# taz.de -- Landstromanlagen in norddeutschen Häfen: Bund sponsert Steckdosen | |
> Mit 176 Millionen Euro Finanzhilfe sollen zögerliche Landesregierungen | |
> und Reeder dazu gebracht werden, in Landstromanlagen zu investieren. | |
Bild: Soll es künftig öfter zu sehen geben: Landstromanlagen wie hier am Crui… | |
HAMBURG taz | Saubere Luft und klimafreundliche Energieversorgung, dafür | |
sollen in den Häfen eigentlich Landstromanlagen sorgen. Aber das ist kein | |
Selbstläufer. Seit anderthalb Jahrzehnten verpflichtet eine europäische | |
Richtlinie zwar alle Häfen, die Emissionen von Schiffen während der | |
Liegezeit am Kai drastisch zu senken. Geschehen ist wenig – auch in | |
Norddeutschland sieht es eher mau aus. | |
Nun will Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) den | |
Landesregierungen, die bei diesem Thema bisher eher zögerlich sind, den | |
Landstrom als saubere Alternative zum Schiffsdiesel nicht zum ersten Mal | |
mit Geld schmackhaft machen. 176 Millionen Euro Finanzhilfen für die | |
Errichtung von Anlagen in See- und Binnenhäfen stellt der Bund bereit. | |
„Wir machen einen großen Schritt in Richtung einer flächendeckenden umwelt- | |
und klimafreundlichen Landstromversorgung in deutschen Häfen, wie wir sie | |
im Koalitionsvertrag versprochen haben“, sagte Altmaier Anfang November. | |
Die Bundesregierung wird sich 2021 an neuen Anlagen mit 75 Prozent | |
beteiligen. Ab 2022 wird der Bund die Länder nur noch mit 50 Prozent | |
unterstützen. So soll etwas Schwung in die Sache kommen. | |
Hamburg will die Subventionen nutzen und künftig als erster Hafen in Europa | |
große Containerfrachter mit Landstrom versorgen. Das verspricht jedenfalls | |
Hamburgs Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos). Gedacht wird | |
hier an die Terminals Burchardkai, Europakai und Predöhlkai. Auch | |
Kreuzfahrtschiffe und Binnenschiffe sollen Landstromannlagen erhalten. 32,6 | |
Millionen Euro will Hamburg dafür bereitstellen, der Bund soll 42,4 | |
Millionen Euro dazu geben. | |
Das Hamburger Kreuzfahrtterminal in Altona betreibt immerhin seit 2016 eine | |
Landstromanlage. Die Kosten von damals zehn Millionen Euro hatte teilweise | |
der Bund übernommen. Genutzt wird die Anlage allerdings kaum, weil den | |
meisten Kreuzfahrtschiffen schlicht die entsprechenden Vorrichtungen | |
fehlen. Und selbst die „Europa 2“, die Landstrom nutzen kann, hat es | |
zuletzt nicht getan. Dies teilte der Hamburger Senat Mitte November auf | |
eine Kleine Anfrage des Linken-Abgeordneten Norbert Hackbusch mit. Die | |
Reederei Hapag-Lloyd-Cruises begründete das mit notwendigen Arbeiten an | |
Bord. | |
Bremens Senat hatte bereits im Sommer beschlossen, bis 2024 acht neue | |
Anlagen zur Landstromversorgung von Seeschiffen bauen zu lassen, außerdem | |
zwei Anlagen für Binnenschiffe. Der Landstrom solle vollständig aus | |
erneuerbaren Energien stammen, verspricht Häfensenatorin Claudia Schilling | |
(SPD). Sie nennt das einen „wichtigen Baustein auf dem Weg zum grünen, | |
klimaneutralen Hafen“. Die Kosten dafür liegen laut dem Fachmagazin für | |
Spedition, Transport & Logistik Verkehrsrundschau bei 32,4 Millionen Euro. | |
Den Großteil davon dürfte nun der Bund übernehmen. | |
Mittels Landstrom können sich Schiffe während ihrer Liegezeit im Hafen mit | |
Strom versorgen und ihre bordeigenen Dieselgeneratoren abschalten. Dadurch | |
können neben Luftschadstoffen wie Stickstoff- und Schwefeloxiden auch | |
klimaschädliche CO²-Emissionen vermieden werden, es ist leiser und nichts | |
vibriert mehr. Das ist besonders für Häfen wie den in Kiel interessant, die | |
in der Innenstadt liegen. Kiels erste Landstromanlage läuft seit Mai 2019 | |
am Norwegenkai und versorgt dort die Fähren der Reederei Color Line. | |
Weitere sollen folgen. Am heutigen Mittwoch wird an der neuen | |
Landstromanlage am Ostseekai mit großem Bahnhof eine riesige LED-Fassade | |
eingeweiht. | |
Europaweit gibt es allerdings kaum Häfen, die wenigstens Fähr- und | |
Kreuzfahrtschiffe mit Landstrom versorgen können. Das liegt nicht nur an | |
den hohen Investitionen,die für solche Anlagen nötig sind, sondern auch | |
daran, dass Landstrom für Reedereien deutlich teurer ist als Diesel. | |
Die Schiffe haben unterschiedliche Anforderungen an ihren Strombedarf, von | |
3 bis 16 Megawatt. Bei großen Container- und Kreuzfahrtschiffen werden | |
Leistungen in der Größenordnung bis zu 16 Megawatt abgerufen, was nach | |
Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums etwa dem Strombedarf einer | |
kleineren Stadt entspricht. | |
„Diese hohen Bedarfsmengen muss man erst einmal decken können“, sagt ein | |
Sprecher des Kieler Hafens. Außerdem müssen die zwischen bord- und | |
landseitigem Netz abweichenden Spannungen (6,6/11 Kilovolt) und Frequenzen | |
(50/60 Hertz) ausgeglichen werden. Das heißt, die Schiffe müssten | |
umgerüstet werden, die Reedereien müssten Geld in die Hand nehmen. | |
Obendrein mangelt es an vielen Standorten an Landstrom aus erneuerbaren | |
Energien. Der grüne Strom ist aber notwendig, damit die Ökobilanz stimmt. | |
In Rostock-Warnemünde können Kreuzfahrtschiffe seit August an zwei | |
Liegeplätzen Landstrom aufladen. Auf Anfrage beziffert die Stadt die Kosten | |
für die Anlage auf 19 Millionen Euro. Die Förderquote durch das Land | |
Mecklenburg-Vorpommern betrug demnach 90 Prozent. Man will nun „erst einmal | |
schauen, wie die Reedereien reagieren“, sagt der Sprecher des parteilosen | |
Bürgermeisters Claus Ruhe Madsen. Corona habe das ja nun zunächst | |
verhindert. In der regelmäßigen Linienfahrt von Frachtern gebe es bisher | |
keine Nachfrage, sagt Ruhe Madsen. | |
In Deutschlands einzigem Tiefwasserhafen, dem 2012 eingeweihten | |
Jade-Weser-Port in Bremerhaven – werden riesige Containerschiffe | |
abgefertigt. Eine Landstromanlage gibt es lediglich für Schlepper und | |
andere Versorgungsschiffe. Sie wird „regelmäßig genutzt“, sagt eine | |
Sprecherin des Hafens. Außerdem seien im Container-Terminal während der | |
Bauphase 2008 „die baulichen Voraussetzungen für die Installation von | |
Landstromversorgungsleitungen geschaffen worden“. Damals habe es noch keine | |
einheitlichen Standards für die Stromversorgung gegeben. | |
Offen ist in Bremerhaven tatsächlich bis heute, ob einer land- oder | |
seeseitigen Energieversorgung die Zukunft gehört. In Abstimmung mit den | |
Akteuren der maritimen Wirtschaft strebe die Geschäftsführung des Hafens | |
„einen bedarfsgerechten Ausbau“ an. Doch bislang signalisiert die | |
Reedereiwirtschaft keinen wirklichen Bedarf. Damit Landstrom zum | |
Selbstläufer werde, sollten zunächst weitere Subventionen vom Staat | |
fließen. | |
9 Dec 2020 | |
## AUTOREN | |
Hermannus Pfeiffer | |
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