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# taz.de -- Kommunalwahlen in Italien: Roms erste Bürgermeisterin
> Bei den Kommunalwahlen holt Virginia Raggi einen Sieg für die
> Fünf-Sterne-Bewegung. Der Renzi-Regierung dürfte das alles andere als
> gefallen.
Bild: Die neue Bürgermeisterin der Ewigen Stadt: Virginia Raggi
ROM taz | Bei der zweiten Runde der Kommunalwahlen in Italien trug die
Fünf-Sterne-Bewegung in Rom ebenso wie in Turin einen Kantersieg davon. In
Rom setzte sich die 37-jährige Virginia Raggi mit 67% durch, in Turin
gewann die 32-jährige Chiara Appendino mit 54,5%. In beiden Städten
unterlagen dagegen die Kandidaten aus der gemäßigt linken Partito
Democratico (PD) des Regierungschefs Matteo Renzi.
Die PD und Renzi kann es kaum trösten, dass sie mit Mailand und Bologna
zwei weitere bisher von ihr regierte Städte gegen Kandidaten aus dem
rechten Berlusconi-Lager halten konnte. Denn auch in Neapel feierte mit dem
bisherigen Bürgermeister Luigi de Magistris ein klar gegen Renzi
aufgestellter Linker einen 67%-Triumph. Turin im Norden, Rom in der Mitte,
Neapel im Süden: Gleich drei der vier größten italienischen Städte werden
in Zukunft von frontal gegen den Ministerpräsidenten positionierten
politischen Kräften beherrscht.
Eine „Niederlage ohne Abstriche“ gestand denn auch die PD ein, wollte deren
Ursachen aber vor allem in kommunalpolitischen Motiven verortete sehen –
schließlich sei Renzi selbst im Wahlkampf praktisch gar nicht präsent
gewesen.
Diese Erklärung mag für Rom noch einigermaßen plausibel sein. In der
Kapitale hatten die PD und ihre Vorläuferparteien seit 1993 mit nur
fünfjähriger Unterbrechung regiert. Die Bilanz ist verheerend: Rom ist hoch
verschuldet, während die kommunalen Betriebe von Bus und Bahn zur
Müllabfuhr heruntergewirtschaftet sind. Die PD fiel vor allem durch große
Korruptionsskandale auf und zwang schließlich ihren eigenen Bürgermister
letztes Jahr zum Rücktritt.
Anders lagen die Dinge jedoch in Turin. Hier regierte das Lager Renzis seit
1993 ununterbrochen, mit einer insgesamt durchaus positiven Bilanz. Die
frühere Autostadt, in der heute nur noch einige tausend Menschen bei FIAT
arbeiten, schaffte erfolgreich den Wechsel zur Dienstleistungsmetropole.
Die Verwaltung ist effizient, und auch in der Krise konnten die städtischen
Sozialleistungen aufrecht erhalten werden. Dennoch jagten die Wähler den
bisherigen Bürgermeister Piero Fassino, ein noch in der früheren
Kommunistischen Partei großgewordenes Schlachtross, aus dem Amt.
## Auch Stimmen von rechts
Schon dies zeigt die nationale Dimension des Votums vom Sonntag, wie sie
auch aus den Wählerverschiebungen vom ersten zum zweiten Wahlgang deutlich
wird. In Rom gewann die junge Anwältin Raggi im ersten Wahlgang 35% der
Stimmen, während ihr Gegenkandidat Roberto Giachetti aus der PD auf 25%
kam. In der zweiten Runde dagegen konnte die Fünf-Sterne-Kandidatin ihren
Anteil mit 67% fast verdoppeln; Giachetti dagegen blieb bei 33% hängen.
In Turin dagegen hatte der PD-Mann Fassino nach der ersten Runde noch mit
42% klar vor der Managerin Appendino (32%) gelegen. Fassino konnte dann
jedoch nur fast unmerklich auf 45% zulegen, während Appendino 22
Prozentpunkte hinzugewann. Dies zeigt, dass die Kandidatinnen des
Movimento5Stelle (M5S) den Unmut breiter Teile der Wählerschaft – auch der
von rechts – gegen die PD zu bündeln wussten.
Damit hat die strategische Ausrichtung des M5S als ideologiefreie, sich dem
Rechts-Links-Schema entziehende Bürger-Protestbewegung gegen die
„politische Kaste“, gegen die als korrupt und verfilzt gebrandmarkten
Altparteien sich als rundum erfolgreich erwiesen. Die Tatsache, dass die
Fünf Sterne zwei junge Kandidatinnen mit durchaus bürgerlichem Habitus und
eher leisen Tönen ins Rennen schickte, verstärkte diesen Effekt noch.
Umgekehrt konnte die PD mi Bologna und Mailand nur dort ihre Positionen
verteidigen, wo ihre Kandidaten gegen Vertreter der kriselnden
Berlusconi-Rechten antraten. So fand mit der Kommunalwahl zwar einerseits
die Tatsache Bestätigung, dass Italiens Politik mittlerweile mit der PD,
mit der Rechten und den Fünf Sternen drei Pole hat. Andererseits wurde
jedoch auch klar, dass in der unmittelbaren Zukunft das M5S der wahre
Herausforderer Renzis ist. Im Oktober steht mit dem Referendum über Renzis
Verfassungsreform eine nationale Abstimmung an, die zugleich zum Votum über
die Regierung wird. Seit der Kommunalwahl vom Sonntag ist klar, dass Renzi
diese Kampagne aus der Defensive heraus wird führen müssen.
20 Jun 2016
## AUTOREN
Michael Braun
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Virginia Raggi
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Italien
Matteo Renzi
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