| # taz.de -- Familien und Trauer: Kinder bei der Beerdigung | |
| > Wenn Familienmitglieder oder Freunde sterben, stehen viele vor einer | |
| > wichtigen Frage: Soll und darf man Kinder mitnehmen zu einer Beisetzung? | |
| Bild: Kinder verstehen oft mehr, als wir ihnen zutrauen (wollen) | |
| Als ich zehn Jahre alt war, starb mein Opa. Von seiner Beerdigung ist mir | |
| nichts in Erinnerung geblieben – außer der Tatsache, dass wir vorher noch | |
| schnell eine schwarze Strumpfhose kaufen mussten. Ich fand das aufregend, | |
| weil ich noch nie eine schwarze Strumpfhose besessen hatte. Meine Mutter | |
| erklärte mir, dass wir besondere Kleider trugen, weil wir besonders traurig | |
| waren. Das fand ich einleuchtend. | |
| Was mir hingegen noch nie eingeleuchtet hat, ist die Frage, ob wir Kinder | |
| überhaupt auf eine Beerdigung mitnehmen sollten. Doch sie taucht immer | |
| wieder auf. Meistens frage ich die Leute dann, was dafür spräche, ihre | |
| Kleinen zu Hause zu lassen. Die Antworten sind mehr oder weniger diffus, | |
| laufen aber meist auf dasselbe hinaus: Wir wollen unsere Kinder schützen. | |
| Das ist erst mal ein guter Grund, schließlich ist das der Job von Eltern. | |
| Doch die Sache hat einen Haken: Wir können Kinder nicht vor etwas schützen, | |
| das bereits passiert ist. Vermeidung ist die schlechteste aller Strategien. | |
| Wenn eine nahestehende Person stirbt, ist es unser Job, ihnen zu helfen, | |
| einen Umgang damit zu finden. | |
| „Kinder wollen Teil einer Familie sein – auch Teil einer trauernden | |
| Familie“, sagt Moni Knese vom Hospizdienst Horizont. Die gelernte | |
| Sozialarbeiterin hat die Erfahrung gemacht, dass Kinder sofort merken, wenn | |
| etwas hinter verschlossenen Türen passiert. „Damit schließen wir sie von | |
| einer wichtigen Erfahrung aus und nehmen ihnen die Chance, ihre Fragen zu | |
| stellen. Kinder brauchen so viele Informationen wie möglich – sonst kommen | |
| Fantasien ins Spiel, die oftmals schlimmer sind als die Realität.“ | |
| ## Ein Weg, damit umzugehen | |
| Sie rät, Kinder jeden Alters zu Beerdigungen mitzunehmen, solange sie eine | |
| Begleitung haben, die nicht selbst zu stark von Trauer betroffen ist. Also | |
| im Zweifelsfall eine Freund*in der Familie, die Fragen beantworten und auf | |
| die Bedürfnisse des Kindes eingehen kann – selbst wenn das heißt, während | |
| der Trauerfeier draußen auf dem Friedhof zu stehen und zuzuschauen, wie der | |
| Bagger das Grab aushebt. [1][Kinder finden ihre Wege, mit belastenden | |
| Situationen umzugehen]. Wir müssen sie nur lassen. | |
| Außerdem: Würden wir einem Erwachsenen raten, nicht auf die Beerdigung | |
| eines Familienmitglieds oder einer Freund*in zu gehen? Beerdigungen sind | |
| Rituale, die uns Halt geben. Oft sind sie ein heilsamer Abschluss. Das | |
| spüren Erwachsene wie Kinder – selbst wenn sie es noch nicht in Worte | |
| fassen können. | |
| Wenn wir unseren Kindern einen Gefallen tun möchten, fangen wir nicht erst | |
| dann an, über Tod und Sterben zu sprechen, wenn die Beerdigung des Opas | |
| ansteht. Anlässe dazu gibt es viele – von den Balkonblumen, die dem ersten | |
| Frost zum Opfer fallen, bis zum toten Vogel auf der Straße. Und wenn es | |
| dann doch irgendwann so weit ist, können wir etwas ganz Verrücktes tun und | |
| unsere Kinder fragen, welche Farbe ihre Strumpfhose haben soll. Ich würde | |
| meine Hand dafür ins Feuer legen: Die Antwort ist alles, aber nicht: | |
| schwarz. | |
| 2 Nov 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Caroline Kraft | |
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