| # taz.de -- Protest gegen Kürzungen in Berlin: Arm ist Berlin erst ohne Kultur | |
| > Berliner Kulturschaffende protestieren gegen die geplanten Sparmaßnahmen. | |
| > CDU-Kultursenator Joe Chialo muss sich Buhrufe gefallen lassen. | |
| Bild: Ohne Geld sieht man auch Lars Eidinger nicht mehr | |
| Berlin taz | Gitarrenakkorde, softer Beat, Männergesang, eingängiger | |
| Refrain: „Egal wo du herkommst, egal was du gelernt hast: Kultur ist der | |
| Klebstoff unserer Gesellschaft.“ Die Masse vor dem Brandenburger Tor steigt | |
| zaghaft mit ein: „Egal ob du ’ne Mille oder kein Geld hast: Kultur ist der | |
| Klebstoff unserer Gesellschaft.“ Dieser Protestsong läutete am | |
| Mittwochvormittag ein dreistündiges Protestprogramm der Berliner | |
| Kulturschaffenden ein, bei dem sie sich die geplanten Sparmaßnahmen des | |
| Berliner Senats wehrten. | |
| 1.200 Menschen sind der Polizei zufolge dem Aufruf des Aktionsbündnisses | |
| #BerlinIstKultur gefolgt – und sie protestierten so, wie es den | |
| Kulturschaffenden gebührt: mit Chören, Tanz, Performance, Lyrik, | |
| Instrumenten, Theater, Chor – und kampfbereiten Reden. | |
| Denn die [1][Lage für den Berliner Kulturbetrieb] könnte bald noch prekärer | |
| werden als in sie es in den Vorjahren ohnehin schon war. Schuld daran ist | |
| die derzeitige [2][Haushaltsmisere] im Berliner Senat, genauer gesagt ein | |
| drei Milliarden Euro großes Haushaltsloch. Bisher ist es noch nicht | |
| gestopft, obwohl bereits für Ende September eine Lösung angekündigt war. | |
| Im Raum steht darum, in allen Bereichen zehn Prozent der Ausgaben | |
| einzusparen. Für die Berliner Kultur, deren Anteil am Gesamthaushalt | |
| lediglich 2,5 Prozent beträgt, ein Schreckensszenario. Dem Vernehmen nach | |
| ist eine endgültige finanzpolitische Entscheidung Anfang Dezember zu | |
| erwarten. | |
| ## Planungssicherheit für die Kultur | |
| Zwar sei „jedes Prozent Einsparung“ dramatisch, zumal diverse Kosten für | |
| Heizen oder Personal gestiegen seien. „Doch das eigentlich Dramatische ist | |
| die Kurzfristigkeit der Entscheidung“, sagte die Schauspielerin Hannah | |
| Walther der taz. Walther ist Mitglied in der Bühnengenossenschaft DGBA und | |
| hat den kreativen Protest federführend organisiert. „Der Kulturbereich | |
| braucht endlich Planungssicherheit“, sagte sie. | |
| Auch Janina Benduski, Vorstandsmitglied der Berliner Kulturkonferenz, | |
| vermisste bisher den Dialog zwischen politischen Akteur:innen und den | |
| Kulturinstitutionen. Derzeit herrsche die Sorge, dass die Kürzungsmaßnahmen | |
| die Branche rasenmäherartig treffen, so Benduski. Formulierungen der | |
| Politik, sie versuche „Insolvenzen zu vermeiden“, hätten große | |
| Verunsicherung ausgelöst – besonders bei den kleinen Häusern. | |
| Trotzdem sagte Janina Benduski: „Da ist die Sehnsucht, dass sich die | |
| Politik als Fürsprecherin der Kultur verhält.“ Und tatsächlich ist | |
| CDU-Kultursenator Joe Chialo zum Protest gekommen, um angesichts dieser | |
| „historischen Herausforderung“ seine „Solidarität“ auszudrücken, wie … | |
| sagte. | |
| Er nannte die Kulturschaffenden „liebe Freunde“, er sei froh, dass sie da | |
| seien – eine Stimme aus der Masse quittierte Chialos Schmeicheleien mit | |
| einem genervten „bla bla bla“. Gleichzeitig könne er aber aktuell keine | |
| Antworten geben, weil die Verhandlungen noch liefen, sagt der | |
| Kultursenator. Er sei aber zuversichtlich, dass man „gemeinsam eine | |
| Zukunftsperspektive“ schaffen könne. Den vereinzelten Buhrufen entgegnete | |
| er trocken: „Man kämpft nicht, indem man hereinblökt.“ | |
| Doch bei den Betroffenen herrscht angesichts der existenzgefährdenden Lage | |
| Wut und Frust. Ihnen fehlt die Wertschätzung für den Berliner | |
| Kulturbereich, in dem immerhin jede zwölfte Arbeitnehmer:in in Berlin | |
| tätig ist. „Land ohne Kultur? Land unter“ hieß es auf einem Plakat. Immer | |
| wieder betonten Redner:innen am Mittwoch: Die Berliner Kultur sei Magnet | |
| für internationale Gäste, das „Herz der Stadt“, ein „Schutzraum“. | |
| ## Lars Eidinger als Solo-Hamlet | |
| Organisatorin Hannah Walther ist von der breiten Solidarität und den | |
| kreativen Protestformen vor dem Brandenburger Tor überwältigt. Sie hätten | |
| so viel Anmeldungen für das Bühnenprogramm erhalten, dass sie die | |
| Demonstration an den Platz des 18. März hinter dem Brandenburger Tor | |
| verlegen mussten. | |
| Unterstützung kam auch von prominenten Kulturschaffenden: Katharina | |
| Thalbach und Constanze Becker sprachen auf der Bühne; Lars Eidinger führte | |
| im Anzug mit grüner, also vor dem Greenscreen unsichtbarer Maske eine | |
| Solodarbietung von Hamlet auf, um zu zeigen „wie es ist, wenn der | |
| Schauspieler nicht mehr da ist.“ | |
| Für Janina Benduski bleibt die Hoffnung, dass mit dem Protestprogramm am | |
| Mittwoch, noch stärker sichtbar wird, dass in der Kultur „sehr wenig Geld | |
| für echt tolle Dinge ausgegeben wird“. Trotzdem gehe sie davon aus, dass | |
| der Widerstand gegen die Kürzungen in die nächste Runde gehen wird: „Wir | |
| werden weitermachen werden müssen.“ Ein [3][Solidaritätskonzert] für den | |
| 19. November im Haus der Berliner Festspiele ist schon geplant. | |
| 13 Nov 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Katharina Wulff | |
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