# taz.de -- Kosten von Bestattungen: Nicht mal im Tod sind wir gleich | |
> Eine Bestattung kostet mehrere tausend Euro. Viele können sich das gar | |
> nicht leisten. Wieso wird auch noch beim Sterben mit zweierlei Maß | |
> gemessen? | |
Bild: Die Bestattung wird vom Sozialamt bezahlt. Oft stehen, wie hier, keine An… | |
Zeig mir dein Grab und ich sag dir, wer du bist. Es gibt ja diese | |
Plattitüde, dass wir im Tod alle gleich seien. Das kann nur sagen, wer | |
weder arm gelebt hat noch arm sterben wird. Denn auch Sterben muss man sich | |
leisten können. Wenn nicht, wird es richtig unangenehm. | |
Bestattung ist Privatsache, zumindest seit 2004 das von den Krankenkassen | |
gezahlte Sterbegeld abgeschafft wurde. Wer eine Bestattung nicht stemmen | |
kann, hat die Möglichkeit, eine Sozialbestattung zu beantragen. Das Amt | |
übernimmt dann Gebühren für Leichenschau, Kremation und Grabstätte. Doch | |
wer glaubt, für den gerade verstorbenen Papa ein Plätzchen unter seinem | |
Lieblingsbaum aussuchen zu können, irrt. Stattdessen muss es das nächste | |
freie Reihengrab mit Holzkreuz oder der billigsten Grabplatte sein. | |
[1][Berliner Bestatter*innen bekommen vom Amt eine Pauschale] von 750 Euro | |
– die für die Versorgung der Toten, das Einbetten, den Sarg und die | |
Ausrichtung der Trauerfeier reichen muss. Trauerrede, Musik, Blumenschmuck? | |
Das Gesetz sagt dazu: „Als angemessen gelten die Kosten und Gebühren für | |
einfache, aber würdige Erd- oder Feuerbestattungen.“ Doch was heißt | |
„würdig“? Ist dieser Begriff wirklich so dehnbar, dass für einen armen | |
Menschen reichen muss, was ansonsten mehrere tausend Euro kostet? | |
## Unbefriedigend und untauglich | |
Der Berliner Bestatter Julian Heigel ist vor einigen Jahren damit | |
angetreten, jede Sozialbestattung zu übernehmen, die an ihn herangetragen | |
wird – ein fast unmögliches Unterfangen, wenn man für Angehörige eine | |
individuelle Trauerfeier ausrichten möchte und dabei nicht draufzahlen | |
will. Im besten Fall, sagt Heigel, bleiben für ihn 50 bis 100€ brutto | |
übrig, für rund 15 Stunden Arbeit. In den meisten Fällen leistet er das als | |
Ehrenamt. | |
Zudem müssen Bestatter*innen in Vorleistung gehen, während das Sozialamt | |
einen entsprechenden Antrag prüft. Das dauert oft Monate – und wenn der | |
Antrag am Ende abgelehnt wird, kann es sein, dass man auf den Kosten sitzen | |
bleibt. | |
„Die bisherige Praxis ist unbefriedigend und untauglich. Sie führt dazu, | |
dass mit trauernden Angehörigen über die Finanzierung der Bestattung | |
gesprochen werden muss anstatt über Inhalte und Trauerarbeit“, heißt es in | |
einer Stellungsnahme des Verbands unabhängiger Bestatter. Es sind solche | |
Umstände, die selbst hoch engagierte Bestatter*innen wie Julian Heigel | |
zurückhaltender werden lässt. | |
Überhaupt: Sollte der Staat sich auf das Engagement einzelner | |
Unternehmer*innen verlassen? Verdient nicht jeder Mensch eine würdevolle | |
Bestattung, die nicht mit zweierlei Maß gemessen wird? Von den Folgen für | |
die Angehörigen, denen ein selbstbestimmter Abschied verwehrt bleibt, ganz | |
zu schweigen. Gleichheit im Tod würde voraussetzen, dass wir die soziale | |
Ungleichheit in unserer Gesellschaft angehen. Davon sind wir noch einige | |
Leben weit entfernt. | |
21 Sep 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Einsames-Sterben/!5663021 | |
## AUTOREN | |
Caroline Kraft | |
## TAGS | |
Schluss jetzt | |
Bestattung | |
Tod | |
Schwerpunkt Armut | |
Soziale Gerechtigkeit | |
Tod | |
Schluss jetzt | |
Schluss jetzt | |
Trauer | |
Schluss jetzt | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Lesestück Recherche und Reportage | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Trauerbegleiterin über Abschiede: „Gefühle erzeugen Nähe zum Toten“ | |
Trauerbegleiterin Ute Arndt hilft Hinterbliebenen, ihre Emotionen „normal“ | |
zu finden. Denn viele glauben, sie müssten schnell wieder funktionieren. | |
Familien und Trauer: Kinder bei der Beerdigung | |
Wenn Familienmitglieder oder Freunde sterben, stehen viele vor einer | |
wichtigen Frage: Soll und darf man Kinder mitnehmen zu einer Beisetzung? | |
Selbstbestimmte Trauer-Rituale: Würde der Bestattung ist antastbar | |
Die Zeit zwischen Tod und Bestattung ist wichtiger, als viele glauben. Und | |
die Wahl der richtigen Bestatter*in ist existenziell. | |
Neue Games über den Tod: Begleiterin der Seelen | |
Über das Sterben spricht niemand gerne. Doch dass auch ein spielerischer | |
Umgang mit dem Tod möglich ist, zeigen Videospiele wie „Spiritfarer“. | |
Weg zur Sterbebegleitung: Kein Helfersyndrom | |
Macht es traurig, sich ständig mit dem Tod zu befassen? Zeugt es von einem | |
ausgeprägten Helfersyndrom? Beides nicht, sagt eine Sterbebegleiterin. | |
Bestattungen in Zeiten von Corona: Trauern per Video | |
An Bestattungen dürfen derzeit nur wenige Angehörige teilnehmen, gesucht | |
werden neue Formen der Trauer. Eine Recherche im Angesicht des Todes. | |
Einsames Sterben: Was kostet der Tod? | |
Bei Bestattungen von Amts wegen sind die Behörden zur Sparsamkeit | |
aufgerufen. Nirgendwo aber darf ein Begräbnis so wenig kosten wie in | |
Berlin. |