# taz.de -- Lithiumabbau in Portugal: Böse Minen zum guten Spiel | |
> Portugal will mit dem Abbau seiner Lithiumvorräte aus der Krise kommen. | |
> Das würde die Landschaft großflächig zerstören. Wofür? | |
Bild: Unter diesen Hügeln im Norden Portugals liegt das Lithium | |
MADRID taz | Die Regierung und das britische Bergbauunternehmen Savannah | |
Resources versprechen einiges: Millioneninvestitionen, Steuerreichtum für | |
die armen ländlichen Gemeinden, Hunderte gut bezahlte Arbeitsplätze und | |
damit ein Ende der Abwanderung der Bevölkerung aus dem strukturschwachen | |
Norden Portugals. Doch all das hat seinen Preis. Denn unter den Hügeln hier | |
verbergen sich große Vorkommen von Lithium, die über riesige Tagebaulöcher | |
ausgebeutet werden sollen. „Sie wollen die gesamte Region umpflügen“, sagt | |
Jessica da Cruz von der Bürgerinitiative gegen den Lithiumabbau. | |
Das Metall ist wichtig für die Mobilitätswende. 27 Millionen Tonnen | |
lithiumhaltiges Gestein soll allein rund um den 260-Seelen-Ort Covas do | |
Barroso nahe der Grenze zur spanischen Region Galicien liegen. Die Region | |
wurde erst vor gut einem Jahr von der Landwirtschafts- und | |
Ernährungsorganisation der Vereinten Nationen zum landwirtschaftlichen | |
Weltkulturerbe erklärt. | |
Da Cruz ist in Frankreich aufgewachsen. Dennoch betrachtet sie den kleinen | |
Ort als Heimat. Ihre Eltern gehören zu denen, die „anderes suchten als | |
Viehzucht und Ackerbau“ und deshalb ausgewandert sind. Jetzt leben sie | |
wieder in einem Dorf. Da Cruz arbeitet in Paris als Juristin, in Covas do | |
Barroso verbringt sie nur ihre Ferien. „Aber dort sind meine Familie, meine | |
Freunde, alles, was mir etwas bedeutet.“ | |
Noch sei die Natur in der gesamten Nordregion intakt, sagt sie. „Das ist | |
unser Kapital. Nachhaltiger Tourismus und Landwirtschaft gibt uns für alle | |
Zeiten genug zu essen. Eine Mine schließt in zehn Jahren und hinterlässt | |
eine zerstörte Landschaft.“ Der Bevölkerung sei das klar, die | |
Versprechungen von Behörden und Industrie verfingen deshalb nicht. Dutzende | |
150 Meter tiefe Löcher mit einem Durchmesser von bis zu 600 Metern, die die | |
Landschaft zerstören, wolle hier niemand. | |
## Größte Lithiumvorkommen Europas in Portugal | |
Dass die Mine Arbeitsplätze in der Region schafft, glaubt Da Cruz auch | |
nicht. „Die Bergbaubetreiber bringen einen Teil ihrer Belegschaft mit, und | |
die Fabrik zur Herstellung von Batterien für Elektrofahrzeuge soll jetzt | |
doch nicht gebaut werden.“ Hintergrund soll der Mangel an Fachkräften sein. | |
Aber in der Bürgerinitiative geht man davon aus, dass das Metall nach China | |
verschifft und dann dort verarbeitet werden soll. | |
Rund um Covas do Barroso würden die Narben in der Landschaft und die Folgen | |
des hochtoxischen chemischen Prozesses zurückbleiben, mit dem das Lithium | |
aus dem Gestein gelöst wird. Für ein Kilogramm des begehrten Metalls müssen | |
bis zu einer Tonne Gestein ausgewaschen werden. Portugal hat, so zeigen | |
Studien, die größten Lithiumvorkommen in Europa. Weltweit liegt es auf | |
Platz sechs, hinter Australien, Chile, China, Argentinien und Simbabwe. | |
Bislang findet der Abbau hier in relativ kleinen Mengen für die | |
Keramikindustrie statt. | |
Das soll sich ändern. Denn die Nachfrage steigt weltweit ständig. Lithium | |
ist [1][Bestandteil der Batterien] für allerlei Elektronikgeräte, vom | |
Notebook bis zum Smartphone, und vor allem der Akkus der E-Autos. Bereits | |
heute werden 56 Prozent des verkauften Lithiums in der Batterieproduktion | |
gebraucht. Tendenz steigend. | |
2030 sollen nach den [2][Plänen der Europäischen Union] mindestens 35 | |
Prozent der neu zugelassenen Pkws und Lieferwagen einen Elektromotor haben. | |
Schätzungen gehen davon aus, dass das Lithiumgeschäft in zehn Jahren allein | |
in Europa bis zu 200 Milliarden Euro jährlich bewegen könnte. Doch der | |
Lithiumrausch birgt auch seine Gefahren. Im vergangenen Jahr brach der | |
Weltmarktpreis um 50 Prozent ein. Der Grund: Überangebot durch immer neue | |
Minen. | |
## Lithium soll aus der Krise führen | |
Die sozialistische Regierung von Ministerpräsident Antonio Costas in | |
Lissabon sieht jedoch die große Chance, das nordwesteuropäische Land | |
endgültig aus der Krise zu führen. Costas steht deshalb voll und ganz | |
hinter den Bergbauplänen. „Wenn wir CO2 reduzieren wollen, ist Lithium | |
unerlässlich“, erklärt Umweltminister João Pedro Matos Fernandes, der auch | |
für den Energiewandel zuständig ist. | |
Ziel sei, rund um die Minen eine ganze Industrie aufzubauen, die Portugal | |
mit zu den führenden Zuliefernationen für die E-Mobilität mache. Die | |
Regierung geht davon aus, dass allein in den fünf Regionen mit den größten | |
Lithiumvorkommen 3,3 Milliarden Euro investiert werden. In Covas do Barroso | |
könnte es schon im Frühjahr mit dem Bergbau ernst werden. Denn sobald das | |
Umweltgutachten vorliegt – und falls dies positiv ausfällt –, dürfen die | |
Bagger anrücken. | |
Die Menschen in Covas do Barroso sind nicht die Einzigen, die sich gegen | |
den Abbau des „weißen Goldes“ wehren, wie die Medien das Metall längst | |
nennen. Insgesamt laufen etwa 30 Anträge auf Schürflizenzen überall im | |
Land. Mehr als 3.600 Quadratkilometer Fläche sind davon betroffen. | |
Das Problem: Portugal ist nicht China oder Chile. Die Lithiumvorkommen | |
liegen nicht irgendwo mitten in der Wüste, sondern in Gebieten, in denen | |
Menschen leben und Landwirtschaft betreiben. Wie in Covas do Barroso. Die | |
dortige Bürgerinitiative hat sich mittlerweile mit einem Dutzend weiteren | |
Gruppen aus anderen portugiesischen Regionen zusammengeschlossen. | |
## Lokaler Protest gegen Bergbau | |
In den betroffenen Dörfern [3][nehmen sie den Widerstand ernst]. So haben | |
Protestierende den Bergbauunternehmen den Zutritt zu privaten und | |
gemeindeeigenen Grundstücken verwehrt, als diese dort Probebohrungen | |
vornehmen wollten. In einem der betroffenen Orte, in Montalegre unweit von | |
Covas do Barroso, boykottierten sie die letzten Parlamentswahlen. „Und wir | |
haben den zuständigen Staatssekretär aus dem Umweltministerium, João | |
Galamba, aus dem Dorf vertrieben, als er hier den Lithiumabbau anpreisen | |
wollte“, sagt Da Cruz. | |
Landschaftsschutz ist bei Weitem nicht das einzige Argument der | |
Bergbaugegner. Die Umweltschutzorganisation Quercus hat eine Studie | |
erstellt. Die AutorInnen kommen zu dem Ergebnis, dass jedes Lithiumbergwerk | |
pro Jahr 1,79 Millionen Tonnen des Klimakillers CO2 verursachen würde. Das | |
wiederum würde bedeuten, dass Portugal das für 2050 gesteckte Ziel der | |
Klimaneutralität deutlich verfehlen werde. | |
21 Jan 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Batterien-fuer-Elektroautos/!5649330 | |
[2] /Von-der-Leyens-European-Green-Deal/!5645137 | |
[3] https://www.change.org/p/contra-a-explora%C3%A7%C3%A3o-da-mina-de-l%C3%ADti… | |
## AUTOREN | |
Reiner Wandler | |
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