# taz.de -- Neues Buch „Du bist mir gleich“: Lichtstrahlen auf Einhörner | |
> In Dietmar Daths aktuellem Roman wird viel über Mathematik nachgedacht. | |
> Aber auch fantastische Themen finden Beachtung. | |
Bild: Weniger mathematisch bewanderten Lesern, dürfte bei der Lektüre Daths d… | |
Samira Weiss arbeitet als Wissenschaftsredakteurin in einer Tageszeitung. | |
Mit ihrem Chef Peter Trötsch gibt es oft Ärger, weil sie, aus seiner Sicht, | |
schwer zu kontrollieren ist. Manchmal Texte vorlegt, die nicht in die | |
Zeitung gehören, wie er findet. Als die Mathematikerin [1][Maryam | |
Mirzakhani] stirbt, soll sie einen Nachruf schreiben. | |
Die Notizen, die Samira Weiss ihrem Chef dann zeigt, stellen ihn vor | |
Rätsel. Passagen sind darin, die sich wie eine Art Zwiegespräch mit der | |
Toten lesen. Unter journalistischen Kriterien ist das für ihn inakzeptabel. | |
Sie hingegen weigert sich, das zu liefern, was er von ihr verlangt. | |
Am Rande: Maryam Mirzakhani, die als erste und bisher einzige Frau und als | |
erster Mensch aus dem Iran die Fields-Medaille, in der [2][Mathematik] das | |
Äquivalent zum Nobelpreis, erhalten hat, gab es übrigens wirklich. Sie | |
starb 2017 mit 40 Jahren an Krebs. | |
Samira Weiss, die Hauptfigur von Dietmar Dath Roman „Du bist mir gleich“, | |
stößt mit ihrer Art zu denken – und zu handeln – nicht allein ihren Chef, | |
sondern auch ihren Freund Sascha mehr und mehr vor den Kopf. Ihren | |
Überlegungen kann er immer weniger folgen. Bei einem Gespräch mit ihm hält | |
sie auf einmal ein Messer in der Hand und weigert sich, es wegzulegen, was | |
Sascha verstört. Die Sache eskaliert, Samira geht für ein paar Tage aus der | |
gemeinsamen Wohnung. Sascha ist besorgt. | |
## Die Faszination des Mathematikerromans | |
Dietmar Dath hat mit „Du bist mir gleich“ eine Art Mathematikerroman | |
vorgelegt. Ein Thema, das sich durch sein Werk zieht: So präsentierte er | |
2003 in seinem Buch „Höhenrausch“ in literarisch unterschiedlichen | |
Annäherungen 20 Mathematiker des 20. Jahrhunderts. Einer darunter der | |
Physiker Paul Dirac, dieser ist zugleich Titelfigur des Romans „Dirac“ | |
(2006). | |
Sein Buch „Du bist mir gleich“ hat Dath jetzt sowohl Maryam Mirzakhani als | |
auch ihrem Kollegen Wladimir Wojewodski gewidmet. Letzterer ist nicht bloß | |
ebenfalls Fields-Medaillenträger, er starb auch im selben Jahr wie | |
Mirzakhani. | |
Das Buch schildert an der Oberfläche Dinge wie den Alltag in einer | |
Zeitungsredaktion, die Arbeit einer Verlegerin, bei der Samira ein Buch | |
plant, und das komplizierte Liebesleben von Geistesmenschen – Samiras | |
Freund Sascha ist Schriftsteller. Alles Dinge, die der Buchautor und | |
[3][FAZ-Feuilletonredakteur Dath] aus eigener Anschauung kennen dürfte. | |
Vor allem geht es jedoch um die Leidenschaft des abstrakten Denkens, das | |
der Roman als wilde und anarchische Tätigkeit vorführt. Wohlgemerkt nicht | |
als etwas Anarchistisches, denn Gesetze gibt es in der Mathematik sehr | |
wohl, sie sind lediglich von sehr eigener Art. | |
## Zerebrales mitunter auch für Laien | |
Vieles von dem, was Dath dabei anreißt, rauscht über die Köpfe mathematisch | |
weniger bewanderter Leser hinweg. Das sind dann Stichwörter wie | |
„Teichmüller-Raum“, „Homotopietypentheorie“ oder „Univalenz“. Wenn… | |
sich mit einem fachkundigen Gesprächspartner austauscht, in der Regel ein | |
älterer Psychiatriepatient, wählen die beiden mitunter Beispiele, denen | |
Laien annäherungsweise folgen können, selbst wenn es darin um Einhörner | |
geht. An anderer Stelle, was nicht selten ist, verzichten sie auf | |
Handreichungen für Nichtexperten. | |
Das kann frustrierend sein, hat aber, wenn man sich auf diesen Strom des | |
Zerebralen einlässt, selbst für Zaungäste seinen Reiz. Literarisch | |
beschränkt sich Dath dabei keinesfalls auf Theorieverästelungsprosa, | |
wissenschaftspolitische Ansätze inklusive, sondern zeichnet bei seinen | |
Figuren mit knappen Strichen auch deren psychologisches Profil nach, ohne | |
allzu viel auszuerzählen. | |
Selbst das Fantastische kommt nicht zu kurz, wobei sich Dath diesmal an die | |
Fantasie eines naturwissenschaftlichen Realismus hält, bei dem Dinge aus | |
der Geometrie schon mal an Messern demonstriert werden, deren Klingen aus | |
unerfindlichen Gründen sich ineinander verschränkt schneiden. Oder ein | |
Eichhörnchen wird beim Baumklettern schwer verwirrt. Solche „Tricks“, wie | |
das bei Samira heißt, gehören bei Dath halt dazu. | |
17 Dec 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Nachruf-auf-Maryam-Mirzakhani/!5426940 | |
[2] /Mathematikerin-Karen-Uhlenbeck/!5579396 | |
[3] /Die-FAZ-wird-70-Jahre-alt/!5637678 | |
## AUTOREN | |
Tim Caspar Boehme | |
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