# taz.de -- Mobilität in Deutschland: Verkehrswende sucht Steuermann | |
> Mehr Klimaschutz im Verkehr: Die Analyse eines Think-Tanks zeigt, wie das | |
> gehen könnte. Die Regierung plant eine neue Kommission. | |
Bild: Die Zukunft: Elektro | |
BERLIN taz | Während die [1][Kohlekommission hinter verschlossenen Türen | |
dümpelt], arbeitet die Bundesregierung an der nächsten Kommission. Diese | |
„Nationale Plattform Zukunft der Mobilität“ soll Handlungsempfehlungen | |
entwickeln, „die dem Klima- und Umweltschutz dienen und zugleich die | |
Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie gewährleisten“, heißt es aus | |
dem Bundesverkehrsministerium. | |
Berichte, die Plattform solle unter Leitung des ehemaligen SAP-Vorstandes | |
Henning Kagermann schon im September ihre Arbeit aufnehmen, bestätigte das | |
Ministerium nicht. Die Personalie liegt nahe, weil Kagermann, ein | |
Vertrauter von Kanzlerin Angela Merkel, schon [2][der „Nationalen Plattform | |
Elektromobilität“ vorsteht], die durch die neue Kommission ersetzt werden | |
soll. | |
Kurzfristig – wohl bis Ende des Jahres – werden von der beschlossenen | |
Plattform konkrete Vorschläge erwartet, wie die Klimaschutzziele der | |
Bundesregierung zu erreichen wären. Sie bedeuten für den Verkehr: 2030 rund | |
40 Prozent weniger Kohlendioxid-Emissionen im Vergleich zu 1990. Das Ziel | |
sei ambitioniert, aber erreichbar, sagt Christian Hochfeld, Direktor des | |
Think-Tanks Agora Verkehrswende. Wichtig seien gut koordinierte Maßnahmen | |
von Bund, Ländern und Kommunen, die die gesamte Bandbreite der Mobilität in | |
den Blick nähmen. | |
Sie reicht von effizienteren Fahrzeugen über eine höhere Lkw-Maut bis hin | |
zu mehr Rad- und Fußverkehr in den Städten. Derzeit ist der Verkehrssektor | |
laut Bundesumweltministerium für etwa 166 Millionen Tonnen CO2-Emissionen | |
verantwortlich. Mit den bisher beschlossenen Maßnahmen werden sie bis 2030 | |
auf 146 Millionen Tonnen sinken – 50 Millionen Tonnen zu wenig, für das | |
Ziel „Minus 40 Prozent“. Nötig seien also zusätzliche Ideen, sagt Wiebke | |
Zimmer, Ressourcenexpertin am Freiburger Öko-Institut. | |
Im Auftrag der Agora Verkehrswende hat das Institut [3][die | |
Klimaschutz-Wirkungen verschiedener Maßnahmen berechnet]. Demnach ließen | |
sich über 25 Millionen Tonnen CO2 mit einer PKW-Maut von 8 Cent pro | |
Kilometer einsparen. Besonders wirkungsvoll sind strenge CO2-Grenzwerte für | |
Autos; die Emissionen müssten zwischen 2021 und 2030 um 75 Prozent sinken. | |
Zu schaffen ist dies laut der Berechnung, wenn die Zahl der Elektroautos | |
auf 10 Millionen ansteigt, bei einem wachsenden Anteil der erneuerbaren | |
Energien am Strommix. | |
## Routine im Verkünden verfehlter Ziele | |
Ob solche Vorschläge politisch umsetzbar sind, ist fraglich. So sind | |
beispielsweise die CO2-Grenzwerte in der Großen Koalition umstritten. | |
Während Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) die Verkehrs-Emissionen | |
zwischen 2021 und 2030 halbieren will und damit über die Forderungen der | |
EU-Kommission hinausgeht, wendet sich Verkehrsminister Andreas Scheuer | |
(CSU) gegen strengere Grenzwerte. | |
Das Ministerium Scheuers, der laut eigenem Bekunden den Begriff der | |
„Verkehrswende“ nicht mag, übernimmt die Federführung in der neuen | |
Plattform zur Zukunft der Mobilität. Sie müsse sich darauf konzentrieren, | |
Lösungen für eine fair gestaltete und auch für einkommensschwächere | |
Haushalte erträgliche Verkehrswende zu formulieren, sagt Hochfeld. Dabei | |
seien schnelle Vorschläge noch in dieser Legislaturperiode entscheidend, um | |
„nicht 2028 festzustellen, dass wir die Klimaziele von 2030 nicht | |
erreichen“. | |
Allerdings hat die große Koalition inzwischen eine gewisse Routine im | |
Verkünden verfehlter Ziele, etwa bei den [4][Klimaschutzzielen für 2020] | |
oder dem Vorhaben von einer Millionen Elektroautos auf deutschen Straßen im | |
selben Jahr – zurzeit sind es knapp 54.000. | |
„Grundsätzlich muss man der neuen Plattform eine Chance geben“, sagt | |
Dietmar Oeliger, Leiter Verkehrspolitik beim Umweltverband Nabu. | |
Schließlich sei neben dem Verkehrs- auch das Umweltministerium mit an Bord. | |
„Es macht aber keinen Sinn, in Berlin in einer Kommission über Maßnahmen | |
zum Klimaschutz im Verkehr zu diskutieren“, so Oeliger, „und in Brüssel | |
setzt sich die Bundesregierung parallel dafür ein, dass strenge Grenzwerte | |
für den CO2-Ausstoß der Fahrzeugflotte verhindert werden.“ | |
30 Aug 2018 | |
## LINKS | |
[1] /Kohleausstieg-in-Deutschland/!5525649 | |
[2] /Automobilkonzerne-riskieren-die-Krise/!5464392 | |
[3] https://www.agora-verkehrswende.de/veroeffentlichungen/klimaschutz-im-verke… | |
[4] /Schwerpunkt-Klimawandel/!t5008262 | |
## AUTOREN | |
Heike Holdinghausen | |
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