalitionspartner einander
nicht mehr das Schwarze unter den Fingernägeln – sprich: keinen Erfolg mehr
gönnen, Koalitionsvertrag hin oder her.
So beschlossen CDU und CSU schon im vergangenen Spätsommer, dass sie doch
lieber keine Sanktionen für kriminelle Unternehmen wollten. [1][Dieses
„Unternehmensstrafrecht“], vereinbart im Koalitionsvertrag 2018, hieß zu
dem Zeitpunkt bereits „Gesetz zur Stärkung der Integrität in der
Wirtschaft“, im Juni 2020 war es vorgestellt worden.
Doch das Parlament bekam nie Gelegenheit, sich damit zu beschäftigen. Denn
inzwischen fand die Union in Bundesrat wie Bundestag, man solle Unternehmen
nicht unnötig mit möglichen Vorwürfen von Betrug, Korruption oder
Umweltverschmutzung (Dieselskandal, CumEx…) belasten. Das schöne Gesetz,
aufwendig verhandelt, umformuliert und immer wieder umgearbeitet, liegt bis
heute im Posteingangs-Körbchen des Bundestags. Das wird nichts mehr.
## Es kann peinlich werden
Die Aufgabe der PolitikerInnen, die sich für solche Projekte stark machen,
ist in solchen Fällen stets, den Zeitpunkt zu erkennen, an dem sich die
Sache nicht mehr lohnt. Denn sonst sieht es peinlich aus und man wird in
die Loser-Ecke geschoben. Es war dann von der SPD auch nichts mehr zu hören
in Sachen Sanktionen gegen Unternehmen – bis vor wenigen Tagen
SPD-Parteichef Norbert Walter-Borjans sich empörte, wie viele Gesetze die
Union auf den letzten Metern verklappt.
Man sollte an dieser Stelle allerdings auch eine kurze Gedenkminute für die
tapferen Ministerialen einlegen, die an solchen Entwürfen jahrelang feilen
– nur, um sie dann zurück in die Schublade zu legen.
Diese Woche erst erwischte es dann [2][die Kinderrechte im Grundgesetz],
sie standen ebenfalls auf Wunsch der SPD schon im Koalitionsvertrag. Jetzt
am Mittwoch verkündete dann der Justiziar der Unionsfraktion, Ansgar
Heveling, das Aus für die Streichung des Wortes „Rasse“ aus dem
Grundgesetz. Dieser Plan war Teil eines ganzen Pakets zur Bekämpfung von
Rechtsextremismus, das „seit Chemnitz, seit Halle, seit Hanau“ (O-Ton der
damaligen Familienministerin Franziska Giffey, SPD) zunächst auch von der
Union unterstützt worden war.
Teil dieses Plans war auch das Demokratiefördergesetz, das die Finanzierung
von Projekten „gegen rechts“ verbessert hätte; nach größten Mühen ging …
Mitte Mai durchs Kabinett. Dann jedoch machte die Unionsfraktion der Sache
den Garaus – übrigens gegen den Willen von Innenminister Horst Seehofer
(CSU), woran zu erkennen ist, wie viel dieser der Union noch wert ist.
## „Diskontinuität“ heißt das
Der Schutz von WhistleblowerInnen, die Missstände in ihren Firmen
aufdecken, hatte es 2017/2018 nicht in den Koalitionsvertrag geschafft. Das
SPD-geführte Justizministerium fand jedoch Trost: Man müsse demnächst
ohnehin eine Whistleblower-Richtlinie der EU umsetzen. Genau diese
Umsetzung stand nun Ende April auf der Tagesordnung des Kabinetts, war also
quasi schon ins Menü aufgenommen – wurde dort jedoch „nach einem Anruf aus
der Unionsfraktion“, wie in taz-Kreise hinein kolportiert wurde, wieder
heruntergeschubst. Solche EU-Richtlinien sind dabei vergleichsweise
geduldig in der Umsetzung.
Nun hat bislang noch keine Koalition alles in Gesetze verwandelt, was sie
sich in ihre Verträge geschrieben hat. Und selbst wenn ein Kabinett dies
schaffen würde – wenn gewählt wird, hat ein neuer Bundestag keinerlei
Verpflichtung, abzuarbeiten, was eine alte Bundesregierung beschlossen hat.
„Diskontinuität“ heißt das. Wobei die große Koalition zwischen der letzt…
und der jetzigen Legislaturperiode einen bemerkenswerten Willen zur
Dis-Diskontinuität bewiesen hat: Das Rückkehrrecht für Teilzeitarbeitende,
auch ein Gutteil der vereinbarten Pflegereformen wurden bis 2017 nicht
erledigt. Sie wurden dann halt in dieser noch laufenden – und
voraussichtlich erst einmal letzten – schwarzroten Runde beschlossen.
Diese Chance werden die Restposten aus dem aktuellen Vertrag kaum mehr
bekommen. Sie dürften nach der Wahl in den Schubladen bleiben.
9 Jun 2021
## LINKS
[1] /Bekaempfung-von-Unternehmenskriminalitaet/!5617546
[2] /Kinderrechte-unter-Grosser-Koalition/!5773267
## AUTOREN
Ulrike Winkelmann
## TAGS
Wahlkampf
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
GNS
Gesetzentwurf
Wahlkampf
Rechtsextremismus
Kinderrechte
Mietendeckel
Christine Lambrecht
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