# taz.de -- Neues Wahlgesetz in Baden-Württemberg: Zwei Stimmen für Südwest | |
> Baden-Württembergs Landtag beschließt ein neues Wahlgesetz, das zwei | |
> Stimmen und Wählen ab 16 vorsieht. Experten halten davon wenig. | |
Bild: Das neue Wahlgesetz muss voraussichtlich bei der Landtagswahl 2026 den er… | |
KARLSRUHE taz | Baden-Württemberger sollen bei Landtagswahlen künftig zwei | |
Stimmen haben. Der Landtag in Stuttgart beschloss mit den Stimmen der | |
Regierungskoalition eine Reform des Wahlrechts. | |
Kern des neuen Wahlgesetzes ist die Absenkung des Wahlalters auf 16. Zudem | |
können die Wählerinnen und Wähler analog zur Bundestagswahl künftig mit der | |
Erststimme eine Direktkandidatin wählen und mit der Zweistimme einer Partei | |
die Stimme geben. | |
Die Wahlrechtsreform war ein alter Wunsch der Grünen, bereits bevor sie mit | |
[1][Winfried Kretschmann] den Regierungschef stellten. Sie erhoffen sich | |
von dem Zwei-Stimmen-Wahlrecht vor allem mehr Frauen im Parlament, aber | |
auch insgesamt mehr Vielfalt. Eine verbindliche Geschlechterparität auf den | |
künftigen Wahllisten der Parteien hat es nicht ins Gesetz geschafft. Nicht | |
nur wegen der entmutigenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgericht zu | |
Paritätsinitiativen aus Bayern, sondern auch wegen des Koalitionspartners | |
CDU, der insgesamt nicht als Fan der Wahlrechtsänderung gilt. | |
In der Vergangen Regierungsperiode hatte es wegen der Wahlrechtsreform | |
einen Aufstand der CDU-Fraktion gegeben, der auch den CDU-Vorsitzenden | |
Thomas Strobl beschädigt hatte. Deshalb war aus Sicht der Grünen nun Eile | |
geboten. | |
## Vergrößerung des Landtags als größte Gefahr | |
Experten stellten dem Gesetz, abgesehen vom Wahlrecht ab 16, in einer | |
Anhörung ein schlechtes Zeugnis aus. Die größte Gefahr in der Reform sehen | |
die Experten in der Vergrößerung des Parlaments. Die Zahl der Abgeordneten | |
könnte auf bis zu 220 anschwellen. Der Grund sind Überhangmandate, die | |
entstehen, wenn eine Partei mehr Direktkandidaten ins Parlament schickt, | |
als ihr Sitze durch die Zweistimmen zustehen. Der Bundestag ist so in den | |
letzten Jahren auf aktuell 746 Abgeordnete angewachsen, 138 davon sind | |
Überhangmandate. Alle Reformen [2][sind bisher gescheitert.] | |
Damit es dem Landtag in Stuttgart nicht genauso ergeht, hatten die Experten | |
zu einer drastischen Verringerung der Wahlkreise angeraten, was auch die | |
FDP gefordert hatte. Doch der Zuschnitt von Wahlkreisen ist zwischen den | |
Parteien hochumstritten und wurde um des Koalitionsfriedens willen | |
ausgeklammert. | |
Auch aus der Reihe der SPD, die dem Gesetz nun mehrheitlich zugestimmt hat, | |
kam Kritik. Der Landtagsabgeordnete Gernot Gruber wandte sich in einer | |
persönlichen Stellungnahme speziell gegen das System der Landeslisten. Es | |
gebe den Parteien zu viel Einfluss auf die Kandidatenauswahl. Gruber | |
beklagte, das Gesetz fördere „Karrieretrends vom Kreißsaal über den Hörsa… | |
in den Plenarsaal“, wie man sie im Bundestag beobachtet. | |
Das neue Wahlrecht muss voraussichtlich 2026 den ersten Praxistest | |
bestehen. Diese Wahl würde wohl auch ohne neues Wahlrecht spannend. Nachdem | |
Kretschmann angekündigt hat, kein weiteres Mal zu kandidieren, gilt das | |
Rennen als offen. | |
6 Apr 2022 | |
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## AUTOREN | |
Benno Stieber | |
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