# taz.de -- Kulturwissenschaftlerin über Shisha-Bars: „Das Gift der Anderen�… | |
> Wo kommen diese ganzen Wasserpfeifen-Cafés her? Alexa Färber erklärt, was | |
> Gerhard Schröder damit zu tun hat und mit welchen Vorurteilen wir auf | |
> Shisha-Bars blicken. | |
Bild: Sie steht für Jugend- und Gegenkultur, weil man raucht, obwohl rauchen u… | |
taz: Frau Färber, wo kommen diese Shisha-Bars her? Und was sagt es uns über | |
die Stadt, wenn es sie heute auch in Szenevierteln wie der Hamburger | |
Schanze gibt? | |
Alexa Färber: In solchen Vierteln vermischt sich eine linke Szene mit einem | |
touristischen Wochenendpublikum. Hier gibt es das, was ich als | |
orientalische Shisha-Bar bezeichnen würde, die den Orient als Konsumprodukt | |
entdeckt hat. Das bewegt unternehmerische Akteure mit Migrationshintergrund | |
dazu, so etwas für ein ausgehfreudiges Publikum zu eröffnen. | |
Was macht eine Shisha-Bar aus? | |
Es gibt nicht die Shisha-Bar. Das Phänomen des Wasserpfeifen-Cafés ist sehr | |
vielfältig. Was sie verbindet, ist die Wasserpfeife, die man langsamer | |
wegraucht als eine Zigarette. Es geht um das Zeitverbringen, das Rumhängen | |
und Geselligkeit. | |
Welche typischen Unterschiede gibt es grob gesagt? | |
Für mich gibt es drei Sorten: Der erste Typ ist das arabische Kaffeehaus, | |
der ist für Leute, die Wasserpfeife in einem Kontext rauchen wollen, in dem | |
es keinen Alkohol gibt. Da laufen im Fernseher Videos der panarabischen | |
Stars, es kann auch Backgammon gespielt werden. Die Referenz ist das | |
Kaffeehaus, wie man es vielleicht aus der Altstadt von Damaskus kennt. Das | |
sind einzelne, die es teils schon lange gibt. Sie richten sich an ein | |
älteres Publikum. Der zweite Typ ist eine kosmopolitische Bar, in der es | |
Alkohol gibt und die abends geöffnet hat. Hier gibt es keine andere | |
Geschlechtertrennung als in jeder anderen coolen Szene-Lounge auch. Und | |
dann gibt es die orientalischen Bars… | |
…der dritte Typ. | |
…in denen es auch Alkohol gibt. Da treffen sich junge Frauen oder junge | |
Männer untereinander oder sie treffen sich gemischt. Da geht es um das | |
Sehen und Gesehenwerden, wie in jeder anderen Bar auch. In der | |
unternehmerischen Konkurrenz um ein junges Publikum macht die Wasserpfeife | |
hier den Unterschied. | |
Wer ist dieses Publikum? | |
Die orientalische Bar spricht nicht die uns bekannten Kaffeehausbesucher | |
an, also die erste Einwanderergeneration, die mit einem Kulturverein auch | |
ein meist von Männern frequentiertes Café gegründet hatten. Das war ja, was | |
das Schaufenster angeht, ein eher geschlossener Raum. Die orientalische | |
Shisha-Bar adressiert eine Kundschaft, die nicht unbedingt die | |
Anwohnerschaft oder ein linkes Szenepublikum sein muss, wie man es in der | |
Schanze hat, sondern eher das Wochenend-Spaß-Publikum, z.B. aus den | |
Vororten. Es kann gut sein, dass die orientalische Shisha-Bar ein Ort ist, | |
an dem sich der Konflikt zwischen dem Partypublikum und der eingesessenen | |
linken Szene manifestiert. | |
Ist das auch was für Sie und mich? | |
Da treffen sich eher ganz junge Leute – und wir beide würden da auch | |
deshalb eher nicht reingehen, weil es habituelle Unterschiede gibt, was den | |
Musikgeschmack, die Ausstattung, Kleidung betrifft, vielleicht sogar | |
hinsichtlich des Getränkeangebots gibt. Wir würden da vielleicht aus | |
Forschungsgründen reingehen, uns da aber nicht mit unseren Freundinnen und | |
Freunden treffen. | |
Wieso ziehen sie dem Anschein nach vor allem arabisch aussehende junge | |
Männer an, stimmt das überhaupt? | |
Sofern zum Beispiel das Musikangebot arabisch ist, kann so eine Shisha-Bar | |
für junge Leute mit einem arabischen Migrationshintergrund ein | |
Identifikationsort sein, an dem man stolz auf eine eigene Café- oder | |
Barkultur ist. Ich habe aber auch eine Bar vor Augen, in die genauso | |
russische und bosnische Jugendliche gehen, in der die | |
Migrationshintergründe also gemischt sind und der gemeinsame Konsum von | |
etwas Exotischem im Vordergrund steht. | |
Über Shisha-Bars wird häufiger negativ berichtet, wenn es etwa eine | |
Kohlenmonoxidvergiftung gab. Was macht sie so viel interessanter als | |
Kneipen, bei denen nach einer Alkoholvergiftung ja kaum ein Hahn kräht? | |
Das Gift der Anderen ist immer interessanter als das eigene Gift – oder die | |
eigene Sucht. Es gibt einen Alltagsdiskurs darüber, wie | |
gesundheitsschädlich Wasserpfeifen im Vergleich zu Zigaretten sind. Lange | |
gab es so eine Vorstellung, dass der kalte Rauch von Wasserpfeifen weniger | |
schädlich ist. Inzwischen ist bekannt, wie giftig auch die sind. Der | |
Gesundheitsaspekt interessiert aber ja immer nur punktuell, abhängig davon, | |
was in der Berichterstattung gerade Konjunktur hat. | |
Bei einem Großeinsatz im Ruhrgebiet wurden Anfang der Woche Shisha-Bars | |
durchsucht, weil sie in Verbindung zu einem kriminellen Clan-Milieu stehen | |
sollen. | |
Medien berichten über Clans, weil das Phänomen Clan nicht nur wichtig, | |
sondern auch so undurchsichtig und reißerisch ist. Es gibt ganz sicher | |
Clans, aber ich weiß nicht, ob nun die unterschiedlichen Orte, an denen | |
Wasserpfeifen angeboten werden, speziell in den Händen von Clans sind. | |
Mit welchen Vorurteilen betrachten wir Shisha-Bars? | |
Einerseits mit dem, dass es sich um Männercafés handelt. Das ist ein | |
Vorurteil, die sich aus der Vorerfahrung dieser Teestuben speisen, aber | |
auch aus Beobachtungen von Reisen in arabische Länder, wo man vielleicht | |
solche Cafés gesehen hat, in denen nur Männer saßen. Es gibt aber auch das | |
Vorurteil, dass es etwas mit Haschisch-Konsum zu tun hat. | |
Wie erklären Sie es sich, dass das Rauchen von Wasserpfeifen heute so | |
angesagt ist? | |
Es scheint einen neuen Schub oder neue Orte für dieses Konsumprodukt zu | |
geben. Aber das Phänomen an sich ist eigentlich gar nicht so neu. Ich habe | |
schon in den frühen Nullerjahren eine verstärkte Neugründung von | |
Wasserpfeifen-Cafés im öffentlichen Raum beobachtet. In der Zeit gab es | |
Formate vom Arbeitsamt wie die Ich-AG, die es erleichtert haben, sich als | |
UnternehmerIn zu erfinden. | |
Dann gehen diese ganzen Shisha-Bars also auf Gerhard Schröder zurück? | |
Wenn Sie so wollen. Das war für eine Generation von Menschen mit | |
Migrationshintergrund aus dem Orient, die in der Zeit auf den Arbeitsmarkt | |
gegangen ist, naheliegend, sich mit diesem teils vertrauten Produkt von | |
anderen Gründern zu unterscheiden. In der Zeit hatten aber auch viele | |
Menschen touristische Erfahrungen im arabischen Raum oder der Türkei | |
gesammelt und wussten, wie Wasserpfeifenkonsum im öffentlichen Raum | |
aussehen kann. Und: Aus den entsprechenden Ländern wurde auch eine coole | |
Szenekultur im kosmopolitischen Sinne exportiert. Aus diesen Erfahrungen | |
speisen sich die Wasserpfeifen-Cafés, die das Produkt dann in eine | |
Hamburger oder Berliner Geschmackslandschaft einbringen. | |
Was symbolisiert die Wasserpfeife? | |
Ganz Unterschiedliches: Für das Kaffeehaus schon so was, wie Authentizität | |
im Sinne einer arabisch-orientalischen Kultur, die mit Bildern vom Souk, | |
also dem Markt, und dem Altstadtflair einer arabischen Metropole verbunden | |
wird. Das ist eine männlich geprägte Kaffeehauskultur, obwohl es auch | |
Frauen in diesen Kaffeehäusern gibt. Die Wasserpfeife ist aber im | |
europäischen Imaginären überhaupt nicht neu. Sie ist einerseits im 18./19. | |
Jahrhundert auf etlichen Gemälden des Orientalismus zu finden und | |
unterstützt die etwas schwüle, erotisch-exotische Atmosphäre von Interieurs | |
oder Haremsszenen. Andererseits wird sie auch mit Haschisch-Konsum | |
assoziiert. Denn in den 70er-Jahren war sie ein beliebtes und auch | |
besungenes Hippie-Konsumprodukt. Für einige kann sie auch die | |
Herkunftskultur der Elterngeneration symbolisieren, die sie selber nur vom | |
Urlaub her kennen. Sie steht aber auch für Jugend- und deshalb Gegenkultur, | |
weil man raucht, obwohl rauchen ungesund ist. Und sie erlaubt eine | |
bestimmte Form der Geselligkeit, bei der es um das Teilen und Nähe geht. | |
Wer waren denn die Vorreiter, die Wasserpfeifen-Cafés nach Deutschland | |
geholt haben? | |
In Berlin war das in der Nullerjahren in Neukölln das arabische Kaffeehaus, | |
das ein bisschen dem Kulturverein ähnelt, aber ein unternehmerisches | |
Gebilde ist – und eben kein Verein. Das wurde von Einwanderern der ersten | |
Generation arabischer Herkunft gegründet. Die kosmopolitische Lounge konnte | |
ich sehr stark in Kreuzberg beobachten. Da gibt es eine alteingesessene | |
zweite Generation, die so etwas wie ein Mittelmeer-Restaurant eröffnet hat, | |
das abends geöffnet hat und wo es natürlich Alkohol gibt. Hier ist die | |
Wasserpfeife das I-Tüpfelchen des mediterranen Stils. Bei der | |
orientalischen Shisha-Bar steht die Wasserpfeife im Zentrum. In Hamburg | |
findet man sie vor allem in Wandsbek, die Wandsbeker Chaussee ist ja voll | |
von solchen Bars. | |
Sind diese Bars die neuen Kulturvereine? | |
Das würde ich gerade nicht sagen, weil es eine Bar ist und kein Verein. Das | |
heißt, dass sie sich an anderen Cafés und Bars messen und am Ende des | |
Monats die Kasse stimmen muss. Der Betreiber oder die Betreiberin eines | |
Wasserpfeifen-Cafés muss unternehmerisch denken. Das ist in einem Verein | |
ganz anders. Idealtypisch sind die Kulturvereine Orte der Freizeit für | |
diejenigen gewesen, die als Arbeitsmigranten gekommen sind. Die mussten | |
nicht zusätzlich noch ein Café gründen, um Geld zu verdienen, weil sie ja | |
Arbeit hatten. Deshalb stand das Café-Gründen damals nicht so im | |
Vordergrund. | |
In welchem Verhältnis stehen Shisha-Bars zu „Teestuben“ deutsch-türkischer | |
Kulturvereine, in die vor allem Gastarbeiter gegangen sind? | |
Die Teestuben waren ganz klar türkisch geprägt und haben ein Angebot für | |
die erste Einwanderergeneration geschaffen. Gleichzeitig wurden sie von | |
türkischen Einwanderern geführt. Die Kaffeehäuser, die den Teestuben vom | |
Angebot und habituell vom Publikum am nächsten kommen, sind arabisch | |
geprägt. Und die arabische Migration nach Deutschland verlief ja ein | |
bisschen anders als die türkische. Vor allem aber sind diese arabischen | |
Kaffeehäuser keine Vereine. Sie haben ein unternehmerisches Interesse und | |
sind offen. Deshalb ist der Gastraum auch von außen einsehbar. | |
Die Entstehung migrantischer Café-Kultur markiert also auch eine neue Phase | |
des Angekommenseins? | |
Unternehmerische Aktivitäten sind ein klassisches Format des Ankommens, und | |
mit dem Existenzgründungsformat der Nullerjahre hatte sicher eine bestimmte | |
Generation auf diese Weise ihren Weg in den Arbeitsmarkt gesucht. Dasselbe | |
mag für die aktuellen Gründungen gelten. | |
Steht die zunehmende Präsenz von Shisha-Bars für die Islamisierung der | |
Ausgehkultur? | |
Dafür müsste man ja erst mal sagen, dass Islam etwas mit | |
Wasserpfeife-Rauchen zu tun hat. Darüber haben wir bisher noch gar nicht | |
gesprochen. Wir haben über den arabischen und den türkischen Raum | |
gesprochen, wo die Wasserpfeife u.a. historisch angesiedelt ist. Das sind | |
zwar mehrheitlich muslimische Gesellschaften. Aber ich würde immer eher von | |
einer Orientalisierung sprechen. Denn ein grundlegendes Merkmal dafür, ob | |
eine Bar muslimischen Regeln folgt, ist, ob es da Alkohol gibt oder nicht. | |
Wasserpfeifen-Cafés, in denen es keinen Alkohol gibt, erlauben es | |
religiösen muslimischen Menschen, sich da wohlzufühlen. Aber, wie gesagt, | |
gibt es in den Shisha-Bars und kosmopolitischen Bars nicht selten Alkohol | |
und ich wüsste jetzt nicht, was daran eine Islamisierung darstellt. | |
Sind diese Bars eher Ausdruck einer Parallelgesellschaft oder einer | |
multikulturellen Ausdiversifizierung? | |
Eine multikulturelle Ausdifferenzierung heißt ja in diesem Fall, dass sich | |
das Konsumangebot vervielfältigt. Diversifizierung bedeutet auch, dass es | |
vieles parallel gibt. Parallelgesellschaft suggeriert aber, dass etwas | |
sozial abgeschlossen ist und sich nicht öffnen wird. Da es sich um ein | |
Konsumprodukt handelt, geht es unter den Vorzeichen des Kapitalismus um | |
Diversifizierung. | |
Im türkisch-migrantischen Milieu gibt es den Begriff der „Almans“, das | |
können Deutsche sein – oder auch stark assimilierte Türken. Auch sie | |
betreiben Shisha-Bars. | |
Das ist es, was in die kosmopolitischen Lounges münden kann. Es gibt sicher | |
auch welche, die von sogenannten Biodeutschen gegründet werden, weil die | |
finden, dass das genau das ist, was die Leute konsumieren wollen. | |
In solchen Bars spielen Body, Fitness und der männliche Körper eine Rolle. | |
Was ist das für ein Männerbild, dem Sie bei Ihrer Forschung begegnet sind? | |
Ich denke, in jedem dieser drei Café-Typen gibt es ein unterschiedliches | |
Körperbild, was u.a. vom Alter des Publikums abhängt. Aber ich weiß, was | |
Sie meinen: Junge Männer mit gestählten Körpern, die stundenlang rumsitzen | |
und Wasserpfeife rauchen. Das Rumhängen ist im Grunde das Gegenteil des | |
Körperkults im Fitnessstudio, wo es um Disziplin geht. Das sind zwei sich | |
ausschließende Orte und Aktivitäten, die aber offenbar im Alltag problemlos | |
zusammengebracht werden. Das finde ich total interessant. | |
Was genau? | |
Zu fragen, wie diese Inkonsistenz im Alltag gelebt wird. Über fitte Körper | |
muss ja auch ständig geredet werden, auch in einer Bar, in der ich | |
rumhänge, inaktiv bin und durch Rauchen meinen Körper schädige. Ein | |
erstaunlicher Gegensatz, der entweder plausibel gemacht werden muss oder in | |
einer wundersamen Ambivalenz gehalten wird. Das ist es, was unsere | |
Alltagspraxis ausmacht: Sie ist inkonsistent. | |
22 Jan 2019 | |
## AUTOREN | |
Lena Kaiser | |
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