| # taz.de -- Verkehrsexperte über Kreuzfahrtbranche: „Die verdienen ein Heide… | |
| > Kreuzfahrt-Reedereien investieren kaum freiwillig in die | |
| > Schadstoffreduktion. Man müsste sie schon dazu zwingen, sagt | |
| > Verkehrspolitik-Experte Daniel Rieger. | |
| Bild: Bringen den Betreibern viel Geld, sind aber schlecht für Umwelt und Gesu… | |
| taz: Herr Rieger, wie andere Umweltschutzorganisationen hat sich der Nabu | |
| seit Jahren mit der Luftverschmutzung durch Kreuzfahrtschiffe befasst und | |
| dazu in europäischen Häfen, darunter auch in Marseille, Messungen | |
| vorgenommen. Ist Marseille bloß ein Fall unter vielen? | |
| Daniel Rieger: In unserem Ranking lag Marseille auf dem achten Platz. Mit | |
| dem starken Aufkommen hat aber auch die durch die Kreuzfahrtschiffe | |
| bedingte Luftverschmutzung stark zugenommen. Marseille muss darum als | |
| Hotspot der Abgasbelastung in Europa gelten. | |
| Was hat es mit dieser Luftverschmutzung auf sich? | |
| Für die Gesundheit der Menschen sind vor allem die Ultrafeinpartikel am | |
| schlimmsten. Dieser „Feinstaub“ wird namentlich für | |
| Herz-und-Kreislauf-Erkrankungen und Lungenleiden oder Demenz in Verbindung | |
| gebracht. Wenn solche Feinpartikel über längere Zeit eingeatmet werden, | |
| erhöhen sich die Risiken einer Erkrankung dramatisch. In [1][der dänischen | |
| Studie des CEEH] im Auftrag der Europäischen Kommission wird von 50.000 | |
| Todesfällen in Europa gesprochen, die darauf zurückzuführen sind. Dann geht | |
| es aber auch um die Schwefel- und Stickoxide. | |
| In Nordeuropa wurde immerhin versucht, mit sogenannten | |
| Emissionskontrollgebieten (ECA) diese Verschmutzung zu vermindern. Wie | |
| wirksam ist das? | |
| Da muss man genauer hinschauen: In diesen ECA-Gebieten müssen die Schiffe | |
| entweder Brennstoffe mit Niedrigschwefelgehalt verwenden oder die | |
| produzierten Schwefeloxide nachträglich rauswaschen. Für die übrigen | |
| Schadstoffe hat das keine Auswirkungen. Da gerade der Feinstaub am | |
| gefährlichsten ist, hat man damit also nicht wirklich eine Verbesserung | |
| hinbekommen. Man kann sogar von einer Augenwischerei reden, die von den | |
| Reedern mitbetrieben wird. Für die Feinpartikel und die Stickoxide bräuchte | |
| es Filter und Katalysatoren, wie sie für die Pkw und Lkw auf der Straße als | |
| Standard vorgeschrieben sind. Die gäbe es auch für große Dieselmotoren. Nur | |
| macht das keiner. Solange aber die großen Maschinen keine Filter und | |
| Katalysatoren haben, kriegt man das [2][Schadstoffproblem nicht in den | |
| Griff]. | |
| Wenn die großen Passagierschiffe im Hafen liegen, produzieren sie angeblich | |
| rund um die Uhr Strom mit ihren Motoren, gäbe es da nicht Alternativen? | |
| Für die Liegezeit im Hafen muss der Anschluss an den Landstrom zur Pflicht | |
| werden. Dabei sollte aber der zugeführte Strom aus erneuerbaren Quellen | |
| stammen, sonst wird das Problem nur verlagert, wenn der Strom mit Kohle | |
| oder Schweröl produziert wird. Einen solchen Anschluss ans Stromnetz gibt | |
| es beispielsweise in Hamburg oder in skandinavischen Häfen. Dazu muss | |
| freilich auch das Bordnetz angepasst werden. Das kostet Geld, und der | |
| Landstrom ist auch teurer als der mit Schweröl von den Schiffen selbst | |
| produzierte. Die Interessen der Reeder sind darum klar, aber nicht | |
| akzeptierbar. | |
| Warum werden denn nicht wenigsten die neuen Schiffe, die ständig gebaut | |
| werden, entsprechend angepasst? | |
| Diese Branche verdient ja mit den Kreuzfahrten ein Heidengeld! Und es muss | |
| mir niemand erzählen, diese Unternehmen hätten nicht das Geld, um die | |
| Schiffe mit der neuesten umweltfreundlicheren Technik nachzurüsten. Nur | |
| machen sie das nicht, solange man sie nicht dazu verpflichtet. | |
| 2 Feb 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.ceeh.dk/CEEH_Reports/Report_3/CEEH_Scientific_Report3.pdf | |
| [2] http://www.iiasa.ac.at/web/home/research/researchPrograms/air/Shipping_emis… | |
| ## AUTOREN | |
| Rudolf Balmer | |
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