# taz.de -- Nein von Scholz zu Flugverbotszone: Realpolitik ohne Heldenpose | |
> Kanzler Scholz hat ein direktes Eingreifen in der Ukraine klar | |
> ausgeschlossen. Verantwortungslose Gesinnungsethik überlässt er anderen. | |
Bild: Realpolitik im Ukrainekrieg: Kanzler Olaf Scholz | |
Der Krieg in der Ukraine wird noch brutaler werden, als er schon ist. Viel | |
spricht dafür, dass russische Raketen auch noch in Wochen und Monaten | |
Wohnblöcke und Krankenhäuser zerstören und Zivilisten töten werden. Muss | |
man da jetzt nicht, nach all dem Zögern, entschlossener durchgreifen? Die | |
polnische Regierung fordert schon seit Längerem eine Nato-Mission in der | |
Ukraine, der ukrainische Präsident Selenski wirbt verzweifelt für die | |
Einrichtung einer Nato-[1][Flugverbotszone]. | |
Auch in Deutschland hat diese Idee Fürsprecher. So fordern etwa der | |
PEN-Präsident [2][Deniz Yücel] und der Historiker Karl Schlögel eine | |
Nato-Flugverbotszone. De facto würde das bedeuten, nicht nur russische Jets | |
abzuschießen, sondern auch russische Stellungen in Russland militärisch | |
anzugreifen. | |
Für eine Nato-Flugverbotszone gibt es ein wichtiges, moralisches Motiv: den | |
Schutz der Zivilbevölkerung. Aber die Folge kann ein Krieg mit der | |
Atommacht Russland sein. Putins Sprecher hat im US-TV-Sender CNN erklärt, | |
dass Russland, wenn es sich ernsthaft angegriffen sieht, Atomwaffen | |
einsetzen kann. Das Interview war nach Putins wolkiger Drohung an den | |
Westen, ihm bloß nicht in die Quere zu kommen, wohl als Beschwichtigung | |
gedacht. Es klingt aber noch bedrohlich genug. Putin bluffe nur, behaupten | |
die Anhänger einer Nato-Intervention. Das Problem dabei ist, dass der | |
Praxistest, ob das stimmt, einen Teil der Menschheit das Leben kosten | |
könnte. Die Ukraine könnte in diesem Fall übrigens das erste Schlachtfeld | |
eines nuklearen Krieges sein. | |
Einen Kriegseinsatz der Nato in der Ukraine zu fordern folgt einer | |
Gesinnungsethik, die sich verantwortungsfern um mögliche Folgen nicht | |
schert. Dieses buchstäblich gefährliche Denken mag zur Jobbeschreibung von | |
Intellektuellen gehören. Harmlos ist es allerdings nicht. Man erinnere sich | |
an den französischen Publizisten Bernard-Henri Lévy, dem es 2011 gelang, | |
mit dem für Kriegssituationen typischen moralischen Hochdruck die | |
französische Regierung zum Kriegseinsatz in Libyen anzustiften, mit bis | |
heute desaströsen Folgen. | |
Kanzler Scholz hat jetzt im Bundestag noch einmal klipp und klar gesagt, | |
dass Deutschland und die Nato in der Ukraine nicht eingreifen werden. Der | |
Westen liefert Waffen und Geld, beachtet aber die feinen Linien zwischen | |
Unterstützung und direkter Kriegsbeteiligung. Das ist Realpolitik ohne | |
Heldenpose. [3][Scholz], Biden und Macron folgen einer Verantwortungsethik, | |
die infrage zu stellen die Aufgabe von Intellektuellen sein kann. Mehr aber | |
auch nicht. | |
Es ist beruhigend zu wissen, dass, falls zum Beispiel eine russische Rakete | |
auf polnischem Gebiet einschlagen sollte, blasse Technokraten vom Schlage | |
Joe Bidens und Olaf Scholz’ und kühle Generäle entscheiden werden, wie man | |
reagiert. Und keine Intellektuellen, die glauben, über einen privilegierten | |
Zugang zur Moral zu verfügen. | |
23 Mar 2022 | |
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## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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