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# taz.de -- Berater von Bürgermeisterin in Haft: Korrupte Sterne in Rom
> Ein Fall von Vetternwirtschaft in der engsten Umgebung von Roms
> Bürgermeisterin Raggi bringt die Fünf-Sterne-Bewegung arg in
> Verlegenheit.
Bild: Muss die Marschrichtung ändern: Roms Bürgermeisterin Virginia Raggi
Rom taz | Erst vor sechs Monaten war Virginia Raggi, die damals neu
gewählte Bürgermeisterin Roms, das strahlende Aushängeschild der gegen die
„Kaste der Politiker“ angetretenen 5-Sterne-Bewegung. Doch seit vergangenem
Freitag steht sie für die bislang tiefste Krise des Movimento5Stelle (M5S).
Ausgerechnet wegen Korruption wurde einer ihrer engsten Vertrauten in der
Stadtverwaltung verhaftet.
Dem 44-jährigen Raffaele Marra, zuletzt Personalchef der 23.000
Beschäftigten der Kommune, wirft die Staatsanwaltschaft vor, er habe sich
von dem ebenfalls verhafteten Immobilienunternehmer Massimo Scarpellini
eine Wohnung weit unter Wert verkaufen und eine zweite Wohnung gleich
schenken lassen.
Das erste Geschäft ging im Jahr 2009 über die Bühne. Marra erwarb damals
eine Wohnung im Marktwert von 1,2 Millionen Euro zum Freundschaftspreis von
700.000 Euro von Scarpellini, der wiederum die alte Wohnung Marras zu einem
weit überhöhten Preis abnahm. Die zweite Transaktion ging im Jahr 2013 über
die Bühne. Marra kaufte nun erneut eine Wohnung – zahlte die fälligen
368.000 Euro aber nicht aus eigener Tasche, sondern mit von Scarpellini
ausgestellten Schecks.
Der Fall hätte im korruptionsgeplagten Italien wohl nur lokales Aufsehen
erregt, wenn Marra nicht in den letzten sechs Monaten als einer der
wichtigsten Ratgeber der Bürgermeisterin Raggi gewirkt hätte. Die
37-jährige Rechtsanwältin war schließlich mit dem Versprechen angetreten,
endlich mit Misswirtschaft, Korruption und Ressourcenverschwendung in der
Stadt Rom aufzuräumen. Keiner ihrer Auftritt ging über die Bühne, ohne dass
ihre Anhänger den Sprechchor „Onestà, onestà!“ („Ehrlichkeit,
Ehrlichkeit!“) angestimmt hätten.
Von Anfang an aber regierte Raggi mit einem kleinen Küchenkabinett, zu dem
der stellvertretende Bürgermeister, ihr Büroleiter und eben Raffaele Marra
gehörten. Marra, der nicht aus den Reihen des M5S stammte, war der einzige,
der sich im Detail auskannte. Als den „eigentlichen Bürgermeister“, gar als
„Rasputin“ schmähten ihn seine Widersacher schnell.
## Glänzende Geschäfte
Marra hatte dank seiner Verbindungen zur postfaschistischen Rechten unter
dem bis 2013 regierenden Bürgermeister Gianni Alemanno Karriere gemacht.
Damals leitete der alerte Beamte das Amt zur Bekämpfung der Wohnungsnot.
Mit jenem Amt wiederum machte der Immobilienunternehmer Scarpellini
glänzende Geschäfte. So vermietete er der Stadt ganze Wohnblocks, in denen
Obdachlose untergebracht wurden, zu horrenden Preisen. Die
heruntergekommenen Objekte wurden pro Wohnung zu Spitzenpreisen von über
2.000 Euro monatlich angemietet.
Auch dem Senat und dem Abgeordnetenhaus Italiens vermietete Scarpellini
Bürogebäude im Zentrum Roms, wiederum zu Mondpreisen. Das trug ihm allein
in den Jahren 1997–2010 vom Abgeordnetenhaus Mieten in Höhe von knapp 600
Millionen Euro ein. Das schönste Geschäft gelang Scarpellini jedoch mit der
Region Latium: Ihr vermietete der Immobilienhai acht Jahre lang einen
Palazzo zum Jahrespreis von über neun Millionen Euro – obwohl das Objekt
ihm gar nicht gehört. Er selbst hatte es für jährlich zwei Millionen
angemietet.
Die Stadtregierung der Fünf Sterne ist in diese Fälle nicht verwickelt. Am
Wochenende erwog M5S-Gründer Beppe Grillo dennoch, Raggi aus der Bewegung
zu werfen. Es ging um blanke Schadensbegrenzung. Der am Ende gefundene
Kompromiss sieht jetzt vor, dass Raggi sich komplett von ihrem
Küchenkabinett trennt. „Von heute an wird die Marschrichtung geändert“,
verkündet Grillo in seinem Blog.
18 Dec 2016
## AUTOREN
Michael Braun
## TAGS
5-Sterne-Bewegung
Virginia Raggi
Rom
Schwerpunkt Korruption
Beppe Grillo
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Italien
Kommunalwahl
Virginia Raggi
Lesestück Recherche und Reportage
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