# taz.de -- Neue Coronamaßnahmen: Fixpunkt Weihnachten | |
> Die Fixierung der Coronamaßnahmen auf den 24.12. hängt mit dem Wunsch | |
> nach Planbarkeit zusammen, den wir alle haben. Leider ist genau diese | |
> utopisch. | |
Bild: Sehr, sehr stille Nacht: Weihnachten maskiert sich dieses Jahr nicht nur … | |
„Lieber jetzt einen längeren Lockdown als eine komplette | |
Ausgangsbeschränkung über Weihnachten“, sagte Markus Söder (CSU) am | |
Sonntag, wenige Tage vor dem nächsten Bund-Länder-Treffen zum | |
Pandemiegeschehen. Der bayerische Ministerpräsident ist nicht einzige | |
Politiker, der die Bevölkerung mit Drohungen zur Räson bringen will. Dabei | |
ist schon aus der frühkindlichen Erziehung bekannt, dass solche Versuche, | |
das Verhalten zu lenken, fruchtlos sind und mit Geplärr enden. | |
Das Abhalten eines geregelten Weihnachtsfests ist zum Fokus politischer | |
Willenskundgebungen geworden. Das ist einerseits seltsam, weil man von | |
ähnlichen Bemühungen zu Chanukka oder dem Zuckerfest noch nie etwas gehört | |
hat. Juden und Muslime scheint es bei der Pandemiebekämpfung nicht zu | |
geben, mindestens sind sie nebensächlich. Andererseits ist es verständlich, | |
weil der Großteil der in Deutschland lebenden Menschen nun einmal eher | |
christlich verwurzelt ist, auch wenn viele von ihnen mit Religion nichts | |
oder nur wenig zu schaffen haben. | |
Christkinds Geburtstag ist deshalb mehr als nur ein Zieldatum. Das Datum | |
steht für die ersehnte Planbarkeit ritualisierter Feierlichkeiten in einer | |
in Unordnung geratenen Gesellschaft. Wenn schon das Fest als das wichtigste | |
dieser jahreszeitlichen Rituale in Gefahr gerät, dann, so die Imagination, | |
drohen alle Dämme zu brechen, dann, ja dann scheint nichts mehr sicher zu | |
sein. Der Verweis auf ein geregeltes Weihnachtsfest und die verbreitete | |
Furcht vor Ausgangssperren entspringt der Vorstellung, dass die Deutschen | |
mit diesem ultimativen Argument dazu gedrängt werden könnten, ihr | |
Alltagsverhalten so zu verändern, dass die Infektionszahlen endlich sinken. | |
Selig ist, wer dran glaubt. | |
Zugleich aber hat sich die Politik mit dem [1][Verweis auf Weihnachten] | |
selbst eine Falle gestellt. Denn der Wunsch nach Planbarkeit, Sicherheit | |
und Beständigkeit betrifft ja nicht nur die Gestaltung dieser Feiertage. | |
Von Tag zu Tag zu leben, kommt in Abenteurromanen und Aussteigergeschichten | |
gut an. Tatsächlich ist es ein weit verbreitetes menschliches Bedürfnis, | |
das eigene Leben für die künftigen Tage, Wochen und Monate im Voraus zu | |
planen. Nicht umsonst wurden die meisten Sommerurlaube schon im Winter | |
gebucht – bis die Pandemie kam. | |
## Ruf nach Planbarkeit | |
Schon in den letzten Wochen gewann deshalb der Ruf nach Planbarkeit des | |
Lebens in der [2][Pandemie] an Lautstärke. Auf gar keinen Fall ginge es an, | |
der Bevölkerung einen Zickzackkurs aus monatlichen Einschränkungen und | |
kurzen Normalisierungsphasen aufzuerlegen. Und deshalb müsse ein gangbarer | |
Plan her, möglichst bis zum April. | |
Diese Vorstellung ist verständlich und stößt auf ungeteilte Zustimmung. | |
Aber sie ist zugleich irreal. Denn ein pandemisches Infektionsgeschehen | |
lässt sich nur sehr begrenzt voraussehen. Ein sicherer Plan wäre es, | |
allenfalls anzukündigen, sämtliche Restaurants, Bars und Hotelbetriebe bis | |
zum Frühjahr geschlossen zu halten – nur fände der wohl kaum die erhoffte | |
Zustimmung, sondern schüfe zusätzlichen Frust und [3][Existenzängste]. | |
Bundesbürger sind in ihrer Mehrheit keine Kleinkinder. Deshalb sind | |
Drohungen wie Versprechungen fehl am Platz. Deshalb sollte die | |
Kommunikation zwischen Regierenden und Regierten so ehrlich wir möglich | |
ausfallen. Das heißt: Die Politik weiß so wenig wie die Wissenschaft exakt, | |
wie das Pandemiegeschehen Mitte Februar 2021 ausfallen wird. Und deshalb, | |
so schmerzhaft es auch sein mag, kann der einzige Plan nur darin bestehen, | |
keinen langfristigen Plan zu besitzen, sondern flexibel auf das weitere | |
Infektionsgeschehen zu reagieren. | |
23 Nov 2020 | |
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## AUTOREN | |
Klaus Hillenbrand | |
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