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# taz.de -- Berlins Haushaltsmisere: Rettung auch auf Pump
> Sparen und Kürzen allein wird nicht reichen, um den Landeshaushalt
> auszugleichen. Gleich auf zwei Wegen sollen auch Kredite weiterhelfen.
Bild: Das reicht vielleicht für den Einkauf, aber nicht dafür, den Berliner L…
Berlin taz | Positiv betrachtet, lassen sich in Berlins Landespolitik
gerade interessante Momente erleben. Da gibt es Hintergrundgespräche, die
überraschend konkret sind – leider eben nur für den Hintergrund und nicht
zum Zitieren. Da ist dieser demonstrative Zweckoptimismus in der
schwarz-roten Koalition, der Angela Merkels früherem „Wir schaffen das“
nicht nachsteht.
Negativ gesehen aber ist weiterhin offen und fragen sich viele in Berlin,
ob jene 3 Milliarden Euro, die im Haushalt für 2025 fehlen, auch bei ihnen
eingespart werden. Schon länger, aber nun verstärkt, ist bis in die CDU
hinein von Krediten zu hören, die unter Umgehung der Schuldenbremse
weiterhelfen sollen.
Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses, Mittwoch 12.30 Uhr. Die Debatte über
die Finanzmisere läuft, Linkspartei und Grüne kritisieren zum wiederholten
Mal Hinterzimmerpolitik bei der schwarz-roten Koalition, verlangen Klarheit
darüber, wo jene einzusparenden Milliarden herkommen sollen, von denen seit
Monaten die Rede ist.
Der Ausschuss tagt im Plenarsaal, wo sonst 159 Abgeordnete sitzen, aber
jetzt eine ganz andere Atmosphäre herrscht, als wenn das ganze Parlament
zusammenkommt. Was schon an führenden Köpfen von CDU und SPD abzulesen ist.
Heiko Melzer und Torsten Schneider, bei Plenarsitzungen als
Parlamentarische Geschäftsführer sonst fast ausnahmslos in Anzug und
Krawatte zu sehen, sitzen in Pulli und T-Shirt in den ersten Reihen der
Koalitionsfraktionen. Die klare Botschaft: Hier ist der Maschinenraum des
Parlaments, hier wird richtig gearbeitet.
## „Strukturelles Defizit“
Wobei das mit Blick auf die besagten Milliarden eben hier nicht passiert,
sondern andernorts, wo allein die Koalitionäre zusammensitzen. Erst im
November sollen die schwarz-roten Überlegungen dazu ins Parlament kommen.
Dabei hatte Finanzsenator Stefan Evers (CDU) [1][schon zu Jahresbeginn
deutlich ausgemalt], wie ernst die Lage ist.
Dass überhaupt 3 Milliarden fehlen, hat seinen Grund nicht darin, dass 2025
ein Großprojekt anstünde, das viel Geld verschlingt, aber eben nur einmal.
Stattdessen, so hat es Evers in ebenjenem Plenarsaal und an anderer Stelle
oft genug erklärt, geht es um dauerhafte Ausgaben. „Strukturelles Defizit“
ist der Fachbegriff dafür – was zu wissen aber auch nicht weiterhilft.
Um eine solche Lücke zu schließen, gibt es drei Möglichkeiten: kürzen, mehr
einnehmen und Schulden machen. In dieser Woche ist immerhin klar geworden,
dass nicht bloß die Linksfraktion auf höhere Steuern drängt, sondern auch
die Koalition darüber nachdenkt. Wobei die Möglichkeiten eines Landes
begrenzt sind – Grunderwerbsteuer und Übernachtungssteuer gehören dazu.
Klarer wird in diesen Tagen gleichfalls, welche Rolle neue Kredite spielen
sollen, die es eigentlich wegen der in der Verfassung verankerten
Schuldenbremse nicht mehr geben darf. Berlin hatte bereits im Frühjahr
l[2][aut Statistischem Bundesamt] 67 Milliarden Euro Schulden – über
anderthalb Mal so viel wie der Landeshaushalt für dieses Jahr.
## Wege um die Schuldenbremse herum
Auf zwei Wegen soll es möglich sein, die Schuldenbremse zu umgehen: einmal
über sogenannte Transaktionskredite, einmal über Notlagekredite. Es scheint
sich dabei abzuzeichnen, dass es längst nicht mehr um das Ob, sondern nur
noch um das Wieviel an Kreditaufnahme geht. Längst soll jeweils 1 Milliarde
eingepreist sein – sonst sei man beim Defizit „nicht bei 3, sondern bei 5
Milliarden“. Auch bei den oppositionellen Grünen sieht man das so: „Ich
halte es für wahrscheinlich, dass Schwarz-Rot auf beides zurückgreift“,
sagt ihr haushaltspolitischer Sprecher André Schulze am Donnerstag der taz.
Transaktionskredite lassen sich dabei als Kredite betrachten, die dazu
dienen, das Kapital landeseigener Unternehmen aufzustocken. Die haben
dadurch das Geld für notwendige Investitionen, bei der BVG beispielsweise
für neue Züge oder Busse. Offiziell belasten diese Kredite den Haushalt
nicht direkt. Den Schuldenberg erhöhen aber auch sie.
Mit Notlagenkrediten wiederum, so haben es schon im Sommer führende
SPD-Politiker angeregt, sollten sich die Kosten für die
Flüchtlingsunterbringung besser tragen lassen. Dazu müsste das Land eine
Notlage ausrufen. Als Voraussetzung dafür [3][nennt das Grundgesetz in
Artikel 115] allerdings „Naturkatastrophen oder außergewöhnliche
Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die
staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen“. Im Kern geht es darum, ob
eine jetzige Krisenlage absehbar war – um diese Frage ging es auch beim
gerichtlich gescheiterten Sondervermögen für Klimaschutz.
Für den Landesvorsitzenden des Bundes der Steuerzahler, Alexander Kraus,
[4][ist das alles nicht gegeben]: „Sosehr sich die Politik auch bemüht,
Begründungen für neue Schulden zu finden, gehe ich nicht davon aus, dass
die grundgesetzlichen Voraussetzungen für eine Notlagenverschuldung zur
Finanzierung der Flüchtlingskosten vorliegen“, reagierte er schon im Sommer
auf ebensolche Überlegungen [5][von SPD-Fraktionschef Raed Saleh], „die
auslösenden Krisenereignisse liegen nun schon so weit in der Vergangenheit,
dass sich die Politik hätte längst auf die Folgen einstellen müssen.“
Grünen-Haushaltsexperte Schulze schätzt das anders ein.
## Schweigen in der Öffentlichkeit
Auch in der Senatsverwaltung für Finanzen sind Kreditüberlegungen durchaus
nicht vom Tisch. Offiziell halten sich entscheidende Leute währenddessen an
das vereinbarte Stillhalten gegenüber der Öffentlichkeit, bis wahlweise
„schnellstmöglich“ oder „im November“ Konkretes vorliegen soll.
„Wir sind im Zeitplan, wir kriegen das gut hin“ (CDU-Mann Melzer gegenüber
der taz) oder „Wir drehen jeden Stein um“ (Finanzstaatssekretärin Tanja
Mildenberger im Hauptausschuss) sind typisch für den gegenwärtigen
Mitteilungsstand.
Ein breites Dementi zu Krediten gibt es dabei nicht. Genauso wenig gibt es
eine klare Risikobewertung bei der Frage, ob mögliche Notfallkredite nicht
genauso wie frühere Planungen nachträglich am Verfassungsgericht scheitern.
Aus üblicherweise gut informierter Quelle klang in dieser Woche immerhin so
etwas wie Hoffnung: „Das sieht so aus, dass das geht.“
10 Oct 2024
## LINKS
[1] /SPD-Fraktionsklausur-in-Leipzig/!5988227
[2] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2024/06/PD24_233_713.h…
[3] https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_115.html
[4] https://www.steuerzahler.de/aktuelles/detail/vorsicht-vor-weiteren-notlagen…
[5] https://www.morgenpost.de/berlin/article406761589/raed-saleh-alles-wird-auf…
## AUTOREN
Stefan Alberti
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