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# taz.de -- Wahldebakel der Linkspartei: Allerletzte Chance
> Das Wahldebakel der Linkspartei ist hausgemacht. Entweder die Partei
> erfindet sich als Reformkraft neu – oder sie wird untergehen.
Bild: Erste Reaktionen nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses am Sonntagabend auf…
Die Linkspartei [1][bleibt im Bundestag] – das nur, weil sie drei
Direktmandate geholt hat, darunter Gregor Gysi und Gesine Lötzsch. Das ist
ein fast überdeutliches Zeichen. Die Partei zehrt ein letztes Mal von ihrer
Vergangenheit, von der Rolle, die sie in den 90er Jahren als Stimme des
Ostens gespielt hatte. Die PDS managte die Integration der Abgewickelten in
den Westen. Das war nötig. Aber es ist verwelkter Ruhm.
Die Erzählung der Linkspartei war später: Wir sind die Rache für den
Verrat, den die SPD mit der Agenda 2010 beging. Auch das war nötig, und ein
starker, aber auch ein täuschend starker Grund. Denn er war nichts Eigenes,
sondern nur ein Kontra, eine Geste der Opposition. Die ist in dem Maße
ausgebleicht, in dem sich die SPD mit sich versöhnt hat.
Mehr als ein halbe Million Ex-Linkswähler [2][haben SPD gewählt.] Das ist
kein Wunder. Wenn die SPD 12 Euro Mindestlohn will und das auch durchsetzen
kann, die Linkspartei 13 Euro fordert, ohne das realisieren zu können – wen
wählt man da?
In der Linkspartei gibt es eine oft wiederholte Phrase. Ja, wenn die SPD
wieder sozialdemokratisch ist, dann reden wir mit ihr über eine Regierung.
Das klang immer selbstgefällig. Es war noch schlimmer – nämlich dumm. Denn
nichts musste die auf Anti-SPD-Kurs fixierte Linkspartei mehr fürchten als
eine SPD, die wieder einigermaßen glaubhaft sozialdemokratisch auftritt.
Denn damit steht mit zerstörerischer Wucht die Frage im Raum: Wofür braucht
man dann die Linkspartei?
## Im Westen zur Kleinpartei geschrumpft
Die Linkspartei hat insgesamt eine Million Wähler an SPD und Grüne verloren
– offenbar, weil die lieber Parteien wählen, die regieren und nicht bloß
Recht haben wollen. Im Westen ist sie zur Kleinpartei mit 3,7 Prozent
geschrumpft. Das ist am Rand zur Bedeutungslosigkeit – fast ein Schritt
weiter.
Die verschiedenen Strömungen und Gruppen werden sich das Desaster nun
gegenseitig in die Schuhe schieben. Das wird kein schöner Anblick –
Meuterei auf sinkendem Boot.
Die Frage aber ist nötig: Warum diese Niederlage? Es waren keine misslichen
Umstände. Das Debakel ist hausgemacht. Hier rächt sich ein strategischer
Fehler. Dreiviertel der Linkspartei-Klientel will, dass ihre Partei
regieren kann.
Aber die Partei ist in dieser Frage bewegungsunfähig. Sie traut sich nicht,
regierungsfähig zu werden. Vielleicht, weil ihre unscharfe Abgrenzung zu
SPD und Grünen dann erst recht offenkundig würde, vielleicht, weil sie Zoff
mit ihrem versteinerten antiimperialistischen Flügel fürchtet.
Wahrscheinlich wegen beidem. Die Charmeoffensive Richtung Rot-Grün auf den
letzten Metern im Wahlkampf war jedenfalls zu offensichtlich taktisch und
ohne Substanz.
Die Linkspartei hat diese Quittung verdient. Sie klammert sich an einen
Status quo, der ihre fragilen, inneren Machtbündnisse schützt, aber
politisch ins Koma führt.
So unfähig die Linkspartei ist, als Ganze Regierungsbeteiligung
anzustreben, so unfähig war sie, mit klaren Botschaft in zentralen
politischen Fragen aufzutreten. Bei der Migration wollen viele GenossInnen
offene Grenzen, Sahra Wagenknecht, die bekannteste linke Politikerin, bloß
das nicht.
In der Linkspartei gibt es radikale Klimaschutzaktivisten – und einen
Flügel, der das alles nicht so wichtig findet. Eine Partei, die
Schlüsselfragen nur in hoch ideologisch aufgeladenem Streit verhandeln kann
und zudem dauernd Doppelbotschaften sendet, die kann sich über
Wahlniederlagen nicht wundern.
Es gibt in der Linkspartei sehr viele kluge Köpfe, und bei Sozialem und
Finanzen nötige politische Ideen, auf die die Partei das Copyright hat. Sie
hat jetzt noch eine Chance, sich von den Dogmatikern, die sie wie ein
Betonklotz am Bein in die Tiefe ziehen, zu trennen und sich als linke
Reformkraft zu erfinden. Es ist die allerletzte Chance.
27 Sep 2021
## LINKS
[1] https://www.fr.de/politik/bundestagswahl-2021-linke-linkspartei-ergebnis-5-…
[2] https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/wahlen/bundestagswahl/wahlergebn…
## AUTOREN
Stefan Reinecke
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