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# taz.de -- Konzertprojekt zu Genozid an Armeniern: Türkei klagt über Dresdne…
> Für die Dresdner Sinfoniker ist „Aghet“ ein Versöhnungsprojekt. Die
> Türkei lehnt diese Erinnerung an den Völkermord an Armeniern jedoch ab.
Bild: Gedenken im Jahr 2014 an den Genozid
Dresden/Brüssel dpa | Die Türkei hat auf EU-Ebene gegen das Konzertprojekt
„Aghet“ der Dresdner Sinfoniker zum Genozid an den Armeniern vor 100 Jahren
interveniert. Der türkische EU-Botschafter verlange, dass die Europäische
Union die finanzielle Förderung für die internationale Produktion
einstellt, sagte Intendant Markus Rindt am Samstag in Dresden. Er sprach
von einem „Angriff auf die Meinungsfreiheit“. Das Projekt, das im November
2015 in Berlin Premiere hatte und auch in Istanbul gastieren soll, sieht er
aber nicht in Gefahr. „Ich glaube nicht, dass unsere Agentur einknickt.“
Die Exekutivagentur für Bildung, Audiovisuelles und Kultur bei der
EU-Kommission stehe hinter „Aghet“, berichteten die „Dresdner Neuesten
Nachrichten“. Sie hat Rindt zufolge insofern nachgegeben, als sie
Informationen darüber auf ihrer Internetseite entfernte. „Das finden wir
nicht gut.“ Es sei ein Warnsignal, dass die türkische Regierung selbst vor
Einflussnahme auf freie Meinungsäußerung in Kunst und Kultur in Europa
nicht zurückschrecke.
Sie hat laut Rindt sogar damit gedroht, ihre Zahlungen in den
Kulturförderfonds einzustellen und die Beitrittsverhandlungen abzubrechen.
„Sie wollten, dass niemand davon erfährt und dass die Begriffe Genozid und
Völkermord getilgt werden.“ Für die Musiker namhafter europäischer
Orchester sei eine solche „Entschärfung“ inakzeptabel. „Man muss beim Na…
nennen, was es war; wir können nicht drum herumreden, dass es um Völkermord
geht.“
Die Brüsseler EU-Kommission bestätigte, dass der Text von der Website
entfernt wurde. Es habe Bedenken gegeben bezüglich der Wortwahl. Daher sei
der Text vorübergehend entfernt worden, um über neue Formulierungen zu
sprechen. Nach Angaben einer Sprecherin soll in den nächsten Tagen eine
neue Projektbeschreibung veröffentlicht werden. Die EU-Kommission
unterstütze das Projekt mit 200.000 Euro. „Seine Umsetzung ist nie in Frage
gestellt worden.“
## Ungerechtfertigte Anschuldigung
Die vorübergehende Streichung sei das „absolut falsche Signal“, sagte
Grünen-Chef Cem Özdemir der Bild am Sonntag. Der Völkermord an den
Armeniern sei eine historische Tatsache. Weder EU noch Deutschland dürften
erpressbar sein. Kritik kam auch vom deutsch-türkischen Gitarristen Marc
Sinan, von dem die Idee zu „Aghet“ stammt. Die Leugnung des Genozids durch
die Türkei ebne den Boden „für die maßlose Gewalt“ gegenüber den Kurden.
„Das Appeasement durch die EU-Kommission macht Europa zum Mittäter.“
Ersten Verhaftungen armenischer Intellektueller in Istanbul waren 1915
Deportationen und Vernichtung gefolgt. Schätzungen zufolge kamen 800.000
bis 1,5 Millionen Angehörige der christlichen Minderheit im Osmanischen
Reich ums Leben. Die Türkei als dessen Nachfolger sieht im Begriff
Völkermord eine ungerechtfertigte Anschuldigung. „Wir wollen einen Dialog
in Gang setzen“, sagte Rindt. Nach Aufführungen in Dresden Ende April soll
das Konzert, für das sich die Sinfoniker mit Kollegen aus der Türkei,
Armenien und Mitgliedern des No Borders Orchestra aus dem früheren
Jugoslawien verstärkten, in Istanbul, Belgrad und Jerewan gastieren.
Die Intervention zeige, wie wichtig gerade das Gastspiel in Istanbul für
die gemeinsame Vergangenheitsbewältigung sei, betonte Rindt. Die sächsische
Europaabgeordnete Cornelia Ernst (Linke) bemerkte, Kunst- und
Meinungsfreiheit als höchste Güter und Säulen der EU seien keine
Verhandlungsmasse. „Wer Mitglied der EU werden will, muss diesen Werten
entsprechend handeln.“
Für die Sinfoniker ist der Widerstand vom Bosporus nichts Neues. Auch 2014
hat laut Rindt „die Benennung des Genozids genügt, um die türkische
Regierung auf den Plan zu rufen“. Deren Kulturministerium und die
aserbaidschanische Botschaft zogen ihre Unterstützung für ein Projekt kurz
vor der Premiere zurück. Nun sehen sich die Sinfoniker in einer Reihe mit
dem Satiriker Jan Böhmermann. Dabei gehe es ihnen nicht um Provokation,
sondern Versöhnung, sagte Rindt. „Schade, dass sie das nicht verstehen.“
24 Apr 2016
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