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# taz.de -- Misshandelte Flüchtlinge in Burbach: Folter im Flüchtlingsheim
> Tritte, Schläge, Arrest: Wachleute hatten 2014 in Burbach Geflüchtete
> gequält. Nun begann der Prozess gegen 29 Angeklagte in Siegen.
Bild: Die Angeklagten müssen sich wegen Freiheitsberaubung, gefährlicher Kör…
Siegen taz | An das [1][Foltergefängnis Abu Ghraib im Irak erinnerten die
Bilder], die aus der Notaufnahmeeinrichtung im siegerländischen Burbach
2014 um die Welt gingen: Wachmänner pressen den mit Handschellen
gefesselten Geflüchteten Marwan R. auf den Boden. Einer drückt dem damals
29-Jährigen seinen Stiefel in den Nacken, hebt dabei grinsend den Daumen.
„Warum schlagen mir“, fragt auf einem Video der in einem knastähnlichen
sogenannten „Problemzimmer“ festgehaltene Karim M., zur Tatzeit gerade 18
Jahre alt. „Halt die Fresse“, schreien Wachleute zurück. „Leg dich in de…
Kotze und schlaf!“
Wegen Freiheitsberaubung, gefährlicher Körperverletzung und Nötigung müssen
sich deshalb seit Donnerstag [2][29 Angeklagte vor dem Landgericht Siegen
verantworten]. In 54 Einzelfällen drohen den Beschuldigten Haft- und
Geldstrafen. Unter dem Vorsitz von Richterin Elfriede Dreisbach hat die
Strafkammer Termine bis mindestens Mai 2019 angesetzt.
Unter den 26 angeklagten Männern und 3 Frauen sind die Stellvertreterin des
ehemaligen Heimleiters Ricardo S. und diverse Wachleute. Nicht wenige von
ihnen haben selbst einen Migrationshintergrund, sind portugiesische,
bosnische, serbische, marokkanische Staatsangehörige. Vor Gericht stehen
aber auch zwei Mitarbeiter der als Aufsichtsbehörde für ganz NRW
federführenden Bezirksregierung Arnsberg und ein Ex-Polizist aus
Rheinland-Pfalz.
Schon bei kleinsten Verstößen gegen die Hausordnung seien Schutzsuchende in
die faktisch als Arrestzellen dienenden „Problemzimmer“ 121 und 123 der
früheren Siegerlandkaserne gesperrt worden – etwa weil sie in ihren Zimmern
geraucht oder Bier getrunken haben sollen. In der Anklageschrift, für deren
Verlesung Oberstaatsanwalt Christian Kuhlis knapp eineinhalb Stunden
braucht, ist immer wieder von Hieben, Tritten, aber auch Faustschlägen ins
Gesicht und dem Einsatz von Schlagstöcken die Rede.
Verantwortlich dafür waren neben dem Heimleiter und seiner Vertretung
schlecht bezahlte Security-Mitarbeiter, darunter auch Männer, deren
kriminelles Vorleben, Vorstrafen und Drogenkonsum bei der Polizei
aktenkundig waren.
## Viele Opfer können nicht zum Prozess kommen
Die beiden Mitarbeiter der Bezirksregierung sollen die Misshandlungen
gedeckt haben: Ihr Dienstraum mit der Nummer 126 lag schräg gegenüber dem
„Problemzimmer“ 121 – zumindest [3][das Einsperren der Geflüchteten kön…
sie kaum übersehen haben]. Und der rheinland-pfälzische Polizist, in
Burbach als „Repräsentant“ der Sicherheitsfirma seiner Frau vor Ort, soll
sich sogar selbst der Körperverletzung schuldig gemacht haben.
Die Wachleute angeheuert hatte der Unterkunftsbetreiber „European Homecare“
(EHC) aus Essen, zum damaligen Mindestlohn von 7,50 Euro, oft über
Subsubunternehmen – schließlich sollten auch die
Unterbringungseinrichtungen des 2014 rot-grün-regierten NRWs möglichst
wenig kosten. Kurzfristig wackelte der Stuhl des damaligen
SPD-Innenministers Ralf Jäger. Der entzog EHC zwar schnell die Betreuung
der Unterkunft in Burbach.
Doch wirbt die Firma, die 2016 einen Gewinn von 32 Millionen Euro machte,
bis heute mit dem Slogan „Wirtschaftlichkeit und Soziales dürfen sich nicht
ausschließen!“ Allein im Auftrag des Landes NRW bewirtschaftet EHC noch
immer neun Einrichtungen für Geflüchtete.
Viele EHC-Opfer können dagegen nicht zum Prozess nach Siegen kommen. Nur
zwei von ihnen lassen sich als Nebenkläger vertreten. „Mein Mandant hatte
eine Abschiebungsankündigung, ist deshalb nach Frankreich ausgereist“, sagt
etwa der Anwalt von Karim M., Andreas Trode. „Würde er einreisen, käme er
wieder in Abschiebehaft.“
8 Nov 2018
## LINKS
[1] /US-Soldaten-misshandelten-Gefangene/!5275452
[2] /Fluechtlingsheim-in-Burbach/!5549242
[3] /Fluechtlingsheim-Burbach/!5031867
## AUTOREN
Andreas Wyputta
## TAGS
Flüchtlinge
Gewalt
Sicherheitspersonal
European Homecare
Asylpolitik
Missbrauch
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