# taz.de -- Jobmarkt und Ausbildung: Jung, gesund, ausbeutbar | |
> Eine OECD-Studie fordert bessere Förderung von Geringqualifizierten. | |
> Zugewanderte und Geflüchtete haben dabei besondere Problemlagen. | |
Bild: Geringqualifizierte arbeiten oft in der Gastronomie, da sie dort ohne Aus… | |
BERLIN taz | Der junge Ägypter arbeitete in einem Edelrestaurant in Berlin | |
und bereitete dort die Speisen zu. Das Kochen hatte er im Heimatland | |
gelernt, seine Deutschkenntnisse waren nicht besonders gut. Mit seinem | |
Verdienst unterstützte er die Familie in Ägypten. Dann kam ein Streit mit | |
seinem Arbeitgeber und die Entlassung. | |
Der Mann, der über eine Arbeitserlaubnis verfügte, landete als | |
„Geringqualifizierter“ bei der Berliner Beratung MobiJob für Geflüchtete | |
und Zugewanderte. „Wir mussten ihn überzeugen, doch noch eine Ausbildung | |
als Koch zu machen“, erzählt Gustav Schneider, „das ist finanziell erst mal | |
unattraktiv, weil das Ausbildungsentgelt deutlich niedriger ist als der | |
Verdienst im Restaurant“. | |
Schneider ist mobiler Berater bei MobiJob. Fälle wie sein ägyptischer | |
Klient gibt es häufig: Geflüchtete, die sofort in Helferjobs Geld verdienen | |
wollen, auch weil sie Geld an die Familie ins Herkunftsland schicken | |
müssen. Zudem hält der hohe Aufwand beim Spracherwerb viele Zugewanderte | |
mit geringen Deutschkenntnissen davon ab, eine Lehre zu beginnen. | |
Parallel zur praktischen Ausbildung in der Lehre muss die Berufsschule | |
besucht, müssen Fachbücher gelesen und am Ende eine mündliche und | |
schriftliche Prüfung bestanden werden. Dafür muss man Deutsch nicht nur | |
sprechen, sondern auch schreiben können. | |
## Jobs in Gastronomie und Lagerwirtschaft | |
„Neben der finanziellen Frage ist die Sprachbarriere das zweite große | |
Problem“, sagt Schneider. Nach seiner Erfahrung brauchen Geflüchtete im | |
Mittel etwa zwei bis vier Jahre Aufenthalt in Deutschland, um ein | |
Sprachniveau zu erreichen, mit dem sie auch den theoretischen Teil einer | |
Lehre bewältigen können. | |
Viele der Zugewanderten halten sich vornehmlich unter Landsleuten auf – | |
deswegen bieten sich Jobs in der Gastronomie auch an, weil dort in den | |
Küchen dann zum Beispiel andere arabisch sprechende Menschen arbeiten. Die | |
Klientel bei MobiJob arbeitet oft in der Gastronomie und in der | |
Lagerwirtschaft. | |
Für die etwa 14 Prozent Geringqualifizierten, die es in der Bevölkerung im | |
Erwerbsalter in Deutschland gibt, fordert eine neue Studie der Organisation | |
für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) [1][bessere Aus- | |
und Weiterbildungschancen]. „Geringqualifizierte haben oft komplexe | |
Barrieren zu überwinden und brauchen individualisierte Angebote,“ sagte | |
Studienmitautorin Karolin Killmeier am Donnerstag. | |
Die Studie definiert als „geringqualifiziert“ Menschen ohne einen | |
anerkannten Berufs- oder Studienabschluss und ohne Abitur, unbesehen der | |
Tätigkeiten, die sie in ihrem Leben schon gemacht haben. Ein relativ großer | |
Anteil hat einen Migrations- oder Fluchthintergrund. | |
## Geringe Verhandlungsmacht | |
Laut der OECD-Studie nehmen Menschen ohne Berufsabschluss seltener an | |
Bildungsmaßnahmen teil als solche, die bereits qualifiziert sind, sie | |
werden tendenziell also vom Bildungsgeschehen abgekoppelt. | |
Nicht selten haben die Arbeitgeber auch kein Interesse an einer | |
Weiterqualifikation der Beschäftigten, haben die Interviews in der Studie | |
ergeben. „Geringqualifizierte haben wenig Verhandlungsmacht“, sagt | |
Killmeier. | |
Unter der Ampelregierung gibt es für Arbeitgeber jetzt hohe Zuschüsse zu | |
Lehrgangskosten und eine Förderung, wenn geringqualifizierte Beschäftigte | |
einen Berufsabschluss nachholen. Für Geflüchtete ist es allerdings nach wie | |
vor schwierig, etwa durch eine Einstiegsqualifizierung eine Duldung zu | |
bekommen. | |
Der junge Mann aus Ägypten hat eine Lehre als Koch angefangen. „Das | |
Argument, [2][er könne dann später ein eigenes Restaurant eröffnen], hat | |
ihn überzeugt“, sagt Gustav Schneider. | |
24 Feb 2022 | |
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## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
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