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# taz.de -- Mietendeckel-Entscheidung in Berlin: Eine Ahnung von düsteren Zeit…
> Die Entscheidung des Verfassunggerichts erinnert an 2006: Damals
> verweigerte Karlsruhe Berlin Finanzhilfen – und stürzte das Land in eine
> tiefe Krise.
Bild: Wieder mal ruht die Hoffnung auf dem Bund – ob es diesmal nicht vergebe…
Die Unterstützer*innen des Mietendeckels hatten viel spekuliert, wie
die mit Sehnsucht und Bangen erwartete Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts über dieses bisher beispiellose Gesetz ausfallen
würde. Karlsruhe könnte, so ein häufiger Gedanke, die Festschreibung der
Mieten für fünf Jahre akzeptieren, aber die Obergrenzen und die daraus
folgende mögliche Absenkung zu hoher Mieten kippen. Ein Kompromiss also,
den alle als Sieg hätten verbuchen können: Regierung, Opposition,
Mieter*innen, Vermieter*innen. Es kam ganz anders.
Am Donnerstag erklärte das Gericht, [1][nur der Bund habe die Kompetenz,
ein solches Gesetz zu erlassen]. Damit ist es nichtig. Der Mietendeckel ist
nach nur 14 Monaten zerbrochen. Die ersten Nachforderungen an die
Mieter*innen dürften [2][in Kürze in deren Briefkästen landen].
Karlsruhe sagte nichts zum Inhalt des Gesetzes: Ob, wie nun vielfach
gefordert, der Bund einen Mietendeckel umsetzen könnte, bleibt offen. Die
Entscheidung fiel indes einstimmig: Eine derbe Klatsche für jene Juristen
der rot-rot-grünen Koalition, die dem Land die Gesetzgebungskompetenz
zugesprochen hatten.
In seiner brüsken Art erinnert die Entscheidung an eine andere aus
Karlsruhe. 2006 lehnte das Gericht Berlins Klage auf Finanzhilfen ab; das
mit vielen Milliarden Euro verschuldete und einkommensschwache Land sei in
keiner Haushaltnotlage, für die der Bund in die Bresche springen müsse.
Berlin könne noch reichlich sparen, so die Begründung, etwa in der
Verwaltung, bei Unis oder Kultur. Und das Land besitze viele landeseigene
Wohnungen, die es verkaufen könne.
## Da schließt sich der Kreis
Bei der Entscheidung von Donnerstag schließt sich der Kreis. Der
Mietendeckel, vorerst letztes Mittel nach einer ganzen Reihe
wohnungspolitischer Maßnahmen, ist auch deshalb notwendig geworden, weil
das Land zu viele eigene Wohnungen verkauft hat – zu Preisen, über die die
heutigen Großeigentümer noch immer herzlich lachen. Die Einkommen wiederum
sind in Berlin auch deswegen so niedrig, weil sich die Stadt lange Jahre
kaputtsparen musste.
Nach der Entscheidung 2006 stand die Stadt unter Schock, übrigens nicht nur
Rot-Rot, sondern auch die Opposition. Die Gefühlslage seit Donnerstag ist
ähnlich. Auch CDU und FDP dürfte das arrogante Feixen noch vergehen: Denn
es sind auch ihre Wähler*innen, die jetzt weniger Geld zur freien Verfügung
haben.
Im Oktober 2006 reagierte der damalige SPD-Finanzsenator Thilo Sarrazin mit
den Worten: „Uns hilft keiner mehr, wir müssen uns selber helfen.“
Wie eine solche Selbsthilfe nach der Mietendeckelpleite aussehen soll, ist
unklar. Die Verdrängungsprozesse verlaufen schneller, als die Politik
wieder Wohnungen kaufen kann, um dämpfend auf die Mieten einzuwirken. Zudem
dürfte das Geld knapper werden wegen der Aufwendungen für die Folgen der
Coronapandemie. Für eine Rettung ist Berlin auf die Hilfe des Bundes und
einer andersfarbigen Bundesregierung angewiesen, die es Berlin explizit
erlauben würde, einen neuen Mietendeckel aufzulegen. Ob und wann das
passiert? Wer weiß. Die nächsten Jahre könnten düster werden.
Die Rettung aus der Krise nach der Karlsruher Entscheidung 2006 waren
übrigens Tourist*innen und Investor*innen, die infolge der globalen
Finanzkrise in Massen in die Stadt gespült wurden. Denn, so die Begründung,
hier „lebt es sich ja noch so billig“. In der Folge stiegen vor allem die
Immobilienpreise. Das Ergebnis sehen wir heute.
17 Apr 2021
## LINKS
[1] /Verfassungsgericht-kippt-Mietendeckel/!5766645
[2] /Fragen-zum-Mietendeckel/!5760653
## AUTOREN
Bert Schulz
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