# taz.de -- Neue Vorwürfe gegen Kinderheim: Sozialministerin Alheit niedergedr… | |
> Im Kinderheim in Dithmarschen sollen Kinder regelmäßig zu Boden gedrückt | |
> worden sein, sagen die Piraten. Der Heimbetreiber bestreitet das | |
Bild: Sozialministerin Kristin Alheit versprach, die neuen Vorwürfe zügig auf… | |
HAMBURG taz | Ganz schön einstecken musste Wolfgang Dudda am Montagfrüh in | |
einer Sondersitzung des Kieler Sozialausschusses. Er halte Informationen | |
für eine Pressekonferenz in Hamburg zurück, hatte Sozialministerin Kristin | |
Alheit (SPD) dem Piraten-Abgeordneten vorgeworfen. Besser wäre es doch, bei | |
Verdacht auf Kindeswohlgefährdung die Heimaufsicht zu informieren. Alle | |
Vorwürfe, die die Piraten und die Hamburger Linke vor einer Woche gegen die | |
Heime Rimmelsberg und Dörpling erhoben hatten, seien nicht bestätigt oder | |
abgestellt worden. Beide Heime seien mehrfach überprüft wordeb. Die SPD | |
sprach von „kaltem Kaffee“. | |
Das ließ Dudda sich nicht zweimal sagen. In der Sitzung berichtete er von | |
seinen neuesten Erkenntnissen aus einem Gespräch, das er am Freitag mit | |
einem ehemaligen Mitarbeiter der „Heilpädagogischen Kinder- und Jugendhilfe | |
(HKJ)“ in Dörpling hatte, besagter Einrichtung in Dithmarschen mit 26 | |
Plätzen, in welcher zehn frühere Mitarbeiter des Skandalheims Friesenhof | |
beschäftigt sein sollen. Die Aussagen des Zeugen, die sich auf die Jahre | |
2013 bis 2015 beziehen, hat Dudda in einer vierseitigen eidesstattlichen | |
Versicherung protokolliert und der Ministerin sowie der Öffentlichkeit | |
übergeben. | |
Zuvor fragte Dudda im Ausschuss, ob denn die Heimaufsicht bei ihrer | |
Begehung in Dörpling im Juni 2015 auch „nach der Technik des | |
Herunterdrückens“ gefragt habe. Darauf antwortete Staatssekretärin Anette | |
Langner, es habe am 28. August eine Begehung gegeben, nach dem Hinweis, | |
dass ein Junge Gewalt ausgesetzt gewesen sei. Es habe sich dann heraus | |
gestellt, dass dieser „bei einem Ausraster festgehalten“ wurde. Heimleiter | |
Frank H. habe gesagt, dass damit eine Selbst- und Fremdgefährdung | |
abgewendet wurde. Eine „systematische Methode“ des Herunterdrückens habe | |
man nicht festgestellt. | |
## Auf den Rücken gesetzt | |
Der Zeuge, der sich Dudda anvertraute, stellt das ganz anders da. Auch ein | |
führender Dörpling-Mitarbeiter habe bereits früher im Friesenhof gearbeitet | |
und diese Praxis angewandt. „Er drückte das Mädchen durch Umdrehen eines | |
Armes auf den Boden und setzte sich auf den Rücken des Mädchens“, sagte der | |
Zeuge, der laut Dudda anonym bleiben wolle, aber bereit sei, sich der | |
Staatsanwaltschaft anzuvertrauen. | |
In der HKJ Dörpling soll das „Herunterdrücken auf den Boden“ mit der | |
gleichen Technik gängige Praxis gewesen sein, häufig durch einen früheren | |
Friesenhof-Mitarbeiter, der bereits Zeuge im Untersuchungsausschuss | |
Friesenhof war. „Durchschnittlich fünf bis sieben Male pro Woche“, | |
berichtet Dudda. Ziel sei gewesen, das betroffene Kind vor den anderen zu | |
erniedrigen. | |
## Vorwurf: sexueller Missbrauch | |
In einem anderen Fall habe ein 17-Jähriger mit dem Stuhl auf einem Tisch | |
sitzen müssen, um den sich die anderen Kinder herum stellen mussten. Er sei | |
dann von dem Heim-Chef „zusammengeschissen“ worden, bis er weinte. Ferner | |
soll ein Mitarbeiter fristlos entlassen worden sein, weil er während einer | |
Nachtwache sexuelle Handlungen mit einem Mädchen durchführte. Das sei | |
sexueller Missbrauch an Schutzbefohlenen und ein Fall für den Staatsanwalt, | |
findet Dudda. | |
## „Keine solchen Sachen verlautbart“ | |
HKJ-Geschäftsführer Frank H. bestreitet, dass es die Übergriffe gab. „Wir | |
sind erst seit Juni 2014 auf dem Markt“, sagt er. Die Einrichtung habe | |
vorher fast ein Jahr leer gestanden. Ältere Vorwürfe könnten also rein | |
zeitlich nicht stimmen. Von der Praxis des Herunterdrückens sei ihm nichts | |
bekannt. Die Heimaufsicht sei zweimal da gewesen und hat eindringlich mit | |
den Kindern gesprochen. „Es sind keine solche Sachen verlautbart worden“, | |
sagte H. der taz. | |
Das Sozialministerium teilte mit, man werde die Vorwürfe zügig und | |
sorgfältig aufarbeiten. Den Vorwurf des sexuellen Verhältnisses mit einer | |
Betreuten habe der Betreiber selber gemeldet und den Mitarbeiter entlassen. | |
Bestimmte Vorwürfe könnten zeitlich nicht stimmen, da die Einrichtung 2013 | |
noch nicht existierte. | |
Das hatte Dudda allerdings auch nicht behauptet. Er kritisiert, dass noch | |
nicht gewährleistet ist, dass sich Kinder zeitnah beschweren können. | |
Solange das so ist, müsse man immer „kalten Kaffee“ präsentieren. | |
9 May 2016 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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