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# taz.de -- Fremd sein und Diversität: Wer solche Freunde hat…
> Die Rede ist von „wir“ und „ihr“. Unser Kolumnist hat da eine Bitte:
> Schaut besser hin! Nicht paternalistisch, nicht von außen. Kommt rein in
> „unsere“ Welt!
Bild: Für die offene Gesellschaft, gegen die AfD: Protest in Essen am 28. Juni…
Dies ist meine letzte Kolumne vor dem Start der [1][Landtagswahlen in
Ostdeutschland]. Am 1. September wird in Sachsen und Thüringen abgestimmt,
am 22. in Brandenburg. Dann wird sich zum ersten Mal zeigen, wie
mehrheitsfähig die AfD inzwischen ist, jenseits der kommunalen Ebene.
Über ein halbes Jahr nach der Correctiv-Recherche zum neurechten Treffen in
Potsdam und den anschließenden Massendemos ist es verhältnismäßig still
geworden – einerseits. Dafür geht es in meiner Medien-Bubble ganz schön
laut zu. So äußert das Branchenportal [2][Übermedien gerade berechtigte
Kritik an der weiterhin wichtigen Recherche], mancher Correctivler reagiert
darauf ziemlich [3][unsouverän].
Dieses und ähnliche Themen werden in meinem beruflichen wie privaten
(deutsch-deutschen) Umfeld rege diskutiert. Weitgehend auf der Strecke
bleiben mal wieder diejenigen, um die es damals im „Landhaus Adlon“ ging:
Menschen jenseits des Klischees vom christlich-weißen Protodeutschen.
Eine beträchtliche Anzahl weißer Deutscher reagiert erschrocken, wenn sie
erfährt, wie viele Menschen allein ich kenne, die inzwischen ganz konkrete
Auswanderungsgedanken hegen. Ich spreche von Leuten, für die ich oft die
einzige nichteuropäische, „irgendwie muslimische“ Referenz in ihrem
Freundeskreis bin und doch fremd bleibe.
Sie sind erschüttert, Sätze zu hören, in denen klar von „wir“ und „ihr…
Rede ist. Denn während „unser“ Leben seit Jahren zunehmend vom Rechtsruck
betroffen ist, verliert „Ihr Euch“ immer noch in denselben
Autosuggestionen: „Ein Drittel ist halt rechtsextrem, war schon immer so,
was soll’s?“ – „Früher haben die halt die Union gewählt.“ – „Da…
wieder vorbei.“
Tja, das Ding ist nur, dieses Potenzial von 30 Prozent wirkt durch eine AfD
in Parlamenten, womöglich bald in Regierungen, fataler, als es
Rechtsextremen in vergangenen Jahrzehnten gelungen war.
Sicher, es gibt viele Deutsch-Deutsche, denen das bewusst ist und die
selbst Ziel rechten Hasses sind. Mir geht es aber besonders um
Multiplikatoren mit Wirkungsmacht, deren Umgang damit immer noch zu behäbig
ist. Die aus Hamburg stammende Tagesspiegel-Autorin Ariane Bemmer brachte
das während der EM in einem [4][bemerkenswert offenen Text] auf den Punkt.
Anlass war die Debatte über die Diversität des deutschen Teams.
Bemmer problematisiert ihren eigenen pur weißen Alltag und ahnt zugleich,
„dass sich bei mir nicht mehr viel ändern wird. Beruf, Freunde, Hobbys
werden bleiben, das hat ja alles einen Grund, und damit ist viel Zeit
belegt. Ich werde vermutlich vor allem warten, ob sich von allein etwas
Neues auftut, ob neue Leute dazukommen […], und dann bewusster offener
schauen, ob sich etwas jenseits des Üblichen ergeben könnte.“
Warum so passiv? Längst gewähren Literatur, Film und Musik tiefe Einblicke
in „unsere“ Lebenszusammenhänge und Gefühlswelten. „Uns“ gibt es an j…
Straßenecke, in Vereinen, in Nachbarschaften, in Cafés und auf Konzerten.
Menschenhass lässt sich nicht umfänglich erkennen und wirkungsvoll
begegnen, solange „diese Leute“ auf „uns“ und „unser Leben“ blicken…
sie einen Essay im Feuilleton bestenfalls interessiert lesen, aber dann
schon wieder weiterblättern.
Meine Bitte: Schaut besser hin! Nicht paternalistisch, nicht wie
Zoobesucher von außen. Kommt rein in „unsere“ Welt, nehmt teil! Frei nach
dem Soziologen Aladin El-Mafaalani: Niemand muss sich dafür rechtfertigen,
dass er weiß-homogen lebt – nur, wenn er nichts daran ändert.
7 Aug 2024
## LINKS
[1] /Landtagswahlen-im-Osten/!6023632
[2] https://uebermedien.de/97285/der-correctiv-bericht-verdient-nicht-preise-so…
[3] https://www.threads.net/@david.schraven/post/C-DUUZls9Yr
[4] https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/alle-meine-freunde-sind-weiss-was-…
## AUTOREN
Bobby Rafiq
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