# taz.de -- Nachtleben in Berlin: Aus dem Winterschlaf in den Rave | |
> Seit Freitag darf in den Berliner Clubs wieder getanzt werden. Auch | |
> illegale Partys in Parks sind weiterhin gut besucht. | |
Bild: DJ Reka Zalan im Berliner Techno-Club://about blank | |
Das Partywochenende beginnt am Freitag, 18 Uhr. Die Sonne brennt immer noch | |
so stark als wäre es mittags. Vor dem Club://about blank in Friedrichshain | |
hat sich eine Schlange formiert, die erst kurz vor dem Ostkreuz endet. | |
Hunderte von Menschen haben sich nach der [1][15-monatigen Zwangspause] das | |
erste Mal vorm Club versammelt. Der Ansturm ist stark, auch wenn ein paar | |
Dinge anders sind als früher. Leicht versteckt, abseits vom Gehweg, gehört | |
jetzt ein Coronatestzelt zum Inventar. Denn wer rein will, braucht einen | |
Nachweis, muss negativ getestet, geimpft oder genesen sein. | |
In der Gartenoase lassen blühende Holunderbüsche und viele weitere Bäume | |
und Sträucher die Sonne nur noch durchblinzeln, ich atme durch. | |
Elektronische Musik bringt die ersten Gäste dazu, sich wie in Trance zu | |
wiegen. Von den Strandstühlen, Sitzpaletten und Bierbänken gehen erste | |
Sektkorken hoch. | |
## Silvester im kleinen Sinne | |
Mitten im Geschehen, zwischen Diskokugel und einem Ventilator, feiern die | |
DJs ihr Comeback. Resident DJ Reka Zalan spricht von „Silvester im kleinen | |
Sinne“. Endlich wieder auflegen für viele Menschen, fernab von Kamerasets. | |
Es ist, als sei die Lebensrealität der Menschen hier monatelang weggesperrt | |
gewesen. Nun kann sie endlich wieder existieren. | |
Es zählt der Moment der [2][Extase]. Auch das Verbot zu fotografieren | |
machen Clubs wie diesen zu Safespaces, zu Orten, an denen Menschen, die | |
sich sonst diskriminiert oder marginalisiert fühlen, Rückzug finden. Die | |
drei Schwestern Catha, Jojo und Caro, die vor einem knallroten, mit | |
Stickern verzierten Wohnwagen chillen, kommen zu einem ähnlichen Fazit. Bis | |
zum heutigen Freitag haben sie auf das Feiern gehen hingefiebert. „Das ist | |
der Club, in dem wir am allerhäufigsten waren, gerade weil wir es schätzen, | |
dass es so ein feministischer und politischer Club ist.“ | |
Die Menschen hier haben gute Laune, auch wegen der gelockerten | |
Coronamaßnahmen. Wenn zuvor irgendwo anders geraved wurde, war das ein | |
Ausreißer. Die meisten, die ich spreche, haben während der vergangenen Zeit | |
viel nachgedacht. Eine Frau, die gerade tanzt, berichtet, dass bei | |
Bekannten von ihr die Drogen überhand genommen und sie aus dem Leben | |
katapultiert hätten. Während Drogen vorher nur im Clubkontext genommen | |
wurden, gehören sie jetzt zum Alltag. Die Musik habe gefehlt, genauso wie | |
das unbeschwerte Tanzen. | |
Vor den frisch mit Bier und Limo befüllten Kühlschränken, strahlt mir | |
Luisa mit großen Augen entgegen. Sie ist hier Barfrau und heute das erste | |
Mal wieder mit am Start. „Es ist ein bisschen wie Autofahren mit den | |
Getränkepreisen, die ich nach der Pause wieder neu erlernen musste.“ Viele | |
Getränke gehen über die Theke, auch gibt es mehr Trinkgeld als zuvor. | |
## Langsam rantasten | |
Doch trotz der großen Freude, wieder hier zu sein, wirken die meisten noch | |
etwas verhalten. So, als müssten sie sich an die Normalität erst langsam | |
wieder rantasten. | |
Etwas weniger verhalten geht es in der Hasenheide zu, zumindest wenn man | |
den Medienberichten Glauben schenkt. Dank des warmen Wetters strömen nun | |
wie im vergangenen Jahr jedes Wochenende Tausende Menschen in den Park, um | |
mit meist batteriebetriebenen Boxen improvisierte Partys zu feiern. | |
Nun, wo legales Feiern wieder möglich ist, werden auch die berüchtigten | |
illegalen Raves in den Parks der Hauptstadt bald der Vergangenheit | |
angehören, so die Theorie. Grund genug für einen Besuch. | |
## Erstmal Ernüchterung | |
Es ist Samstagabend kurz vor elf Uhr, die Luft ist schwül und drückend. | |
Eine nicht zu übersehende Spur aus Glasscherben und angetrunken Menschen | |
weist mir den Weg in die Hasenheide. Zum Rave kann es also nicht weit sein. | |
Doch in der Dunkelheit der unbeleuchteten Grünanlage macht sich erst einmal | |
Ernüchterung breit: Auf der ausgetrockneten Wiese sitzen nur vereinzelte | |
Menschengrüppchen, keine Party weit und breit. | |
Im Ostteil des Parks werde ich dann fündig; mehrere hundert Menschen sitzen | |
auf der Wiese. Überall sind kleinere Lichtinstallationen zu sehen; | |
geschäftstüchtige Getränkehändler verkaufen Bier von ihren Lastfahrrädern. | |
Etwa 50 Menschen tanzen dicht gedrängt ohne Masken um eine Box mit | |
Lichteffekten. Die Musik ist sehr leise; kaum hörbar außerhalb der | |
Menschentraube. Die Stimmung ist trotzdem ausgelassen, es läuft „Hit me | |
baby one more time“ von Britney Spears, die Feiernden singen enthusiastisch | |
mit. | |
„Es ist immer eine sehr friedliche Atmosphäre hier“, erzählt mir Max, der | |
seinen Nachnamen lieber nicht in der Zeitung lesen will. Der 22-jährige | |
Auszubildende kommt schon seit mehreren Wochen in den Park zum Feiern. „Am | |
Ende wird man eine richtige Gruppe, mit der man sich verbunden fühlt.“ | |
Stören würde nur die Polizei, deswegen sei auch die Musik so leise. Klar, | |
er könne verstehen, warum größere Ansammlungen noch verboten seien. „Aber | |
ein bisschen Freiheit muss man den Leuten schon gönnen.“ Soziale Kontakte | |
seien immerhin ein Grundbedürfnis, so Max. | |
Wenige Minuten später fährt auch schon eine Polizeiwanne mit grellem | |
Flutlicht hervor. Die Beamt:innen schreiten etwas ratlos durch die | |
Menge; die Box ist da schon längst aus. Die Polizei ist erstaunlich | |
zurückhaltend und belässt es dabei, die sitzende Menge mit dem Flutlicht zu | |
beleuchten, wohl in der Hoffnung, sie würde sich dadurch von allein | |
auflösen. | |
## Der nächste Rave ist nicht weit | |
Doch der nächste Rave ist nicht weit entfernt, auf einem kleinen Hügel | |
haben sich mehrere hundert Menschen um eine Box versammelt. Es wird | |
ausgelassen getanzt, ohne Abstand und Mundschutz. | |
Allerdings findet auch dieser Rave ein jähes Ende, die Polizei ist im | |
Anmarsch. „Danke! Nehmt euren Müll mit“, ruft der Besitzer der Box; die | |
Menge zerstreut sich. | |
„Ich hab gehört, am Müggelsee gibt es einen fetten Rave“, höre ich eine | |
Partygängerin im Vorbeigehen sagen. | |
20 Jun 2021 | |
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## AUTOREN | |
Jonas Wahmkow | |
Svenja Jäger | |
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