# taz.de -- Krisengipfel in Brüssel: Machtkampf um EU-Spitzen entbrannt | |
> Kanzler Scholz' Wunsch wurde nicht erfüllt: Eine schnelle Einigung über | |
> neues EU-Spitzenpersonal wird es nicht geben. Bis Ende Juni soll | |
> entschieden werden. | |
Bild: Noch-EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf dem Weg zu einer… | |
BRÜSSEL taz | Es sollte alles ganz schnell gehen. Er erwarte eine Einigung | |
„in kürzester Zeit“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz zu Beginn des | |
EU-Sondergipfels am Montagabend in Brüssel. Kurz nach der Europawahl | |
wollten die 27 Staats- und Regierungschefs im Eiltempo die EU-Spitzenposten | |
verteilen und sofort wieder zur Tagesordnung übergehen. | |
Doch dann gab es überraschend Streit. [1][Die Konservativen um | |
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen] wollen mehr Macht – und | |
könnten damit die EU in eine neue Krise stürzen. Konkret geht es im den Job | |
des EU-Ratspräsidenten, der die EU-Gipfel leitet und bisher von dem | |
belgischen Liberalen Charles Michel gehalten wird. | |
Die konservative Europäische Volkspartei EVP fordert, die effektive | |
Amtszeit des Ratspräsidenten von bisher fünf Jahren zu halbieren, damit sie | |
die zweite Hälfte mit einem EVP-Politiker besetzen kann. Außerdem will sie | |
den Job von Parlamentspräsidentin Roberta Metsola bis 2029 verlängern. | |
Normalerweise müsste sie schon 2027 gehen. | |
Diese Forderungen habe der konservative polnische Regierungschef Donald | |
Tusk gestellt, berichteten Diplomaten nach dem sechsstündigen, | |
spannungsgeladenen Treffen in Brüssel. Außerdem reklamiert die EVP auch | |
noch den Job der Kommissionspräsidentin für sich – von der Leyen soll | |
ebenfalls bis 2029 bleiben. | |
## EVP kann nicht allein regieren | |
Wenn sich die EVP durchsetzt, würden zum Ende der neuen Legislatur die | |
Spitzen der drei wichtigsten EU-Institutionen – Kommission, Rat und | |
Parlament – mit Konservativen besetzt. Die Union würde komplett schwarz | |
regiert. [2][Mit dem Ergebnis der Europawahl hätte das nicht mehr viel zu | |
tun]. Die EVP lag zwar leicht vorn. | |
Doch allein regieren kann sie nicht. Im neuen Europaparlament braucht es | |
die Unterstützung von Sozialdemokraten und Liberalen. Zudem war die Wahl | |
von einem Rechtsruck gekennzeichnet. Auch die [3][umstrittene | |
rechtspopulistische italienische Regierungschefin Giorgia Meloni fühlt sich | |
deshalb als Siegerin.] | |
Meloni sei mit dem Ablauf des Abends sehr unzufrieden gewesen, berichten | |
Teilnehmer. Sie hatte wohl gehofft, im Mittelpunkt zu stehen – wurde dann | |
aber von Scholz, Tusk und anderen an den Rand gedrängt, die sich schon vor | |
Beginn des Abendessens zu einer außerplanmäßigen Krisensitzung trafen. Eine | |
Einigung fanden sie nicht, der Gipfel endete im Streit. „Zum jetzigen | |
Zeitpunkt gibt es keine Einigung“, sagte Gipfelchef Michel. Beim Gipfel am | |
27. und 28. Juni werde es „mehr Klarheit“ geben, versprach der Belgier. | |
Sicher ist das allerdings nicht. Zwar zeichnet sich eine Einigung auf eine | |
zweite Amtszeit für von der Leyen ab. Der kroatische Regierungschef Andrej | |
Plenkovic sagte, er habe keine Stimme gehört, die ihre Bewerbung auf dem | |
Ticket der EVP in Frage gestellt hätte. | |
## Sozialdemokraten und Liberale kämpfen um Machtposten | |
Doch der Machtkampf um die übrigen Posten ist voll entbrannt. Für den | |
umstrittenen Posten des Ratspräsidenten haben die Sozialdemokraten den | |
früheren portugiesischen Regierungschef António Costa vorgeschlagen. Für | |
die Nachfolge des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell ist die estnische | |
Regierungschefin Kaja Kallas aus dem Lager der Liberalen im Gespräch. | |
Allerdings zählen die Liberalen – mit den Grünen – zu den größten | |
Verlierern der Europawahl. Sie kommen nach den letzten Berechnungen nur auf | |
80 Sitze im Europaparlament, gegenüber 190 für die EVP und 136 für die | |
Sozialdemokraten. Für eine Mehrheit unter den 720 Abgeordneten sind 361 | |
Stimmen nötig. Die Kommissionspräsidentin muß noch vom Europaparlament | |
bestätigt werden. Auch dabei könnte es angesichts des Machtkampfs auf dem | |
Gipfel noch Probleme geben. | |
18 Jun 2024 | |
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## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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