| # taz.de -- Milliardenloch im Berliner Haushalt: Zu Lasten der Gesundheit | |
| > Berlin muss ab 2025 massiv sparen. Davon betroffene freie Träger im | |
| > Gesundheitsbereich protestieren mit einem Positionspapier. Ein starkes | |
| > Zeichen. | |
| Bild: Auch die Berliner Telefonseelsorge hat das Protestpapier der freien Träg… | |
| Wenn sich rund 40 verschiedene Gesundheitseinrichtungen und Angebote freier | |
| Träger von der Alzheimer Gesellschaft bis zur Telefonseelsorge, von | |
| Diakonie bis Malteser, von Schwulenberatung bis Wildwasser, für ein | |
| Positionspapier zusammentun, muss es richtig dringend sein. Es geht, wie so | |
| oft, ums Geld. Ist doch jede Senatsverwaltung vom schwarz-roten Senat dazu | |
| aufgefordert, ab dem Jahr 2025 ganze 10 Prozent ihres Budgets einzusparen. | |
| Klar ist: Damit drohen Kürzungen in kulturellen, sozialen und eben auch | |
| gesundheitlichen Belangen. | |
| [1][Rund 40 Milliarden Euro Ausgaben] umfasst der Landeshaushalt für 2025, | |
| den das Abgeordnetenhaus zusammen mit dem aktuellen Haushalt bereits im | |
| vergangenen Dezember beschlossen hat. Drei Milliarden davon sind auf der | |
| Einnahmeseite nicht gedeckt. Das ist kein Pappenstiel. „Wir befinden uns in | |
| der schwersten Haushaltskrise seit dem Bankenskandal“, hat Werner Graf, | |
| Fraktionschef der Grünen im Abgeordnetenhaus, jüngst eben dort gesagt. | |
| „Ein gesundes Berlin braucht starke zivilgesellschaftliche Strukturen“ ist | |
| das Positionspapier der Gesundheitseinrichtungen, die im Bereich der | |
| „Chronischen Erkrankungen und besonderen gesundheitlichen Bedarfslagen“ | |
| agieren, überschrieben. Es handelt sich um Vereine und Organisationen, die | |
| im Auftrag des Landes (überlebens)wichtige Aufgaben übernehmen, zum | |
| Beispiel in den Bereichen psychosoziale Gesundheit, Seelsorgearbeit, | |
| chronisch somatische Erkrankungen, gesundheitliche Folgen von Gewalt sowie | |
| Versorgung von nicht krankenversicherten Menschen. | |
| Dafür werden diese freien Träger – und viele weitere in anderen | |
| Gesundheitsbereichen wie Drogen und Sucht, Altenhilfe, Pflege und | |
| hospizliche Strukturen sowie HIV/AIDS – vom Senat bestellt und bezahlt. Das | |
| erfolgt im Rahmen des Integrierten Gesundheits- und Pflegeprogramms (IGPP) | |
| des Senats. Mit dem Positionspapier werden „eine verlässliche Finanzierung“ | |
| und der Abschluss eines neuen IGPP-Rahmenfördervertrages 2026 bis 2030 | |
| gefordert, die diese „unverzichtbaren Angebote“ absichern. | |
| ## Bisher klappte die Finanzierung fast reibungslos | |
| Die Protestnote wird unter anderem von der [2][MUT-Traumahilfe für Männer*] | |
| getragen, die taz hat das Projekt im Rahmen des [3][Monats der | |
| Männergesundheit in diesem November] vorgestellt. Das Angebot gibt es seit | |
| 2017, es richtet sich an Männer*, die sexualisierte Gewalt, Missbrauch oder | |
| Vergewaltigung erfahren haben. Die derzeitige Finanzierung reicht für 1,5 | |
| Stellen und damit für zwei Teilzeitmitarbeiter. Bisher klappte die | |
| Finanzierung so gut wie reibungslos. | |
| Jedes Jahr erreicht die Beratungsstelle laut eigenen Angaben über 90 direkt | |
| betroffene Menschen von sexualisierter Gewalt in über 900 | |
| Beratungsgesprächen. Hinzu kommen Beratungen mit Partner*innen, | |
| Angehörigen, Fachkräften, Betreuer*innen und auch Schulungen für Teams. | |
| „Das Projekt fordert schon lange mehr Stellen“, sagt Lukas Weber vom Verein | |
| Hilfe für Jungs der taz. Ein dritter Mitarbeiter wäre mit Beratungsterminen | |
| schnell ausgelastet. | |
| So, wie es derzeit aussieht, wird es dazu auch in nächster Zeit nicht | |
| kommen. Da ist erstens das Milliardendefizit des Landeshaushalts. Und | |
| zweitens der Umstand, dass der Senat darüber nachdenkt, ob innerhalb des | |
| IGPP gekürzt werden soll und zusätzlich die Dauer von fünf Jahren fester | |
| Finanzzusage festgeschrieben wird – oder aufs jährliche System umgestellt | |
| wird. | |
| ## Die Sorgen sind groß | |
| Das treibt die betroffenen rund 40 freien Träger um. Die Aussicht, sich wie | |
| zahlreiche Vereine und Projekte – auch im kulturellen oder sozialen Bereich | |
| – mit den Zusagen für eine weitere Förderung von Jahr zu Jahr zu hangeln, | |
| ist alles andere als rosig. Bislang war im IGPP die Finanzierung der freien | |
| Träger sicherer, da die Gelder im Haushalt für fünf Jahre festgeschrieben | |
| wurden. | |
| Unmut macht sich breit angesichts der Überlegungen des Senats und drohender | |
| Kürzungen. Die Angst geht um, zumal sich das Prozedere zieht und zieht. Die | |
| Sorgen sind groß. Was müsste im nächsten Jahr nicht alles wegfallen, wenn | |
| 10 Prozent der Budgets fehlen? | |
| In dem Positionspapier fordern die Vereine und Projekte deshalb zu Recht | |
| „die Sicherstellung des Menschenrechts auf körperliche und geistige | |
| Gesundheit für alle Berliner*innen durch verlässliche | |
| Gesundheitsangebote, abgesichert durch den Abschluss eines neuen | |
| Rahmenfördervertrages ab 2026“ – der dann eben wieder für fünf Jahre | |
| verbindlich ist. | |
| Andernfalls drohen Einschnitte, auch tiefe. Durch die Kürzungen werden | |
| anteilige Sach- und Personalmittel, Beratungsstunden und Leistungen, im | |
| schlimmsten Fall ganze Angebote wegfallen. Das gilt es mit aller Macht zu | |
| verhindern. | |
| 8 Nov 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Andreas Hergeth | |
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