# taz.de -- Netzkonferenz „re:publica“, 2. Tag: Von Schweißen bis Antarktis | |
> Die Klassifikation der LOLCat-Lover, bratwurstessende Politiker und das | |
> Ende der Arbeit: der zweite Tag der Internetkonferenz „re:publica“. | |
Bild: Jeder erlebt seine persönliche Internetkonferenz: Besucher der re:public… | |
Am zweiten Tag der Internetkonferenz re:publica in Berlin [1][lästerte | |
Daimler-Chef Dieter Zetsche] über das Google-Auto. Im Beisein der | |
kubanischen Bloggerin Yoani Sánchez wurden die [2][The-Bobs-Awards] für | |
Online-Aktivismus der Deutschen Welle [3][verliehen]. Und Telekom-Manager | |
Jan Krancke [4][stellte sich mehr oder weniger der Kritik], dass sein | |
Konzern den Abbau der Netzneutralität vorantreibt. | |
Alles Ereignisse, die es nicht in diesen streng subjektiven Tagesüberblick | |
geschafft haben. Denn wie schon für den [5][Montag] gilt, dass es 5.000 | |
individuell verschiedene re:publicas gibt, das hier ist nur eine davon. Die | |
Grundfrage bleibt aber die gleiche: Was konnte man auf der re:publica | |
lernen? | |
1. Niemand sieht beim Bratwurstessen so wenig scheiße aus wie Gerhard | |
Schröder. Und das ist wichtig als Politiker, denn dauernd muss man sich mit | |
der Wurst fotografieren lassen – auf Volksfesten wird sie einem angeboten, | |
ablehnen geht nicht, und überhaupt demonstriert sie wie kaum sonst etwas | |
Volksnähe und Bodenständigkeit. | |
Nur leider sind die Dinger heiß, fettig und es ist unmöglich, sie würdevoll | |
zu essen. Der Journalist Constantin Alexander hat deswegen eine | |
[6][„Anwendungsorientierte Analyse volkstümlicher Lebensmittel in der | |
politischen Berichterstattung“] vorgestellt. Stoiber, Steinbrück, | |
MacAllister – sie alle fallen durch beim Wurstverzehr. Ein weiterer Tipp | |
von Alexander, der in einem [7][Tumblr] Wurstesserbilder sammelt: Haltung | |
bewahren. Denn die Wurst muss zum Mund, nicht der Mund zur Wurst. | |
2. Ein Gigabyte Daten nimmt das Google Car jede Sekunde auf. Und rund 3,5 | |
Millionen Menschen in den USA verdienen ihren Lebensunterhalt als Fahrer. | |
Sie könnten bald durch Maschinen überflüssig gemacht werden, so wie auch | |
zahllose Fabrikarbeiter. | |
Doch auch vermeintlich sichere Berufe sind in Gefahr, die Mustererkennung | |
im Big-Data-Bereich könnte Arbeitsbereiche von Anwälten und Diagnoseärzten | |
betreffen. Und selbst an der Abschaffung von Sportjournalisten wird | |
gearbeitet, die recht schematisch ablaufenden Spielereignisse könnten | |
Computer bald selbst erkennen und dann mit den passenden Textbausteinen und | |
Synonymen beschreiben – manch einer sagt allerdings, das wäre längst | |
passiert. | |
Die Debatte, was das für Folgen hat, ist das Thema von Johannes Kleskes | |
Vortrag [8][Das Ende der Arbeit]. Dabei gibt es zwei Lager: Neo-Ludditen | |
wollen wie die Maschinenstürmer von einst dagegen ankämpfen, dass Maschinen | |
uns erst die Arbeitsplätze wegnehmen und uns am Ende so kontrollieren. Die | |
andere Seite sagt sich: Wir können uns der Zukunft nicht widersetzen, also | |
sollten wir sie umarmen. Sie imaginiert ein digitales Athen: Eine Zeit, | |
ähnlich der griechischen Antike, wo die Bürger ihren Alltag mit Politik, | |
Kunst, Philosophie verbringen konnten, weil Sklaven ihnen die Arbeit | |
abgenommen haben. Diese Sklaven sollen dann Maschinen sein. | |
Johannes Kleske fordert als Mittelweg den [9][kritischen Geek]. Manch einer | |
wird es aber lieber mit Science-Fiction-Autor Arthur C. Clarke halten, der | |
sagte: „The goal of the future is full unenployment, so we can play.“ | |
3. Es gibt drei Sorten LOLCat-Fans: Die Meme Geeks, die Cheezfrenz und die | |
Casual User. Das ist eine der Erkenntnisse von [10][Kate Miltner], die ihre | |
Masterarbeit tatsächlich das berühmteste aller Meme geschrieben hat: über | |
[11][LOLCats]. Die Meme Geeks waren dabei die Vorreiter, sie sind jung, | |
meistens männlich und machten LOLCats groß. | |
Doch dann kamen die Cheezfrenz, eher Frauen mittleren Alters, die sich über | |
[12][I can haz Cheeseburger?] und andere Seiten austauschen und die LOLCats | |
wesentlich weniger aggressiv interpretieren. Einige Meme Geeks wandten sich | |
gelangweilt ab, andere kämpfen einen erbitterten Streit mit den Cheezfrenz | |
aus, wobei es unter anderem darum geht, wer besser LOLspeak sprechen kann. | |
Den Casual Usern ist das alles egal, sie schauen sich nur die Ergebnisse | |
der LOLCat-Bilderproduzenten auf der Arbeit an und freuen sich darüber. | |
4. Auf dem Mond dauert ein Tag 29 Tage und es gibt 250 Grad | |
Temperaturunterschied zwischen Tag und Nacht. Das ist wichtig, wenn man ein | |
Gefährt bauen will, das auf dem Mond mindestens 500 Meter fährt, um den | |
[13][Google Lunar X-Prize] von 30 Millionen Dollar zu gewinnen. Zwei | |
Mitglieder vom deutschen Team | |
[14][//www.facebook.com/PartTimeScientists:Part-Time Scientists] haben auf | |
der re:publica ihr Projekt [15][vorgestellt]. | |
Ihr kleiner Roboter Asimov Jr. hat dabei auch eine integrierte Kamera für | |
3D-Aufnahmen. Projektintern wurde diskutiert, ob man eine Farbkamera | |
brauche, wo doch auf dem Mond eh alles grau sei – am Ende entschied man | |
sich für Farbe. Außerdem ist der Mond voll mit sehr feinem Staub, also muss | |
Asimov Jr. sehr gut versiegelt sein. Denn dort oben gibt es keinen | |
ADAC-Pannendienst, sagt Karsten Becker, der wie auch sein Ko-Referent | |
Robert Böhme genau so aussieht und spricht, wie man sich in den USA | |
deutsche Ingenieure vorstellt: Heftiger Akzent, helles Hemd, Jeans und ein | |
Humor, der, siehe oben. | |
5. Binge Viewing nennt man es, eine US-Serienstaffel mehr oder weniger in | |
einem Rutsch zu schauen. Wusstet ihr sicher alle, ich erfahre es erst | |
abends im Hof beim Biobier. Und direkt danach, dass der Macher von True | |
Blood ADD hat, was sich aber nicht einwandfrei begooglestätigen lässt. Und | |
dann noch, dass Netflix eigene Serien produziert (also das wusstet ihr nun | |
aber wirklich alle). Worüber man halt redet in den re:publica-Pausen: über | |
TV-Serien. Wie überall sonst. Offen bleibt die Frage, wann es wohl mehr | |
US-Netflix-Accounts gibt als US-Bewohner, [16][VPN] sei dank. | |
6. Von [17][Schweißen] zu [18][Antarktis] liegen in der Wikipedia höchstens | |
sechs Klicks. Eisenzeit – Frühgeschichte – Nordamerika – Arktischer Ozea… | |
Arktis. „Wir wollen nur kurz was bei Wikipedia nachschlagen und fünf | |
Stunden später stellen wir fest, wir wissen jetzt alles über | |
Quantenbotanik, aber nicht, wie wir da hin gekommen sind“, sagt Sebastian | |
Vollnhals, einer der beiden Moderatoren von [19][„Six Degrees of | |
Wikipedia“], das aus der Not ein Spiel gemacht hat: Zwei Kandidaten müssen | |
in möglichst wenigen Schritten und möglichst wenig Zeit von einem Begriff | |
zum anderen kommen, dafür gibt es Punkte nach einem System, das man | |
vielleicht verstanden hätte, wenn man von Anfang an dabei gewesen wäre. | |
So wird der Weg von [20][Arthrose] zu [21][Einkommenssteuer (Deutschland)] | |
beschritten, von [22][Big Time Rush] zu [23][Der Herr der Ringe] schafft es | |
einer in sechs Schritten und 70 Sekunden. Weil bei [24][Eisen] zu | |
[25][Schöne Bescherung] auf der Bühne nichts passiert, probiere ich es am | |
eigenen Computer und finde den Weg Eisen – Erdöl – Hannover – | |
Weihnachtsmarkt – Advent – Weihnachten – Heiliger Abend – Bescherung – | |
Schöne Bescherung. Während die Halbfinalisten den Weg von [26][Johannes | |
Heesters] zu [27][Mom I'd Like to Fuck] suchen, gehe ich zurück in den Hof. | |
8 May 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.internetkongress-republica-zetsche… | |
[2] http://thebobs.com/deutsch/category/2013/?only_winners=true | |
[3] http://www.heise.de/newsticker/meldung/re-publica-Bobs-fuer-Online-Aktivist… | |
[4] http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/re-publica-netzneutralitaet-a-89… | |
[5] /Netzkonferenz-republica-1-Tag/!115847/ | |
[6] http://www.re-publica.de/sessions/anwendungsorientierte-analyse-volkstuemli… | |
[7] http://peoplebitingintobratwurst.tumblr.com/ | |
[8] http://www.re-publica.de/sessions/ende-arbeit-wenn-maschinen-uns-ersetzen | |
[9] http://www.golem.de/news/mensch-vs-maschine-wir-brauchen-den-kritischen-gee… | |
[10] http://www.re-publica.de/users/kmiltner | |
[11] http://de.wikipedia.org/wiki/Lolcat | |
[12] http://icanhas.cheezburger.com/ | |
[13] http://de.wikipedia.org/wiki/Google_Lunar_X-Prize | |
[14] http://https | |
[15] http://www.zeit.de/digital/2013-05/republica-raumfahrt | |
[16] http://de.wikipedia.org/wiki/Virtual_Private_Network | |
[17] http://de.wikipedia.org/wiki/Schwei%C3%9Fen | |
[18] http://de.wikipedia.org/wiki/Antarktis | |
[19] http://www.re-publica.de/sessions/six-degrees-wikipedia | |
[20] http://de.wikipedia.org/wiki/Arthrose | |
[21] http://de.wikipedia.org/wiki/Einkommensteuer_(Deutschland) | |
[22] http://de.wikipedia.org/wiki/Big_Time_Rush | |
[23] http://de.wikipedia.org/wiki/Der_Herr_der_Ringe | |
[24] http://de.wikipedia.org/wiki/Eisen | |
[25] http://de.wikipedia.org/wiki/Sch%C3%B6ne_Bescherung | |
[26] http://de.wikipedia.org/wiki/Johannes_Heesters | |
[27] http://de.wikipedia.org/wiki/Mom_I'd_Like_to_Fuck | |
## AUTOREN | |
Michael Brake | |
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