# taz.de -- Nachruf auf Irm Hermann: Die nicht gefällige Frau | |
> Vom Leben einer Sekretärin, die eine große Schauspielerin wurde. Sie | |
> gehörte zur Fassbinder-Crew, spielte aber auch in Komödien wie „Fack ju | |
> Göhte“. | |
Bild: Irm Hermann bei einer Filmpremiere 2015 | |
Sie hatte die passende Kleidung, die Schuhe, Handtaschen und in Form | |
gelegten Locken. Sie kam eben „aus dem Büro“, erzählte Irm Hermann einmal | |
über ihre Anfänge, als sie mit Rainer Werner Fassbinder in München | |
anbandelte, kleine Rollen in seinen ersten Filmen übernahm und mit der | |
wilden Truppe des Antitheaters, später Action-Theaters lebte. | |
Irm Hermann war Sekretärin. Das Abenteuer Schauspielerei erlebte sie Mitte | |
der 1960er Jahre als Offenbarung. Und nebenher sorgte sie hier für das | |
Organisatorische und die interne Geldzuteilung fürs Flippern oder | |
Ins-Kino-Gehen. | |
Irm Hermann kannte sich aus mit den Frauenklischees ihrer Zeit. Sie kam aus | |
kleinbürgerlichen Verhältnissen und wusste, wie „die Leute“ sprachen. | |
Perfekt saßen die Blümchenkleider an ihrer schmalen, hochgewachsenen | |
Gestalt. Mit verschlossenem Silberblick beherrschte sie Gesten und Sound | |
der Fassbinder-Sprache. | |
Das artifizielle Bayrisch, jene Schroffheit, die amputierte Gefühle und | |
unterdrückte Rachegelüste wie Nadelstiche setzten. Sie gab der | |
Kleinbürgerhölle, auf die es die sozialkritischen [1][Melodramen von Rainer | |
Werner Fassbinder] abgesehen hatten, ihre ganz eigene Kontur. | |
## Im Fassbinder-Universum | |
Ihre Figuren – die frustrierte und betrügerische Ehefrau des „Händlers der | |
vier Jahreszeiten“ etwa, oder die stichelnde und um kein Widerwort gegen | |
ihren faulen, mit Prügel drohenden Gatten verlegene Krista in „Angst essen | |
Seele auf“ oder die von Gottfried John bespuckte Prostituierte in „Berlin | |
Alexanderplatz“ – provozierten Kritik an Kälte und Sadismus von | |
Fassbinders Kino-Universum. | |
Irm Hermann litt unter ihrer engen Beziehung zu ihm. Aber sie sah ihre | |
Rolle als Inbild für das Drama, wie Frauen Macht entwickeln können, um es | |
ihren Unterdrückern heimzuzahlen. Mitte der 1970er Jahre löste sie sich | |
dann aus dem Fassbinder-Zirkel, lebte mit Ehemann und Kindern in Berlin und | |
begann eine neue Karriere. | |
In Erinnerungen an die Zeit mit Fassbinder beschrieb sie, wie sie in der | |
produktiven Crew das Handwerk des Filmemachens lernte. Wie sie bei | |
Dreharbeiten von seiner Arbeitsweise profitierte, mit einem | |
durchgearbeiteten Film im Kopf dem Team Sicherheit zu geben. Zu den | |
achtzehn Filmen mit Fassbinder kamen über hundert Theater- und Filmrollen | |
hinzu. | |
## Postdramatische Abenteuer | |
Irm Hermann war ab 1979 an der Freien Volksbühne in Berlin engagiert, | |
spielte dort die Margret in Werner Herzogs Film „Woyzeck“. Ihre strenge, | |
den alltäglichen Wahnsinn beschreibende Ausstrahlung brachte sie in | |
Christoph Schlingensiefs Filme ein. Für postdramatische Abenteuer | |
aufgeschlossen „synchronisierte“ sie 2001 Marianne Hoppe in Schlingensiefs | |
Züricher Hamlet-Inszenierung. | |
Das „Vorgeführtwerden“ durch Regisseure nahm Irm Hermann gelassen als | |
Erfahrung in ihr Spielvermögen auf. Auch in Fernsehfilmen à la „Fack ju | |
Göthe“ oder „Tatorten“ blieb sie die undurchsichtige, nicht immer gefäl… | |
Frau von Format. Ihre wunderbare Art, mit leicht rollendem Rrr zu sprechen, | |
ihre Ruhe als Gegenüber meist nervöser zeitgenössischer Filmfiguren boten | |
dem genuschelten Naturalismus, der heute auf Leinwänden und Bildschirmen | |
grassiert, mit unvergesslichem Charme aparten Widerstand. | |
Am 26. Mai verstarb Irm Hermann überraschend in Berlin. | |
29 May 2020 | |
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## AUTOREN | |
Claudia Lenssen | |
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