# taz.de -- Kundgebung 1 Jahr nach Syndikat-Räumung: Geräumt für Leerstand | |
> Ein Jahr nach der Räumung des Syndikats stehen die Räume der Kiezkneipe | |
> leer. Am Samstag gibt es eine Kundgebung mit Musik im Schillerkiez. | |
Bild: Mehrere Tausend Menschen protestierten vor einem Jahr gegen die Räumung … | |
BERLIN taz | Exakt vor einem Jahr wurde das seit über 30 Jahren bestehende | |
und im Kiez fest verankerte Kneipenkollektiv Syndikat mit einem | |
[1][martialischen Polizeieinsatz geräumt]. Seitdem steht die Neuköllner | |
Kneipe nun leer – für die Profitinteressen der Besitzer um die | |
[2][britische Milliardärsfamilie Pears] und ihr | |
[3][Briefkasten-Immobilienimperium]. Die Eingangstür ist mit einer | |
Pressholzplatte fest verschraubt. Die Fenster sind sogar zugemauert. Das | |
Wohnzimmer und damit der Freiraum vieler Kiezbewohner*innen, in dem es | |
günstiges Bier und keine Konsumpflicht gab, ist weg. | |
Anlässlich des Jahrestags veranstaltet das geräumte Kollektiv am Samstag | |
die [4][Kundgebung „Kiezkultur bleibt erhalten“]. Zwischen 14 und 22 Uhr | |
wird es auf der Weisestraße eine offene Kundgebung [5][mit viel Musik], | |
Performances, aber auch einer Ausstellung, Redebeiträgen und Infoständen | |
geben. | |
Die Polizei hatte bei der Räumung mit rund 2.300 Einsatzkräften, einem | |
Hubschrauber und einer Sperrzone ein Wochenende lang [6][den Schillerkiez | |
belagert]. Anwohner*innen durften die Sperrzone nur unter Vorlage des | |
Ausweises betreten, auch in den Wochen nach dem Einsatz zeigte die Polizei | |
im Kiez Präsenz und fuhr regelmäßig Streife. Im Anschluss gab es | |
Diskussionen, inwiefern der Einsatz als rot-rot-grüne Amtshilfe für den | |
Gerichtsvollzieher verhältnismäßig war. Die Räumung war Blaupause für | |
andere Räumungen und Einsätze in anderen linken Projekten. | |
Der ehemalige [7][Kneipenwirt Christian] sagt: „Wir sind noch immer | |
unheimlich wütend und erschüttert, wie das damals abgelaufen ist. | |
Gleichzeitig gibt es uns die Kraft und Motivation, weiterzumachen.“ Man | |
denke, „jetzt erst recht!“, sagt er. „Und dieser Riesenaufwand war nur | |
dafür, dass die Räume jetzt leer stehen und ein Milliardär noch reicher | |
wird.“ Wegen hoher Preise suche das Kollektiv bisher vergeblich nach | |
Ersatz. | |
## Umwandlung in Eigentum beantragt | |
Für die Wohnungen in der Weisestraße 56 wurden mittlerweile Umwandlungen in | |
Eigentum beantragt, wie das Kollektiv mitteilt. Die Mieter*innen seien | |
postalisch informiert worden. Damit wäre es dem Eigentümer auch möglich, | |
die Gewerberäume separat zu verkaufen. | |
Zwar befindet sich die Immobilie in einem Milieuschutzgebiet, aber auch | |
dort darf man nach Antrag beim Bezirk – mit einer 7-jährigen Vorlaufszeit | |
plus 5 Jahren Kündigungsschutz – Wohnungsbestände in Eigentum umwandeln, um | |
sie schließlich zu verkaufen. Den Antrag zum Jahrestag der Räumung empfinde | |
man als Provokation, heißt es. Das Bezirksamt bestätigte den Antrag. Sie | |
prüfe diesen mit offenem Ausgang – politisches Ziel sei, die Umwandlung | |
nicht zu genehmigen. Vor diesem Hintergrund sei gut, dass Berlin kürzlich | |
eine [8][Umwandlung erschwerende Rechtsverordnung] erlassen habe, teilt das | |
Bezirksamt mit. | |
Der Geist des Syndikats hingegen blieb auch nach der Räumung erhalten: Noch | |
immer treffen sich ehemalige Kneipengänger auf dem Bürgersteig vor der | |
geräumten Kneipe, um sich auszutauschen, zu trinken und zu feiern, wie | |
Christian sagte: „Das entwickelt sich an den meisten Abenden ganz spontan. | |
Teilweise kommen sogar Leute mit Stühlen, um es sich gemütlich zu machen.“ | |
Es seien viele ehemalige Gäste und Kiezleute darunter. Er sagt: „Das ist | |
sehr schön und es kommt viel positive Resonanz von den Anwohner*innen. | |
Das muss man sich mal vorstellen: Anwohner, die eine Kneipe direkt unter | |
ihnen vermissen.“ | |
Das Syndikat gab es seit über 30 Jahren – das Haus wurde 2014 allerdings | |
durch ein verschleiertes Immobilienimperium, versteckt hinter | |
Briefkastenfirmen in Steuerparadiesen, der britischen Milliardärsfamilie | |
Pears gekauft, die dann schließlich die Kneipe hat räumen lassen. | |
Kontaktaufnahmen aus dem Neuköllner Bezirksamt ließen die britischen | |
Milliardäre ebenso wie Presseanfragen unbeantwortet. Die | |
Verdrängungsgeschichte des Syndikats war auch international in den | |
Schlagzeilen. | |
Nach dem Syndikat wurden in ähnlicher Manier auch die Kreuzberger Kneipe | |
[9][Meuterei] und das [10][Hausprojekt Liebig34] geräumt. Die Einsätze | |
konterkarierten die Ambitionen der rot-rot-grünen Koalition, die auch | |
angetreten war, um zivilgesellschaftliche Freiräume zu schützen. Die | |
Räumung des Buchladens [11][Kisch & Co.] steht unmittelbar bevor, auch der | |
[12][Bauwagenplatz Köpi] ist derzeit akut bedroht. Noch immer unklar ist | |
die Situation des autonomen Jugenzentrums [13][Potse]. | |
6 Aug 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Raeumung-der-Kneipe-Syndikat-in-Berlin/!5705833 | |
[2] /Linke-Kneipe-enttarnt-Immobilienriesen/!5548679 | |
[3] https://interaktiv.tagesspiegel.de/lab/das-verdeckte-imperium/ | |
[4] https://syndikatbleibt.noblogs.org/ | |
[5] https://twitter.com/syndikat44/status/1422251393184894981 | |
[6] /Nach-der-Raeumung-des-Syndikat-in-Berlin/!5711075 | |
[7] /Am-Tresen-vom-bedrohten-Syndikat/!5640949 | |
[8] /Umwandlungswelle-in-Berlin/!5781395 | |
[9] /Linke-Kneipe-in-Kreuzberg/!5761358 | |
[10] /Raeumung-der-Liebig-34/!5717141 | |
[11] /Buchhandlung-Kisch--Co-vor-der-Raeumung/!5791746 | |
[12] /Bedrohter-Wagenplatz-in-Berlin/!5766324 | |
[13] /Potse/!t5568367 | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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