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# taz.de -- Im Dunst der Wasserpfeifen: Unter Männern
> Hamburg will die Vorschriften für Shisha-Bars verschärfen – offiziell
> geht es um die Gesundheit der Gäste. Wir haben uns vor Ort umgesehen.
Bild: Für manche Gäste so etwas wie ein Wohnzimmer: Shisha-Bar „WE Love“ …
Hamburg taz | In der Wandsbeker Chaussee spiegelt sich das Licht der vielen
Shisha-Bars auf dem regennassen Asphalt. Kleine Männergruppen laufen an den
Geschäften vorbei, auf den Straßen ist viel Verkehr. Im „WE Love“ leuchtet
das Neonlicht besonders hell in den dunklen Nachmittag. Vor dem Tresen
steht ein junger Mann mit gepflegtem Bart und kurz geschorenen Haaren. Er
nickt den Eintretenden zu, bleibt aber stumm. „Wir würden gerne mit
jemandem über Shisha-Bars reden.“ Er nickt. Ein junger Mann mit beiger
Gucci-Schirmmütze kommt dazu. „Der junge Mann versteht leider nicht so gut
Deutsch, kann ich Ihnen helfen?“
Die Wandsbeker Chaussee gehört zu den Gegenden in Hamburg, in denen in den
letzten Jahren besonders viele Shisha-Bars eröffnet haben, 28 sind es
derzeit. Außer der AfD macht sich in Hamburg auch der türkischstämmige
[1][CDU-Politiker David Erkalp] deswegen ernsthaft Sorgen – um die
Gesundheit der Shisha-RaucherInnen, aber auch um das Aussehen der
Stadtteile, in denen es „zu Ansammlungen von mehreren Shisha-Bars in
einzelnen Straßenzügen“ kommt, so Erkalp in einer Anfrage an den Senat.
Außerdem würden Shisha-Bars immer wieder Ziel von Razzien.
Der Mann mit der Gucci-Mütze im „WE Love“, sein Name ist Mohamed, kennt
diese Vorwürfe. „Diese Bar hier ist mein Wohnzimmer“, sagt er leise. Als
14-Jähriger kam er mit seiner Familie aus Algerien nach Deutschland, seit
über zehn Jahren besucht er Shisha-Bars. Für ihn sind sie ein Ort, an dem
er sich austauschen kann, er führe hier „spannende Gespräche“.
Mohamed hat schon viele Besuche von den [2][Ordnungsämtern und der Polizei
in Shisha-Bars] miterlebt. „Sie sind immer zu dritt oder zu viert: Der eine
prüft die Sauberkeit, der andere die Papiere und Lizenzen, einer den
Jugendschutz und der Nächste ist vom Zoll oder der Steuerbehörde.“ Manchmal
seien sie regelrecht enttäuscht, wenn sie nichts vorfinden würden, „dann
gehen sie, ohne Tschüss zu sagen.“
## Geruch von fruchtigem Rauch
Es ist nicht viel los in der „WE Love“-Bar um diese Zeit; drei Männer
sitzen auf Sofas und rauchen. Im Hintergrund erklingt laute arabische Pop-
und Rapmusik, in der Luft liegt der Geruch von fruchtigem Rauch. An der
Decke beleuchten zwei kreisförmige Neonlampen den kleinen und ansonsten
dunklen Raum. In den Regalen hinter der großen Theke stehen reihenweise
Flaschen mit Wodka und Rum.
Mohamed spricht Shisha-Bars einen guten Einfluss zu: „Jugendliche
entscheiden sich dann lieber dazu, wieder hierherzukommen, statt auf der
Straße herumzulungern.“ Eine Shisha-Bar sei wie ein normales Café, man
treffe sich hier, um auch Frauen kennenzulernen. Es gebe auch Unterschiede
bei diesen Bars. Es stimme aber schon, dass mehr Männer in Shisha-Bars
gingen als Frauen. „Warum das so ist, weiß ich nicht“, sagt Mohamed.
## Männlich und jung
Nach und nach füllt sich die Bar. Alle kennen sich hier, es sitzen
Geschäftsleute neben Mitarbeitern der Post und Leute aus dem Vertrieb
nebeneinander. Das Publikum ist männlich und jung, lediglich eine junge
Frau sitzt mit zwei Männern zusammen und spielt das Brettspiel Backgammon.
Später kommt noch eine blonde Kellnerin, die ihre Schicht hinter der Theke
gerade beginnt.
Die meisten Gäste versuchen täglich in die Shisha-Bar zu kommen, sagt
Mohamed. Als der Chef, adrett in Lackschuhen und Hemd gekleidet, in seine
Bar kommt, wird es kurz unruhig; alle Männer helfen beim Reintragen der
mitgebrachten Getränke. „Wir sind hier eine kleine Familie, wenn jemand
Hilfe braucht, bekommt er sie auch“, sagt Mohamed.
Obwohl im „WE Love“ die meisten Araber sind, wird auch türkisch oder
persisch gesprochen. Hier sitzen Sunniten und Schiiten nebeneinander,
Mohamed kommt mit beiden Religionsgruppen klar: „Ich sehe im Koran nichts,
das dagegen sprechen sollte, dass man sich als Schiit auch mit Sunniten gut
versteht“, sagt Mohamed und geht rüber zu den Backgammon-Tischen seiner
Freunde, die schon auf ihn warten.
## Eingangstür mit Guckloch
Das Konzept der Shisha-Bar ist offen für Interpretationen. Manche bieten
strikt keinen Alkohol an, in anderen gibt es Live-Musik. Und im Hamburger
Stadtteil Altona gibt es eine, die hergerichtet ist wie ein gehobener Club.
Der Blick durch die Fenster zeigt die leuchtende Theke, die massive
Eingangstür hat ein kleines Guckloch. Stoffbezogene Sitzmöbel stehen an den
Wänden, die eine Hälfte des sehr großen Raumes ist pink beleuchtet, die
andere blau, wodurch der Raum seltsamerweise zu schrumpfen scheint.
Ein junger, dünner Mann in Jeans kommt hinter der Theke hervor. „Was kann
ich für euch tun?“ – „Wir kennen uns nicht so aus, kannst du uns etwas
empfehlen?“ Auf das Stichwort scheint er gewartet zu haben. Er rät, mit
etwas Fruchtigem anzufangen. Am Ende wird es eine Shisha mit Minz- und
Melonengeschmack.
Der Rauch fühlt sich kalt an, im Hals kratzt er so, dass sich ein Husten
nicht unterdrücken lässt. Auf der pinken Seite sitzen nur Männer in
schwarzen Klamotten, keiner von ihnen muss beim Rauchen der Shisha husten.
## Erfolge auf der Hantelbank
Zwei junge Männer setzen sich mit ihren Wasserpfeifen auf die blaue Seite
der Bar und unterhalten sich über ihre Ziele im neuen Jahr. „Ich habe heute
wieder richtig einen gerissen auf der Hantelbank“, sagt der dünnere von
ihnen. Sein Freund nickt anerkennend. „Bei mir läuft es nicht so gerade,
bin noch in Weihnachtsstimmung“, räumt er ein und klopft dabei auf seinen
Bauch.
Die Bar ist durchgestylt, der Türknauf in der Damentoilette eine Etage
tiefer ist nicht einfach ein Türknauf, sondern hat die Form einer
Moschee-Kuppel. Die Oberfläche ist glatt und fühlt sich an wie Marmor. In
der Damentoilette hängen drei Spiegel: einer für den ganzen Körper und zwei
für das Gesicht. Auf dem Sims steht eine Haarspraydose.
Dass im Eingangsbereich zur Bar ein großer Buddha-Kopf auf einem Sockel
thront und die hineintretenden Gäste anguckt, ist bestimmt kein Zufall. Die
Shisha kommt ursprünglich aus Indien und wanderte über die Seidenstraße bis
in den heutigen Iran.
## Hotspot Wandsbeker Chaussee
[3][47 Shisha-Bars] waren im vergangenen Jahr in Hamburg gemeldet, die
Kleinunternehmer wurden dabei nicht erfasst. Tatsächlich dürften es
deutlich mehr sein: 17 waren in Wandsbek gemeldet, dagegen stehen die 28
allein in der Wandsbeker Chaussee. Die Angst des CDU-Politikers David
Erkalp, dass es zu viele Shisha-Bars geben könnte, teilt der Hamburger
Senat aber nicht. Den Bezirksämtern lägen „keine Erkenntnisse“ vor, dass
dies ein Problem für die betroffenen Stadtteile werden könnte, heißt es in
der Antwort auf die Anfrage Erkalps. „Die Gewerbefreiheit wird als
hochrangiges Rechtsgut angesehen“, argumentiert der Senat.
Tatsächlich stößt der Bürgerschaftsabgeordnete mit seinen
Gesundheitsbedenken aber auf offene Ohren. Dennis Krämer, der
Pressesprecher der Hamburger Gesundheitsbehörde, teilt mit, dass „das
Rauchen von Shishas, die mit glühenden Kohlen oder anderen organischen
Materialien betrieben werden“ mit dem Risiko einer Kohlenmonoxidvergiftung
verbunden sei.
In Hamburg gab es im Jahr 2017 nach offiziellen Angaben über [4][25 Fälle
von Kohlenmonoxidvergiftungen], die auf den Genuss der Wasserpfeife
zurückgehen. Die Bild titelte vor zwei Monaten schadenfreudig: [5][„Wie
gefährlich sind Shisha-Bars wirklich?“]
Der Hamburger Senat plant in den nächsten Monaten ein [6][Gesetz zur
Verschärfung der Auflagen von Shisha-Bars], um die gesundheitlichen Schäden
bei den KonsumentInnen zu minimieren. Was konkret für Auflagen formuliert
werden, könne man zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht bekanntgeben, sagt
Gesundheitsbehörden-Sprecher Dennis Krämer.
Bereits im Frühjahr 2018 habe die Gesundheitsbehörde Empfehlungen für die
Betreiber von Gaststätten mit Shisha-Angebot zur Vorbeugung gegen
Kohlenmonoxidvergiftungen veröffentlicht. Darunter findet sich auch ein
vorformuliertes Hinweisschild für Barbetreibende, das die Gäste über die
Gefahren aufklären soll. Ob dieser Aushang künftig zur Pflicht wird, kann
Krämer noch nicht sagen.
Jemand, der sich intensiv mit Shisha-Bars beschäftigt hat, ist der
Hamburger BWL-Student Alihan K. Er glaubt nicht, dass die Bars verschwinden
oder weniger werden, wenn sich die Auflagen verschärfen. „Ich würde auch
nicht von einem Phänomen sprechen, was viele leider tun. Dafür wird das
Shisha-Rauchen hier schon zu lange [7][von vielen Menschen mit Begeisterung
praktiziert].“
Alihan trägt einen Guy-Fawkes-Bart und raucht am liebsten Shisha mit
Minzgeschmack. „Viele Tabaksorten mit ihren abgefahrenen Namen wie Rum-Kola
sind schön und gut, aber die Minze hält sich vom Aroma am längsten und gibt
dir die Frische, die für das Rauchgefühl am angenehmsten ist.“
## Schlechte Tabakqualität
Alihan raucht seine Wasserpfeife – auf Türkisch „nargile“ – allerdings…
liebsten zu Hause. Eine Shisha in einer Bar zu mieten, sei teurer, als sich
selbst eine zu kaufen, sagt er. Außerdem ist er mit der Qualität der
Tabakköpfe nicht zufrieden. „Die Köpfe sind qualitativ schlechter geworden,
auch weil sie jetzt in großer Menge produziert werden.“
Auf lange Sicht, vermutet Alihan, würden große Unternehmen auf den Plan
treten, die Lokalitäten betreiben und zusätzlich für die Ausstattung
sorgen. Er spricht von einem „emanzipatorischen Prozess“ wie bei der
internationalen Café-Kette Starbucks. „Das wäre jedenfalls die nächste
logische Stufe.“
Noch ist das Zukunftsmusik. Mit Gewissheit kann man derzeit aber sagen,
dass es mit den Shisha-Bars nicht weniger wird.
23 Jan 2019
## LINKS
[1] https://kleineanfragen.de/hamburg/21/12995-welche-regelungen-sollen-fuer-sh…
[2] https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/68437/4165289
[3] https://kleineanfragen.de/hamburg/21/12944-shisha-betriebe
[4] https://www.welt.de/regionales/hamburg/article183529482/CO-Vergiftungen-Shi…
[5] https://www.bild.de/regional/hamburg/hamburg-aktuell/feuerwehr-und-gerichts…
[6] https://www.abendblatt.de/hamburg/kommunales/article216259909/Zu-viel-Gift-…
[7] https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/gesundheit/wasserpfeife-1001-naech…
## AUTOREN
Yasemin Fusco
## TAGS
Rauchen
Migranten
Nichtrauchen
Jugendkultur
Subkultur
Trans-Community
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