# taz.de -- Haushaltsmisere in Berlin: Wer jetzt kein Geld hat, druckt sich kei… | |
> Berlin ist samt seiner Regierung in den Herbstferien. Wann endlich | |
> Klarheit über die 3-Milliarden-Einsparungen im Haushalt herrscht, ist | |
> völlig offen. | |
Bild: Da mag das Herbstlaub noch so idyllisch leuchten: Im Landeshaushalt sieht… | |
Berlin taz | Die Bildungssenatorin, die es ja mit den Ferien am besten | |
wissen muss, zumal als langjährige Lehrerin, hat es Journalisten in schon | |
vorige Woche angekündigt: Der Senat werde in dieser Woche nicht tagen, | |
weshalb es auch keine Pressekonferenz gebe, war von Katharina | |
Günther-Wünsch (CDU) zu hören. Und was der Senat denn stattdessen mache? | |
„Arbeiten natürlich“. | |
Das war in sich etwas widersprüchlich, denn dann könnte der Senat ja auch | |
zu seiner wöchentlichen Sitzung zusammen kommen und nachher in einer | |
Pressekonferenz davon berichten. Doch es sind Herbstferien, und das scheint | |
sich nicht nur in noch größeren Touristengruppen am Checkpoint Charlie oder | |
in Berlins Museen bemerkbar zu machen, sondern eben auch in der | |
Landespolitik. Da tagt dann der Senat nur alle zwei Wochen. | |
Für die Grünen geht das gar nicht. „Wir befinden uns in der schwersten | |
Haushaltskrise seit dem Bankenskandal, da ist keine Zeit für Herbstferien | |
im Senat“, ärgert sich da beispielsweise Werner Graf, ihr Fraktionschef im | |
Abgeordnetenhaus. Der erste Teil seiner Feststellung ist Fakt – höchstens | |
die Einschränkung „seit dem Bankenskandal“ ist zu hinterfragen. Denn damals | |
ging es vorwiegend um Risikoabschirmung. Gekürzt wurde damals weit weniger | |
als nun ansteht. | |
Die taz hat es [1][mehrfach beschrieben], aber es ist derart viel | |
einzusparen oder anderweitig an Geld heranzuholen, dass eine Wiederholung | |
lohnt: Rund 40 Milliarden Euro Ausgaben umfasst der Landeshaushalt für | |
2025, den das Abgeordnetenhaus zusammen mit dem aktuellen Haushalt bereits | |
im vergangenen Dezember beschlossen hat, drei Milliarden davon sind auf der | |
Einnahmeseite nicht gedeckt. | |
## Hohe zusätzliche Einnahmen sind nicht in Sicht | |
Das ist rein rechnerisch etwa jeder dreizehnte Euro – doch die Lage ist | |
schlimmer. Bei über einem Drittel des Haushalts lässt sich nämlich nichts | |
kürzen, weil das Geld fest und kurzfristig nicht änderbar für | |
Gehaltszahlungen oder Mieten gebunden ist. Was bedeutet: Die drei | |
Milliarden sind [2][in dem einzusparen, was danach übrig bleibt]. | |
Eine Alternative sind mehr Einnahmen über höhere Steuern wie etwa die City | |
Tax für Touristen. Insgesamt kommen dabei aber nach bisherigen Überlegungen | |
nicht mehr als 150 Millionen Euro zusammen – also nur 5 Prozent der | |
besagten 3 Milliarden. Ein dritter, rechtlich teils noch umstrittener Weg | |
sind [3][Kredite, die mit einer Ausnahmebegründung die Schuldenbremse | |
umgehen]. | |
Warum Politiker ohnehin oft davor zurückschrecken, Steuern oder Abgaben zu | |
erhöhen, ist am Dienstag wieder klar geworden: SPD-Landeschef Martin Hikel | |
hatte sich als erster führender Kopf in der schwarz-roten Koalition | |
getraut, beim [4][Anwohnerparken – mit 10,20 Euro jährlich im | |
Städtevergleich fast umsonst] – eine konkrete Erhöhung zu benennen und von | |
„50 oder 100 Euro“ gesprochen. Prompt lautete die Überschrift der | |
Bild-Zeitung: „SPD-Chefs wollen Autofahrer abkassieren.“ Das liest keine | |
Partei gern, die ein soziales Profil pflegt. Angeblich denkt die Koalition | |
auch an 300 Euro pro Jahr. | |
Berlin jeden Tag ein bisschen besser zu machen, hatte sich Kai Wegner (CDU) | |
vorgenommen, als er Ende April 2023 Regierender Bürgermeister wurde. Die | |
wacklige Berliner Finanzlage, auf die nicht lange vorher noch [5][der dann | |
ausgeschiedene Finanzsenator Daniel Wesener hingewiesen hatte], muss er da | |
ausgeblendet haben. | |
## Es könnte Dezember werden | |
Vielleicht schwebte dem neuen Regierungschef eine Durchschlagskraft vor, | |
wie sie viele Herbst-Touristen [6][gerade in der Claude-Monet-Ausstellung | |
in der Alten Nationalgalerie] erleben können. Da ist unter anderem der Plan | |
zu sehen, nach dem Berlins Partnerstadt Paris ab Mitte des 19. Jahrhundert | |
radikal umgebaut wurde. Was allerdings mutmaßlich auch nur deshalb möglich | |
war, weil Frankreich damals noch Monarchie war und Kaiser Napoleon III. bis | |
1870 so etwas einfach mal anordnen konnte. | |
Was aber nicht heißen muss, dass es ohne solche Macht in Berlin mit den | |
Milliarden-Sparberatungen nicht vorangehen könnte. Weniger Geld als gedacht | |
zu haben und nicht durchregieren zu können, verhindert ja nicht, das Wenige | |
irgendwie zu ordnen. Was aber nicht wie angekündigt passiert. Bis Ende | |
September wollte die schwarz-rote Koalition eigentlich ihre Karten auf den | |
Tisch gelegt und geklärt haben, wer wo wie viel einzusparen hat. | |
Im Hauptausschuss hieß es dann vor 14 Tagen wahlweise „in einem Monat“ – | |
das wäre spätestens der 9. November – oder ganz allgemein „im November“. | |
Inzwischen aber munkelt mancher auch schon von Dezember. Zumal | |
Regierungschef Kai Wegner Mitte November knapp eine Woche mit einer | |
Wirtschaftsdelegation in den USA weilen wird. | |
Dieses Verzögern hat nicht nur zur Folge, dass alle, die wegen des vom | |
Parlament beschlossenen Haushalts für 2025 fest mit Geld gerechnet haben, | |
[7][um ihre Existenz fürchten und schnellstmöglich Klarheit wünschen]. Es | |
hat zudem, so berichten Betroffene, praktische Auswirkungen auch bei denen, | |
bei denen am Ende gar nicht gekürzt wird: Die am [8][1. Oktober bekannt | |
gewordene vorläufige Sperre] sämtlicher Geldzusagen für 2025 macht es allen | |
Wohlfahrtsverbänden, Vereinen und sonstigen Organisationen unmöglich, ihren | |
Beschäftigten ihren Job fest über den 31. Dezember hinaus zuzusagen. Der | |
Paritätische Wohlfahrtsverband und andere etwa befürchten, dass Mitarbeiter | |
sich deshalb weg bewerben und wichtige Strukturen einbrechen. | |
## Giffey Gesangsfoto als Ersatznachricht | |
Mehr Klarheit wird es also auch in den Herbstferien kaum geben. Diese | |
Nachrichtenlücke muss ich füllen, könnte sich Wirtschaftssenatorin und | |
Vize-Regierungschefin Franziska Giffey (SPD) gedacht haben. Denn die | |
[9][hat via Instagram ein Foto] [10][veröffentlicht], wie es bislang von | |
ihr nicht bekannt war: als Country-Sängerin mit Cowboy-Hut und offenem Haar | |
statt der sonstigen Hochsteck-Frisur. Das Bild soll aus dem Jahr 2011 | |
stammen, den John-Denver-Klassiker „Country Roads“ will sie dabei gesungen | |
haben. | |
Das ist also die Lage in den Herbstferien: Eine Landesregierung, die das | |
größte Spar-oder-sonstwie-Geldbeschaffungsprogramm jüngerer Zeiten vor sich | |
herschiebt. Dazu eine grüne Oppositionsführung, die sich redlich müht, aber | |
im Kopf längst bei der – wenn es dazu kommt – Wahl ihres Kanzlerkandidaten | |
Robert Habeck Mitte November sein dürfte. Ganz zu schweigen von der | |
Linkspartei. Der kommen gerade Leute abhanden, [11][die gerade noch ihre | |
Aushängeschilder gewesen sind]. Nach einem langjährigen Fraktionschef und | |
einem Ex-Bezirksbürgermeister [12][erklärten am Mittwoch unter anderem drei | |
frühere Senatsmitglieder ihren Austritt], darunter Klaus Lederer, 2023 noch | |
Spitzenkandidat. | |
Das macht nicht wirklich Hoffnung für das, was nach den Herbstferien kommt. | |
Und das, obwohl Sonne, Temperatur und idyllische Laubfärbung gerade alles | |
für eine Gemütsaufhellung tun. Wie soll das erst werden, wenn Berlin in dem | |
sonst ab dieser Zeit üblichen Schmuddelgrau versinkt? | |
Bei all dem könnte es sein, dass dem einen oder anderen urlaubenden | |
Senatsmitglied in diesen Ferientagen eine Zeile aus jenem Lied einfällt, | |
das Kollegin Giffey 2011 im Country-Outfit gesungen haben will: „Drivin' | |
down the road, I get a feelin′ that I should have been home yesterday, | |
yesterday“. | |
23 Oct 2024 | |
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## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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