Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Nach der Correctiv-Recherche: Der neue Vibe gegen rechts
> Die Abschiebefantasien machen wieder mal fassungslos. Drei Gefühle
> grassieren vor allem unter Migras und ihren Nachfahren: Ohnmacht, Wut und
> Mut.
Bild: Die Großdemo am 3. Februar vor dem Bundestag
Ohnmacht, Wut und Mut – das sind die drei Schlüsselbegriffe dieser Tage.
Darum drehte sich jedenfalls neulich das Gespräch mit einer befreundeten
deutsch-türkischen Kollegin. [1][Anlass waren die Ergebnisse der
Correctiv-Recherc]he vom 10. Januar. Drei Gefühle, die derzeit vor allem
unter Migras und ihren Nachfahren grassieren.
Wir sprachen darüber, dass in unserem Umfeld Mütter und Väter berichteten,
wie sie von ihren Kindern fassungslos darauf angesprochen würden, ob man
sie demnächst aus Deutschland vertreiben werde. Viele der Eltern erzählten
das mit einem Kloß im Hals, andere, eben noch gefasst, fingen zu schluchzen
oder weinen an. Ohnmacht.
Erlebnisse dieser Art häufen sich in meinem Umfeld. Für die meisten, die
Eltern im mittleren Alter, also Angehörige meiner Generation sind, kommen
die Ergebnisse der Recherche nicht überraschend. Offenkundig entfachen sie
aber eine andere Wucht als vorangegangene Enthüllungen. Gar nicht mal
zuerst in unserer Altersgruppe.
Besonders heftig haut es allem Anschein nach Teenager und junge Erwachsene
in den Zwanzigern um. Also große Teile der Generation Z. Für die Jüngeren
unter ihnen könnte das der prägende Moment ihrer Coming-of-Age-Phase sein.
Für die Älteren knüpft es emotional an die Fassungslosigkeit nach dem
[2][Anschlag von Hanau] an: In der parteipolitischen Mitte kullern
abrissbirnengroße Krokodilstränen, ohne jede Selbstreflexion bezüglich des
eigenen Anteils am rechtsextremen Abfuck.
## Zunehmende Ängste
Am Sonntag nach den Enthüllungen sprach auf der Großdemo am Brandenburger
Tor die 22-jährige Sängerin Paula Hartmann. Sie erzählte von einem Treffen
mit ihrem befreundeten Kollegen Arda, Mitte zwanzig, bekannt als der
Moabiter Rapper Apsilon sowie dessen jüngeren Bruder Arman; den
Familiennamen meiden sie in der Öffentlichkeit. Ihre Großeltern kamen als
sogenannte Gastarbeiter.
Paula sagte direkt zu Beginn ihrer Rede, so etwas habe sie noch nie
gemacht. Aber zwei prägnante Äußerungen der beiden Jungs hätten sie dazu
bewogen, ihre große Nervosität zu überwinden und auf der Demo zu sprechen.
Mut.
Sie hätten sich über die aktuellen Geschehnisse und zunehmenden Ängste
unterhalten. Arman habe gesagt, es sei ein komisches Gefühl, dass ein
Drittel des Landes ihn nicht hier haben wolle. Apsilons Erwiderung: Ob es
denn nicht mehr sei als ein Drittel.
Am 3. Februar, dem Tag der noch größeren Großdemo vor dem Bundestag, trat
Apsilon dann selbst auf. Den jubelnden Massen rief er zu: „Ich hab bisschen
Wut mitgebracht, habt ihr auch Wut mitgebracht?“ und rappte dann los:
„[3][… mag mein Çay dunkelbraun/ So wie Deutschland sein Bundestag ein Tag
aus/ Muss hier raus/ Lehn mich zu weit aus dem Fenster/ Und spuck das raus,
was sich in meiner Brust anstaut …]“
## Sollen wir gehen?
Sein anschließendes Statement kam ähnlich tight daher: „Auch wenn der
Bundeskanzler auf dem Spiegel-Cover sagt: ‚Wir müssen im großen Stil
abschieben‘, fragen wir uns, sollen wir gehn? Auch wenn die FDP einen
Höchstanteil an Migranten pro Stadtbezirk fordert, fragen wir uns, solln
wir gehn? Auch wenn eine Bundesregierung, in der auch die Grünen sind, 100
Milliarden für die Bundeswehr lockermacht, aber dann in den Schulen in
Neukölln gespart wird, fragen wir uns, solln wir gehn? Und wenn Polizisten
regelmäßig Hakenkreuze in Chatgruppen schicken und der Anschlag von Halle
nicht mal fünf Jahre her ist, aber auf einmal die Ausländer die einzigen
Antisemiten sind in Deutschland, fragen wir uns, solln wir gehn?“
Natürlich schmetterte ihm die Masse nach jedem „Solln wir gehn?“ ein fettes
„Nein!“ entgegen. Ich finde, mit diesem Vibe killen die Jungen die Ohnmacht
der Alten.
2024, here we are – safe!
11 Feb 2024
## LINKS
[1] /Enthuellungen-ueber-AfD-Geheimtreffen/!5982734
[2] /4-Jahrestag-des-Hanau-Anschlags/!5990757
[3] https://www.youtube.com/watch?v=KMECDnFC4tI
## AUTOREN
Bobby Rafiq
## TAGS
Schwerpunkt Stadtland
Kolumne Bobsens Späti
wochentaz
Schwerpunkt Demos gegen rechts
Massenproteste
Migrationshintergrund
Schwerpunkt Rechter Anschlag in Hanau
IG
Kolumne Bobsens Späti
Schwerpunkt Stadtland
Schwerpunkt Demos gegen rechts
Schwerpunkt Rassismus
Schwerpunkt Demos gegen rechts
Schwerpunkt Demos gegen rechts
Schwerpunkt Demos gegen rechts
Compact
## ARTIKEL ZUM THEMA
Wahlen in Sachsen und Thüringen: Wie ich kurz der AfD die Daumen drückte
Es ist kaum verdaulich, was in Thüringen und Sachsen gewählt wurde. Da kann
einem eine paradoxe Wut auf Demokraten wegen der Antidemokraten kommen.
Fremd sein und Diversität: Wer solche Freunde hat…
Die Rede ist von „wir“ und „ihr“. Unser Kolumnist hat da eine Bitte: Sc…
besser hin! Nicht paternalistisch, nicht von außen. Kommt rein in „unsere“
Welt!
Fantum mit Migrationsgeschichte: Schland und icke
Weder ein schwarzrotgoldener Rausch noch bloßes Antideutschtum: Irgendeine
Haltung aber muss unser Kolumnist bei der laufenden EM schon noch finden.
Demos gegen rechts: Fliehen oder kämpfen?
Für Migrant:innen war Rassismus schon vor den Deportationsplänen eine
Bedrohung. Die Demos sollten ein Anstoß sein, ihn im Ansatz zu bekämpfen.
Attentat von Hanau: Wer gedenken will, soll aufklären
Am Jahrestag des Attentats von Hanau am 19.2. wollen Politiker auf dem
Friedhof der Opfer gedenken. Der Vater des getöteten Hamza Kurtović ist
dagegen.
Demonstration gegen rechts in München: „Die AfD hat Angst vor uns“
Die Münchner lassen die Theresienwiese in einem Meer aus Lichtern
erstrahlen – gegen Hass und Rechtsextremismus.
Protestwelle gegen Rechtsextremismus: Dutzende Demos am Wochenende
Zehntausende Menschen demonstrieren weiterhin täglich gegen
Rechtsextremismus. Am Wochenende sind mehr als 60 Demos geplant.
Neue Demozahl für Hamburg errechnet: Polizei hat sich heftig verschätzt
Die Innenbehörde korrigiert die Zahl der Teilnehmer:innen an der
Anti-rechts-Demo am 19. Januar auf Nachfrage der Veranstalter stark nach
oben.
Ludwig und Press & Book kicken „Compact“: Weniger Brauntöne im Bahnhof
Das rechtsextreme Magazin „Compact“ verschwindet aus dem
Bahnhofsbuchhandel. Ein Eingriff in die Pressefreiheit, um die
Pressefreiheit zu schützen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.