# taz.de -- Kultursommer in Berlin: Berlin lebt! | |
> Festivals, Konzerte, Kunst: Dieser Sommer verspricht zu einem | |
> Kultursommer zu werden, bei dem man sich mit Yoko Ono sogar etwas | |
> wünschen darf. | |
Bild: Bei der Fête de la Musique 2020 | |
BERLIN taz | Die Kunst, sie kann die Menschen schon zusammenbringen. Da mag | |
man sich jetzt vielleicht eine Leiter vorstellen in einem kleinen | |
Galerieraum, auf die man steigen kann. Oben angelangt, findet man eine | |
Lupe, mit der man das lesen darf, was da in winzigen Buchstaben an der | |
Decke steht: „Yes“. Ja. | |
Womit doch wirklich mal das Positive gefunden wäre. Das hat auch [1][John | |
Lennon gemacht], als er damals 1966 auf diese Leiter gestiegen ist und | |
schaute. Hätte er dort oben aber etwa ein „No“ gefunden, sagte er später, | |
hätte er sich auch niemals für die Frau interessiert, die dieses Kunstwerk | |
mit dem „Yes Painting“ ausgedacht hat. So aber sind sie mit dem Ja eben | |
zusammengekommen, der Beatle und Yoko Ono, die japanische Künstlerin. Die | |
Frau des Lebens von John Lennon. Was man auch in einem seiner Lieder hören | |
kann, wenn er singt: „In the middle of a shave, I call your name“. Ja, „Oh | |
Yoko!“ | |
Und eigentlich passt dieses Kunstwerk von Yoko Ono gut in die derzeitige | |
Situation, mit dem optimistischen Blick nach vorn, nach den Mühen davor, | |
die da schon auch dabei sind (die Leiter). Nur dass die Künstlerin damals | |
ihren Schmerz über das Ende einer Beziehung hineingearbeitet hat, während | |
man heute halt mit den fallenden Inzidenzzahlen endlich an einem Punkt | |
angelangt ist, wo man sich neu orientieren darf. | |
Weil ja wieder einiges möglich ist. Seit Freitag sind in Berlin | |
Veranstaltungen im Freien bis zu 1.000 Personen zulässig und drinnen mit | |
bis zu 250. Auch das Singen ist jetzt wieder erlaubt in geschlossenen | |
Räumen, [2][während man zumindest im Freien auch mal tanzen darf], bei | |
Veranstaltungen mit bis zu 250 Gästen gleichzeitig. | |
Da geht also wieder was. | |
Klaus Lederer (Linke) macht sogar Hoffnung darauf, dass das was ganz Großes | |
wird. „Das wird ein Kultursommer, wie ihn Berlin noch nicht gesehen hat“, | |
verkündete der Kultursenator vor einer Woche [3][anlässlich der Bilanz | |
seiner Amtszeit]. Und tatsächlich ploppen in diesen Tagen überall | |
Kulturangebote als Verheißung auf, wo in den strengeren Lockdownzeiten gar | |
nichts passiert ist und man sich bestenfalls an Pop-up-Radwegen freuen | |
durfte. | |
In der Pandemie musste man ja so manches lernen, vor allem, wie fragwürdig | |
so ein Wort wie Normalbetrieb und wie schnell dieser von neuen Normalitäten | |
abgelöst sein kann. In denen man sich ja dann eingerichtet hat. Deswegen | |
ist jetzt, wo einige auf die Coronazeit nur mehr zurückblicken wollen, auch | |
vermehrt vom Cave-Syndrom die Rede: Dass also Menschen sich gar nicht | |
raustrauen, aus Angst, sich doch noch anzustecken. Bei der Entscheidung | |
zwischen sozialen Kontakten und der eigenen Höhle wählt man da | |
vorsichtshalber lieber das traute Heim. Man weiß ja noch nicht wirklich. | |
Solche Höhlenbewohner müssen natürlich auch mit der frisch angebotenen | |
Kunst und Kultur fremdeln, weil die als Präsenzveranstaltung die Menschen | |
vielleicht schon ein wenig zu nah zusammenbringt. | |
Und vielleicht muss man wirklich wieder lernen, wie das mit der Kultur im | |
sozialen Raum und eben nicht hübsch auf Distanz gehalten wie im Stream | |
oder sonst wie für einen am besten funktioniert. Und ob man jetzt so ein | |
Kulturangebot allein schon deswegen als großartig empfindet, weil man halt | |
monatelang gedarbt und gar kein Angebot hatte. | |
Damit ist es vorbei. Man darf sich freuen, etwa auf die Konzerte auf der | |
Terrasse im Haus der Kulturen der Welt. Und wichtig ist der Plural. Weil | |
zur Auseinandersetzung mit Kultur und damit letztlich zu deren Genuss ein | |
gewisser kultureller Regelbetrieb nötig ist. Wie sollte man sonst ohne | |
Auswahl überhaupt wissen, was einem gefällt? | |
Deswegen ist das Beste am kommenden Kultursommer, dass es überhaupt wieder | |
so ein üppiges Angebot gibt. Mit der Kunst, die Menschen zusammenzubringen. | |
Auch Yoko Ono übrigens ist dabei, im [4][brandenburgischen Lieberose bei | |
der Rohkunstbau]. Und da darf man sich was wünschen: Bei dem Kunstprojekt | |
präsentiert sich die Künstlerin mit ihrem „Wish Tree“-Projekt. Ein Baum, … | |
dem man eben Wünsche anbringen darf. | |
Dass zum Beispiel der Sommer wirklich ein großer wird. | |
19 Jun 2021 | |
## LINKS | |
[1] /60-Namenstag-der-Beatles/!5702498 | |
[2] /Berlin/!p4649/ | |
[3] /Berlins-Kultursenator-ueber-Restitution/!5774609 | |
[4] /Rohkunstbau-in-Brandenburg/!5779650 | |
## AUTOREN | |
Thomas Mauch | |
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