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# taz.de -- Linken-OB René Wilke über seine Partei: „Mangelnde Kompromissbe…
> René Wilke ist Linken-Politiker und OB von Frankfurt (Oder). Soll man mit
> seiner Partei nach der Bundestagswahl regieren? Er rät den anderen davon
> ab.
Bild: Mit seiner Partei regieren? Besser nicht, sagt René Wilke, Oberbürgerme…
taz: Herr Wilke, Sie sind Oberbürgermeister von Frankfurt (Oder), haben das
Amt als Politiker der Linkspartei gewinnen können. Befinden Sie sich jetzt
auch im Wahlkampf?
René Wilke: Nein, gar nicht.
Spielt [1][der Bundestagswahlkampf] für Sie keine Rolle?
Doch schon. Aber nicht als Wahlkampf. Vor einigen Tagen hatte ich zum
Beispiel Gespräche mit drei Bundestagskandidaten, die jeweils auf mich
zugekommen waren, um sich über kommunalpolitische Perspektiven bei mir zu
informieren.
Das ist insofern irritierend, als [2][Olaf Scholz] zu seiner Zeit als
Bürgermeister von Hamburg sehr wohl für seine Partei in
Bundestagswahlkämpfen unterwegs war.
Was soll ich dazu sagen? Ich könnte sagen, dass die Fülle der Aufgaben in
meinem Amt mir keine Zeit lässt und ich andere Prioritäten habe. Das ist
so. Aber wahr ist auch, dass ich als Oberbürgermeister von Frankfurt die
Stadtgesellschaft zusammenzuhalten habe. Auch deshalb mache ich keinen
Bundestagswahlkampf für eine Partei – das würde in meiner Stadt Wunden
erzeugen.
Sie sind Mitglied der Linken, verstehen sich jedoch nicht als kämpfender
Teil Ihrer Partei?
Mir geht es nicht um die Mitgliedschaft an sich, sondern um das
Wertegefüge, das mich zu ihr geführt hat. Das leitet mich noch immer. Aber
das taktische Parteiinteresse kann für mich keine Rolle spielen.
Sind Sie mit Ihrer Bundespartei im Wahlkampf zufrieden?
Nein. Es fällt mir schwer, mich mit dem Bundestagswahlkampf und so manchen
Debatten zu identifizieren.
Aber mit Ihrem Landesverband oder etwa Thüringens Ministerpräsident Bodo
Ramelow – mit ihnen sind Sie einverstanden?
Ja. Da ist meine Identifikation deutlich größer. Übrigens auch mit meinem
Kreisverband und einzelnen Akteuren auf Bundesebene. Susanne Hennig-Wellsow
beispielsweise.
Woher rührt denn Ihre Unzufriedenheit?
Als jemand, der politisch sehr praktisch an Veränderung orientiert ist,
fällt mir insbesondere das politische Gerede auf, das mir nicht geeignet
scheint, im Alltagspraktischen konkret etwas für unsere Wähler und
Wählerinnen zum Besseren zu ändern. Vom Spielfeldrand zu kommentieren und
von sich selbst zu glauben, man könnte alles besser, finde ich nicht
sonderlich erstrebenswert. Konkrete Gestaltungsverantwortung sollten wir
übernehmen wollen. Und den Beweis antreten, dass es besser geht.
Aber das Sofortprogramm Ihrer Partei, ist das nichts?
Ja, schon. Ein kluger Schachzug. Aber insgesamt wirkt es doch sehr aus der
Not geboren, diesbezüglich etwas vorzeigen zu müssen. Da steckt ja keine
kontinuierlich erarbeitete, langfristige Überlegung drin. Und das merken
die Menschen doch.
Was sehen Sie in Ihrer Partei, die an einer Regierung teilhaben möchte?
Ganz ehrlich? Ich könnte es keiner anderen Partei empfehlen, mit meiner
Partei nach der Bundestagswahl zu koalieren. Es gibt viel zu viele innere
Gräben in der Partei – man ist sich für die konkrete
Verantwortungsübernahme viel zu uneins – selbst in der einfacheren Rolle
als Opposition. Das ist keine gute Basis für notwendige Verlässlichkeit.
Welche wäre denn eine?
Und da sind wir beim eigentlichen Punkt. Und der ist eine demokratische
Haltungsfrage: Ich sehe mangelnde Kompromissbereitschaft. In einer
Demokratie hat man natürlich eine politische Position. Aber man muss sich
immer klarmachen, dass die eigene Sicht nur eine von vielen ist. Die andere
Seite könnte auch recht haben.
Wirklich?
Man darf sich nicht so überhöhen. Niemand hat allein die Weisheit mit
Löffeln gefressen. Man muss immer den Mut haben, die eigene Position in den
kritischen, insbesondere auch selbstkritischen Diskurs zu geben. Bei uns
gibt es noch viele, die sich im Besitz der reinen Lehre wähnen. Und das ist
auch ein gesellschaftliches Problem. Es gibt ein zunehmendes
Schwarz-Weiß-Denken. Wer eine andere Auffassung hat, ist heute sehr schnell
ein Gegner oder Feind anstatt jemand mit einer anderen Auffassung, der ich
womöglich sogar mit Neugierde begegnen könnte.
Hätten Sie im Bundestag der Entscheidung für ein Bundeswehrmandat in
Afghanistan zugestimmt – aus humanitären Gründen? Die meisten aus Ihrer
Fraktion enthielten sich, manche stimmten zu, andere stimmten mit Nein.
Ich hätte dem Mandat zugestimmt. Hinweise auf schlechte Beschlüsse zu
Afghanistan in der Vergangenheit sind für mich als wesentliche Begründung
gegen einen humanitären Einsatz nicht überzeugend gewesen.
Hadern Sie generell mit dem außenpolitischen Kurs Ihrer Partei, auch den
von manchen ausgebrachten Sympathiebekundungen für Wladimir Putin oder den
venezolanischen Staatschef Nicolás Maduro?
Ja, dieses Feld steht konträr zu den Werten, die mir wichtig sind.
Friedliche Politik, Demokratie und Menschenrechte sollten nicht
unterschiedlichen Maßstäben unterliegen. Das erscheint mir weder konsistent
noch glaubwürdig.
Sie haben vor einigen Jahren für eine Wiedervereinigung von SPD und
Linkspartei plädiert. Tun Sie das immer noch?
Perspektivisch: Ja. Denn worin liegen die Entwicklungsoptionen? Meine
Partei kann entweder an Gestaltungswillen gewinnen und kompromissfähig
werden. Oder sie tut das nicht und führt ein Dasein am Rande der
Marginalisierung.
Die SPD kann entweder zurück zu modernen, sozialdemokratischen Werten mit
Anschlussfähigkeit in die Mitte finden oder mit der CDU um die größere
politische Beliebigkeit konkurrieren. Das ist meine Denkweise. Auch nur
eine von vielen.
Aber diesem Gedanken folgend wären zwei Parteien, die für soziale
Gerechtigkeit und gesellschaftliche Werte des solidarischen Miteinanders
einstehen, dann eher abwegig. Von einer stärkeren Partei hätten die
Menschen mehr.
22 Sep 2021
## LINKS
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[2] /Scholz-im-Wahlkampf/!5802898
## AUTOREN
Jan Feddersen
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