# taz.de -- Nationale Weiterbildungsstrategie: Update für Beschäftigte | |
> Geringqualifizierte Menschen nehmen seltener an Weiterbildungen teil. | |
> Eine Nationale Bildungsplattform soll das nun ändern. | |
Bild: Könnte öfter in Kalendern in Deutschland stehen, der Termin zur Weiterb… | |
BERLIN taz | Die Digitalisierung der Wirtschaft hat auch Folgen für die | |
berufliche Weiterbildung: Für die Beschäftigten in den Betrieben stehen | |
Qualifikations-Updates an. Ein Beruf, der einmal fürs ganze Leben erlernt | |
wird, ist für viele passé. Dafür gewinnt das lebenslange Lernen immer | |
weiter an Bedeutung, wie sich aus dem neuesten Umsetzungsbericht zur | |
Nationalen Weiterbildungsstrategie (NWS) ergibt, den die Bundesministerien | |
für Arbeit und Bildung kürzlich vorstellten. | |
Damit das klappt, muss beim Einsatz digitaler Lerntools noch zugelegt | |
werden. So offenbarte der Bericht, dass die „Entwicklung eines zentralen | |
Online-Einstiegsportals für die berufliche Weiterbildung“ erst jetzt „auf | |
seine Machbarkeit hin überprüft“ wird. Während die [1][digitale | |
Transformation] in vollem Gange ist, steckt die Nutzung online-gestützter | |
Lernprogramme in der Berufsbildung und der sie fortsetzenden Weiterbildung | |
in den Anfängen. | |
Mit einem Anflug von Selbstkritik konstatiert der Bericht, dass „spätestens | |
mit der Covid-19-Pandemie und den damit verbundenen Herausforderungen die | |
Digitalisierung der Weiterbildung als Handlungsfeld in den Fokus gerückt“ | |
sei. Zeit wird es. | |
Bereits im April hatte die OECD – die Organisation der Industriestaaten für | |
wirtschaftliche Zusammenarbeit – in einem Deutschland-Report eine bessere | |
Übersichtlichkeit der vielfältigen Weiterbildungsangebote gefordert. Diese | |
soll nun mit digitalen Plattformen in Angriff genommen werden. Ziel ist es, | |
wie es im Bericht heißt, „Bildungsangebote leichter auffindbar und für den | |
konkreten Kontext und individuellen Bedarf passfähig bereitzustellen“. | |
## Individuelles Lernen mittels Digitalisierung | |
Bei der Vorstellung des NWS-Umsetzungsberichts hob Bundesbildungsministerin | |
Anja Karliczek hervor, dass die Weiterbildung mittels Digitalisierung auch | |
individueller gestaltet werden könne. „Moderne digitale | |
Weiterbildungsangebote holen die Menschen da ab, wo sie mit ihrem | |
Kenntnisstand und ihrer gegenwärtigen Berufsbiografie stehen“, sagte die | |
CDU-Politikerin. | |
Gemeinsam mit Bundeskanzlerin Merkel habe sie deswegen die „Initiative | |
Digitale Bildung“ gestartet, in deren Mittelpunkt der Aufbau der | |
„Nationalen Bildungsplattform“ stehe. „Das ist ein gigantisches | |
Vernetzungsprojekt, mit dem wir unsere Bildung in allen Bereichen | |
modernisieren werden“, verkündete Karliczek. Es solle auch der | |
Weiterbildung dienen. Insgesamt wende ihr Haus dafür 900 Millionen Euro | |
auf. | |
Nach Angaben von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) wurden drei Viertel | |
der von der Bundesregierung geplanten Maßnahmen in der Weiterbildung | |
inzwischen „auf den Weg gebracht“, darunter der neue Rechtsanspruch auf | |
Wiederholung von Bildungsabschlüssen. Man befinde sich, so Heil, auf dem | |
Weg zur „Weiterbildungsrepublik Deutschland“. | |
Rainer Dulger, Präsident des Bundesverbandes der Arbeitgeber, verwies | |
darauf, dass die deutschen Unternehmen im Jahre 2019 rund 41 Milliarden | |
Euro in die Weiterbildung investiert hätten, und damit acht Milliarden Euro | |
mehr als drei Jahre zuvor. Dabei handelt es sich überwiegend um | |
Präsenz-Lehrveranstaltungen, für die Bildungsurlaub gewährt wird. | |
## Weiterbildung für gering Qualifizierte besonders relevant | |
Nach der OECD-Studie nehmen in Deutschland 54 Prozent der Erwachsenen im | |
Alter vom 18 bis 64 Jahren jährlich an einer Weiterbildungsmaßnahme teil. | |
Dies liegt zwar über dem Durchschnitt der Industrieländer, aber das Problem | |
besteht in der sehr unterschiedlichen Nutzung durch die | |
Beschäftigtengruppen. Gerade geringer Qualifizierte, deren Arbeitsplätze in | |
erhöhtem Maße bedroht sind, nutzen nur unterdurchschnittlich die | |
Weiterbildung – obwohl sie für diese Gruppe [2][besonders relevant sind]. | |
Zwar habe Deutschland „in jüngster Zeit viel dafür getan, seine | |
Weiterbildungslandschaft zu modernisieren und die Koordination der vielen | |
Weiterbildungsakteure zu verbessern – nicht zuletzt im Rahmen seiner | |
Nationalen Weiterbildungsstrategie“, räumte der ehemalige | |
OECD-Generalsekretär Angel Gurría ein. Dieser Weg müsse aber fortgeführt | |
und erweitert werden, insbesondere durch einen „stärkeren Fokus auf jene | |
Gruppen, deren berufliche Zukunft am meisten von Weiterbildung abhängt.“ | |
Eine zentrale Empfehlung der OECD ist, die komplexen Strukturen der | |
deutschen Weiterbildungslandschaft mit ihren rund 18.000 Anbietern zu | |
vereinfachen. „Es wäre sinnvoll, über ein nationales Weiterbildungsgesetz | |
einen Rahmen zu etablieren, der Zuständigkeiten, Organisation, Anerkennung | |
und Finanzierung regelt“, schlägt die OECD vor. | |
Der Anspruch auf Bildungszeiten und Bildungsurlaub solle regionen- und | |
branchenübergreifend vereinheitlicht und die finanzielle Förderung für | |
Weiterbildung nutzerfreundlicher gestaltet werden. „Zeitmangel und | |
fehlendes Wissen über die eigenen rechtlichen Ansprüche halten viele | |
Menschen von der Teilnahme an Weiterbildungsangeboten ab“, stellt die | |
Studie fest. Für Lehranbieter sollten Mindestqualitätsstandards eingeführt | |
werden. | |
Weiter empfiehlt die Studie, Konzepte und Kampagnen zu entwickeln, die | |
gezielt Menschen mit geringen Grundkompetenzen ansprechen. Bund und Länder | |
sollten in einer gemeinsamen Initiative „kostenlosen oder kostengünstigen | |
Zugang zu Lernangeboten im gesamten Bundesgebiet schaffen“. Andere | |
OECD-Länder, darunter Großbritannien mit seinem „UnionLearn-Programm“, | |
hätten auf diese Weise die Teilnahme bildungsferner Schichten deutlich | |
steigern können. | |
21 Jul 2021 | |
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## AUTOREN | |
Manfred Ronzheimer | |
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