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# taz.de -- Maßnahme gegen Rechtsabbiegeunfälle: Blinklicht wird zum Prüffall
> Garbsen hat auf eigene Faust ein Pilotprojekt angeschoben, um den Verkehr
> für Radfahrer*innen sicherer zu machen. Verstößt es gegen Gesetze?
Bild: Gefährliche Ablenkung oder Gefahrenvermeider? Der Bike-Flash
Hannover taz | Als Elsa Otto auf ihrem schwarzen Damenrad an die T-Kreuzung
heranrollt, leuchten an einem Mast zu ihrer Linken LED-Lichter auf. Sie
blinken für abbiegende Fahrzeuge abwechselnd gelb auf. Für Fahrradfahrer
leuchtet eine Tafel mit weißem Licht: „Toter Winkel“ steht darauf. Der
sogenannte Bike-Flash in Garbsen soll die Verkehrsteilnehmer*innen auf die
Gefahr durch Rechtsabbieger*innen aufmerksam machen – und tödliche Unfälle
verhindern.
Die Kreuzung liegt an der Zufahrt zum Sortierzentrum von Amazon. Weil von
hier aus Tausende Pakete weiter verteilt werden, gibt es viel LKW-Verkehr.
Und wenn die Sattelschlepper rechts abbiegen, könnte es passieren, dass sie
Radfahrer*innen übersehen.
Die Stadt Garbsen geht davon aus, dass an der Stelle täglich rund 200
Radfahrer*innen vorbeikommen. Die bundesweit erste Bike-Flash-Anlage steht
dort seit vergangenem November und ist [1][ein Pilotprojekt]. Der
Bürgermeister von Garbsen, Christian Grahl (CDU), geht davon aus, dass mit
der Anlage die Sicherheit „in beträchtlicher Weise“ erhöht werden könne.
34.000 Euro haben sich Garbsen und die Region Hannover die Blinklichter
kosten lassen. Doch das niedersächsische Verkehrsministerium prüft, ob der
Mast wieder abgebaut werden muss. Er könnte gegen die
Straßenverkehrsordnung verstoßen.
## Ministerium befürchtet Scheinsicherheit
„Die Prüfung ist noch nicht abgeschlossen“, sagt Ministeriumssprecher
Christoph Ricking. „Grundsätzlich gilt, dass solche Anlagen für alle
Verkehrsteilnehmer verständlich sein müssen und keine Scheinsicherheit
hervorrufen dürfen.“ Übersetzt heißt das, Radfahrer*innen könnten glauben,
dass sie ungefährdet die Straße überqueren können, weil die
LKW-Fahrer*innen sie wegen der Lichter ja gesehen haben müssten.
Die 78-Jährige Elsa Otto meint auch, dass Radfahrer*innen selbst auf den
Verkehr achten müssten. „Sie dürfen nicht einfach so durchsausen.“ Das
Blinklicht aber hält sie für sinnvoll. „Man ist dann achtsamer“, sagt sie.
„Und es sensibilisiert auch die LKW-Fahrer.“
Kurz darauf biegt Christiane Wieczorek mit ihrem langen Gelenkbus in die
Straße ein. An der Haltestelle direkt vor dem Gelände von Amazon steigen
die Mitarbeiter*innen aus dem Bus. Für Christiane Wieczorek gehört es im
Stadtverkehr dazu, dass sie immerzu auf Radfahrer*innen achtet. In den 26
Jahren als Busfahrerin sei sie noch nie in eine brenzlige Situation mit
Radfahrer*innen geraten. „Toi, toi, toi“, sagt sie.
Den Bike-Flash hält sie für sinnvoll. „Ich wünsche mir, dass das
ausgeweitet wird, zumindest an Stellen, wo viel LKW gefahren wird.“
Erst einmal lässt die Region Hannover die Anlage jedoch von einem externen
Büro evaluieren. Vor den Sommerferien sollen die endgültigen Ergebnisse
vorliegen. „Danach wird über einen dauerhaften Betrieb entschieden“, sagt
Benjamin Irvin, der Sprecher der Stadt Garbsen. Für weitere Standorte gebe
es „derzeit keine konkreten Überlegungen“. Die Bedenken des Ministeriums
teilt die Stadt nicht. „Aus unserer Sicht arbeitet die Anlage sicher und
zuverlässig“, sagt Irvin.
## Eine andere Ampelschaltung würde schon helfen
Nadine Danowski, die Sprecherin des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs
(ADFC) in Niedersachsen, findet es erst einmal gut, dass Garbsen aktiv
geworden ist, um Radfahrer zu schützen. „Die Anlage kann aber
Abbiegeassistenten für LKW und eine sichere, fehlerverzeihende
Infrastruktur nicht ersetzen“, meint sie.
Eine andere Ampelschaltung an Kreuzungen würde schon helfen. Wenn
Fahrradfahrer Grün hätten, müssten Rechtsabbieger warten. „Damit es gar
nicht mehr zur Kollision kommen kann.“ Zudem könnten Kreuzungen so umgebaut
werden, dass der tote Winkel entzerrt werde.
Die Forderung nach Abbiegeassistenten für LKW teilt auch das
Verkehrsministerium. Gemeinsam mit anderen Bundesländern hat Niedersachsen
eine Bundesratsinitiative eingebracht, damit sich Deutschland auf EU-Ebene
dafür einsetzt, dass die Assistenten für LKW ab 7,5 Tonnen verpflichtend
werden.
„Ein erheblicher Anteil des hohen LKW-Transitverkehrs durch Niedersachsen
besteht aus Fahrzeugen, die außerhalb Deutschlands zugelassen sind“,
erklärt Verkehrsminister Bernd Althusmann (CDU). „Wir haben daher ein
starkes Interesse an einer EU-weiten Regelung.“ Die aber dauert.
Bis dahin prüft das Verkehrsministerium, wie es die Nachrüstung mit solchen
Assistenzsystemen fördern kann. Beim Neukauf von Bussen gibt das Land schon
jetzt einen Zuschuss, wenn die Fahrzeuge einen Abbiegeassistenten haben.
Und auch die Fahrzeuge der Landesbehörde für Straßenbau will das
Ministerium nachrüsten.
Der Landtagsabgeordnete Detlev Schulz-Hendel von den Grünen findet diese
Initiative des Landes gut. Handlungsbedarf sieht er in erster Linie beim
Bund. Das dortige Verkehrsministerium hat gerade [2][eine neue Förderung]
von jährlich fünf Millionen Euro über fünf Jahre auf den Weg gebracht, um
Unternehmen bei der Umrüstung ihrer Lastwagen zu unterstützen. Der Andrang
war jedoch so groß, dass die Mittel für 2019 bereits ausgeschöpft sind.
## Kein Runder Tisch für Radfahrsicherheit
Der Grünen-Politiker meint deshalb, dass die Förderung nicht ausreicht.
„Der Bund muss mehr Geld in die Hand nehmen“, sagt Schulz-Hendel. Wenn das
nicht möglich sei, müssten die Unternehmen, die auf eigene Kosten den
Abbiegeassistenten einbauten, zumindest bei der LKW-Maut entlastet werden.
Vom niedersächsischen Verkehrsminister wünscht er sich, dass dieser einen
runden Tisch mit den Kommunen, der Verkehrswacht, der Polizei, dem ADAC und
anderen Akteur*innen einberuft, um zu diskutieren, welche Maßnahmen
kurzfristig umgesetzt werden können, um die Sicherheit für Radfahrer*innen
zu erhöhen. „Unser Antrag dazu wurde aber abgelehnt“, sagt Schulz-Hendel.
Dabei hätte man bei diesem runden Tisch auch über Ideen wie den Bike-Flash
sprechen können, sagt der Grüne, der das Projekt sinnvoll findet. „Die
Anlage ist auffällig und gefährdet den Verkehr in keiner Weise.“
Schulz-Hendel hat sich die Lichtanlage vor Ort angesehen. Er verstehe
nicht, warum sich der Minister hinter der Straßenverkehrsordnung verstecke,
statt das Pilotprojekt abzuwarten. „Wenn sich eine Kommune selbst aufmacht,
um den Verkehr für Radfahrer*innen und Fußgänger*innen sicherer zu machen,
sollte man das nicht blockieren.“
11 Feb 2019
## LINKS
[1] https://www.garbsen.de/portal/meldungen/bike-flash-von-garbsen-in-die-welt-…
[2] https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Artikel/K/neues-foerderprogramm-aktion-ab…
## AUTOREN
Andrea Maestro
## TAGS
Radverkehr
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