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# taz.de -- Der Tod in Corona-Zeiten: Jenseits des Privilegs
> Vor welchen Fragen wir uns im neuen Jahr nicht drücken dürfen: Welches
> Sterben halten wir für menschenwürdig und wie können wir es
> gewährleisten.
Bild: Särge stapeln sich im Krematorium Dresden-Tolkewitz, Ende Dezember 2020
Über Corona schreiben, davor habe ich mich bisher gedrückt. Muss ich
ausgerechnet jetzt, wo wir auf dieses neue, dieses verdammt noch mal
bessere Jahr schauen, damit anfangen? Ja.
Denn das hier ist eine Kolumne über den Tod. Der ist im Moment
allgegenwärtig, selbst wenn die meisten von uns das nicht wahrhaben wollen.
Tatsache ist: Wir, die es schaffen, ihn zu verdrängen, gar zu leugnen,
haben Glück. Wir haben das Privileg, keine Vorerkrankung zu haben, nicht
alt zu sein, keinen nahen Menschen durch das Virus verloren zu haben, wir
bleiben zu Hause, weil wir es uns leisten können, haben ein Zuhause.
„Das Krematorium ist so voll, dass die Särge übereinandergestapelt im
Feierraum stehen. In der Kühlung stehen Dreiviertel der Särge mit dem
Covid-Aufkleber“, [1][twitterte die Berliner Bestatterin und
Trauerbegleiterin Sarah Benz.] Zeitungen berichten von mehr als 1.000 Toten
täglich und insgesamt um die 35.000 Menschen, die an Covid-19 gestorben
sind.
## Unerträglich hilflos
Ich habe mich davor gedrückt, über Corona zu schreiben, weil ich mich in
dieser Situation unerträglich hilflos fühle. Es sind nicht nur die Zahlen,
die noch vor einem Jahr unvorstellbar gewesen wären, auch das Sterben ist
ein anderes geworden.
Ich habe mich vor vier Jahren zur ehrenamtlichen Sterbebegleiterin
ausbilden lassen, weil ich glaube, dass es einen Unterschied macht, wie wir
sterben. Deshalb gehen wir Ehrenamtlichen zu Wildfremden nach Hause und
fragen sie, was sie in ihren letzten Lebenswochen und -monaten brauchen.
Oftmals ist das nicht mehr, als da zu sein, den Menschen das Gefühl zu
geben, am Ende nicht alleine zu sein.
2020 war das Jahr des einsamen Sterbens, und es ist noch lange nicht
vorbei. Als es im März mit der Pandemie losging, standen bei uns im
Hospizdienst die Telefone still. Angehörige hatten Angst,
Sterbebegleiter*innen in ihre Wohnungen zu lassen, Pflegeeinrichtungen
machten dicht. Von Krankenhäusern kamen keine Anfragen, weil das Personal
gebraucht wurde, um die erste Welle der Pandemie zu managen.
Auch die Verunsicherung unter den Sterbebegleiter*innen war groß – auch
deshalb, weil viele 60 Jahre und älter sind und damit selbst zur
Risikogruppe gehören. Mittlerweile wurden Schutzkonzepte und spezielle
Begleitteams aufgestellt, die trotz der schwierigen Situation ihre Arbeit
weitermachen können. Trotzdem fallen an allen Ecken und Enden sterbende
Menschen durchs Raster, weil es an Kapazitäten fehlt. Und wer an Covid-19
stirbt, stirbt aufgrund der strengen Hygienemaßnahmen mit hoher
Wahrscheinlichkeit alleine auf einer Intensivstation.
Welches Sterben halten wir für menschenwürdig und was braucht es, um ein
solches gewährleisten zu können? Vor diesen Fragen sollten wir uns nicht
drücken – nicht am Anfang des neuen Jahres und vor allem nicht in Zeiten
von Corona.
4 Jan 2021
## LINKS
[1] https://trauern-und-hoffen.de/seiten/ueber-mich/
## AUTOREN
Caroline Kraft
## TAGS
Schluss jetzt
Sterben
Schwerpunkt Coronavirus
Tod
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