# taz.de -- Machtkampf in Pakistan: Khan kann keine Wahlen erzwingen | |
> Der pakistanische Ex-Premier Imran Khan scheitert mit seinem Versuch, mit | |
> einem Marsch auf die Hauptstadt Neuwahlen durchsetzen. | |
Bild: Islamabad am Donnerstag: Anhänger Imran Khans auf einer Polizeibarrikade… | |
BERLIN/ISLAMABAD taz | Mit Straßensperren aus Containern rund um die | |
Hauptstadt Islamabad und dem Einsatz von Tränengas gegen Steine werfende | |
Demonstranten hat Pakistans Polizei einen Marsch von Anhängern des | |
gestürzten Premierministers Imran Khan am Mittwoch ausgebremst. Der frühere | |
Cricketstar wollte das Parlament zu Neuwahlen zwingen. Am Donnerstag blies | |
er dann trotz eines Erfolgs vor Gericht den Marsch ab, stellte aber ein | |
Ultimatum. Sollten nicht innerhalb von sechs Tagen Neuwahlen verkündet | |
werden, würde er „mit der ganzen Nation“ nach Islamabad marschieren. | |
„Meine Pflicht ist es, dieses Land zu einigen,“ erklärte Khan pathetisch. | |
Bereits jetzt schon hatte er großspurig Millionen Demonstranten | |
angekündigt. Regierungspolitiker verwiesen darauf, dass er nur einige | |
tausend habe auf die Straße bringen können. „Entweder sind nicht genug | |
seiner Anhänger mobilisiert worden, hat das sehr harte Vorgehen der | |
Regierung Wirkung gezeigt oder es wird hinter den Kulissen an einem Deal | |
gearbeitet,“ vermutet [1][Niels Hegewisch], der das Büro der SPD-nahen | |
Friedrich-Ebert-Stiftung in Islamabad leitet. | |
Khan hatte wegen der eskalierenden Wirtschaftskrise am 10. April ein | |
[2][Misstrauensvotum im Parlament verloren]. Seitdem regiert eine Koalition | |
aus zehn Parteien geführt von [3][Premierminister Shehbaz Sharif]. Er ist | |
der Bruder des früheren Premiers Nawaz Sharif, der wegen Korruption ins | |
Exil floh und zur alten Elite gehört. Khan hatte eine Verschwörung der USA | |
für seinen Sturz verantwortlich gemacht, die jetzige Regierung sei deshalb | |
„aus dem Ausland importiert“. Beweise legte er nicht vor. | |
Die Regierung hatte den Marsch von Khans Anhängern zunächst verboten und | |
hunderte Menschen festgenommen, wobei ein Polizist erschossen wurde. Am | |
Mittwoch erlaubte das Oberste Gericht Khan Kundgebungen zeitlich und | |
örtlich begrenzt. So sollte er auch dafür sorgen, dass es friedlich bleibt. | |
## Imran Khans Chaosstrategie funktioniert bisher nicht | |
Doch schien Khan es zunächst auf Chaos anzulegen, um die Regierung | |
vorzuführen. Am Mittwoch machten sich beide Seiten gegenseitig für | |
Gewaltszenen verantwortlich. Auch die Sicherheitskräfte gingen brachial | |
vor. Nach der Gerichtsentscheidung forderte die Regierung für Donnerstag | |
die Unterstützung der Armee an, um Regierungsgebäude zu sichern. | |
Die mächtige Militärführung hatte den Populisten Khan einst protegiert, was | |
zu seiner Wahl im Jahr 2018 beitrug, sich dann bei Personalentscheidungen | |
aber mit ihm überworfen. Khan flirtete immer stärker mit Islamisten und | |
nutzte zunehmend antiwestliche Rethorik. Für Irritation sorgte, dass er am | |
Tag des militärischen Angriffs Russlands auf die Ukraine Moskau besuchte | |
und dabei zu Präsident Putin kein kritisches Wort fand. | |
Seit seinem Sturz versucht Khan immer wieder, mit massiven Protesten die | |
neue Regierung vorzuführen und Neuwahlen zu erzwingen, die erst im Herbst | |
2023 anstehen. In Teilen der Bevölkerung ist Khan, der keiner klassischen | |
Politdynastie entstammt, weiter beliebt. Doch hatte er für die Probleme des | |
Landes keine Lösungen außer einer Personality-Show. | |
Doch auch der neuen Regierung gelang es bisher nicht, das Land | |
wirtschaftlich zu stabilisieren. Hohe Inflation, die Abwertung der Rupie, | |
der hohe Ölpreis und die politische Instabilität machen Probleme. Die | |
Wirtschaft ist abhängig von Geldern aus dem Ausland. Doch verlangt der | |
Internationale Währungsfonds (IWF), die Benzin- und Strompreissubventionen | |
zu kürzen. Das würde die Proteste anheizen. „Vielleicht spekuliert Khan | |
auch darauf,“ sagt Hegewisch von der Ebert-Stiftung. | |
## Menschenrechtslage und Sicherheit nicht verbessert | |
Auch die Lage der Menschenrechte hat sich verschlechtert. Die Zahlen des | |
[4][Verschwindenlassens von Aktivisten aus Belutschistan] sind | |
rekordverdächtig hoch. Amina Masood Janjua von Defence of Human Rights | |
Pakistan (DHRP) sagte der taz: „Menschenrechte hatten noch nie Priorität | |
für eine pakistanische Regierung. Die neue konzentriert sich darauf, ihre | |
Macht zu konsolidieren, und scheint blind gegenüber dem Leid der Menschen.“ | |
Shakeel Anjum, Ex-Präsident des Nationalen Presseclubs in Islamabad, sieht | |
immerhin Verbesserungen bei der Presse- und Meinungsfreiheit: „Die neue | |
Regierung kann Kritik ertragen. Über Kundgebungen von Imran Khan wird | |
ausführlich berichtet, während er Berichte über seine Rivalen zensieren | |
ließ.“ | |
Verschlechtert hat sich die Sicherheitslage. Anschläge und | |
Selbstmordattentate haben in mehreren Regionen wieder zugenommen. Hinzu | |
kommt eine Hitzewelle, die in den Provinzen Belutschistan, Sindh und Punjab | |
zu Dürren führt. In der Region Pir Koh ist zudem die Cholera ausgebrochen. | |
26 May 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.ipg-journal.de/regionen/asien/artikel/der-perfekte-sturm-5963/ | |
[2] /Misstrauensvotum-gegen-Premier-Khan/!5848362 | |
[3] /In-Pakisten-kehrt-eine-Dynastie-zurueck/!5848476 | |
[4] /Proteste-in-pakistanischer-Provinz/!5823402 | |
## AUTOREN | |
Sven Hansen | |
Zahra Kazmi | |
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