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# taz.de -- Hanna Schygulla wird 75 Jahre alt: Eigensinnig und lebensklug
> Sie war das Gesicht des Neuen Deutschen Films, drehte mit Fassbinder,
> Schlöndorff, Wenders. Hanna Schygulla wollte aber niemandes Geschöpf
> sein.
Bild: Hanna Schygulla bei der Berlinale 2018
In der Schwabinger Kneipe „Bungalow“ tanzte sie allein und in sich gekehrt
vor der Jukebox, Rainer Werner Fassbinder schaute zu, ein Bierglas in der
Hand und einen Film mit dem Glamour-Girl seiner Antiteatertruppe im Kopf.
So ungefähr fasste der Regisseur Wim Wenders seine erste Begegnung mit
Hanna Schygulla und ihrem Entdecker einmal in ein schönes Bild. Es erzählt
davon, wie intensiv damals Leben und Filmemachen für die Schwabinger Szene
ineinanderflossen.
Tagträume, schrieb Hanna Schygulla später einmal, seien schon in der
Kindheit ihr Lebenselixier gewesen. Auf der Bühne und vor der Kamera, halb
in Angst, halb in purer Daseinslust badend, fühlte sie sich wohl. Da spürte
sie wirkliche Wirklichkeit. Fassbinder wurde ihr erster und wichtigster
Regisseur – und konnte sie doch nie zu „seinem“ Geschöpf erklären.
Schygulla, 1943 in Kattowitz, dem heutigen polnischen Katowice, geboren,
machte als Flüchtlingskind in München Abitur. Du bist etwas Besonderes,
sagte man ihr, aber was konnte das heißen? Zur Schönheitskönigin beim
Wirtschaftswunderurlaub mit den Eltern in Italien reichte es vorerst. Sie
lebte als Au-pair ein Jahr in Paris, begann in München zu studieren und
besuchte nebenbei die gleiche Schauspielschule, in der es auch Fassbinder
nicht lange aushielt. Der Unterschied: Sie glaubte nicht an ihr Talent, er
glaubte, auch ohne Schule genug davon zu haben.
Seine Einladung an sie, als Antigone im 1968 von ihm mitgegründeten
Antiteater einzuspringen, war der entscheidende Schritt: 1969 spielte sie
im Film „Liebe ist kälter als der Tod“ eine Gangsterbraut, kurz darauf in
„Katzelmacher“ eine Münchner Hinterhof-Femme-fatale. Hanna Schygulla wurde
damit das Gesicht des Neuen deutschen Films. Sie drehte ein Dutzend Filme
mit Fassbinder, arbeitete auch mit Jean-Marie Straub, Volker Schlöndorff,
Reinhard Hauff und Wim Wenders.
Ihre gestylte Erscheinung, der blonde Lockenkopf, die Miniröcke und
Plateausohlen, wurde mit ihrer weichen schleppenden Stimme, die immer
seltsam wie in Trance wirkte, zu ihrem Markenzeichen. Doch das
Puppengesicht, das Fassbinder ihr in „Effi Briest“ aufnötigte, brachte den
Bruch. Eigensinnig zog sie sich erst einmal zurück, wurde Lehrerin und
begann, ihre Träume [1][in Videos zu protokollieren], die sie 2014 in der
Berliner Akademie der Künste vorstellte. In Phase zwei der künstlerischen
Partnerschaft mit Fassbinder gelang ihr dann auch der Durchbruch als
internationaler Star, vor allem mit dem Stunde-null-Melodram „Die Ehe der
Maria Braun“ (1979).
Die lange Reihe ihrer Kinorollen setzte sie dann in zahlreichen
internationalen Produktionen fort. Kurios, aber genial war ihr
[2][„Tatort“-Auftritt im Jahr 2016], gemeinsam mit den
Fassbinder-Kolleginnen Margit Carstensen, Irm Hermann und Eva Mattes. Heute
wird sie vor allem für Lesungen aus ihrer lebensklugen Autobiografie
gefeiert und bei ihren Chanson-Abenden bejubelt. Am ersten Weihnachtstag
feiert Hanna Schygulla – erst – ihren 75. Geburtstag.
25 Dec 2018
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## AUTOREN
Claudia Lenssen
## TAGS
Hanna Schygulla
Neuer Deutscher Film
Volker Schlöndorff
Schwerpunkt Berlinale
Film
Tatort
Hanna Schygulla
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