Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kommentar Kommunalwahlen in Italien: Sieg der Sterne
> Chiara Appendino und Virginia Raggi sind die neuen Gesichter der
> Fünf-Sterne-Bewegung. Sie zeigen: M5S ist keine Bürgerschreck-Partei
> mehr.
Bild: Feiert ihren Sieg: Turins neue Bürgermeisterin Chiara Appendino
Eine dramatische Niederlage für die gemäßigt linke Partito Democratico des
Ministerpräsidenten Matteo Renzi, ein Triumph für die Fünf-Sterne-Bewegung
– eindeutiger hätten die Kommunalwahlen in Italien kaum ausfallen können.
Das erst vor wenigen Jahren gegründete Movimento5Stelle (M5S) [1][eroberte
erwartungsgemäß Rom], doch dass es auch in Turin erfolgreich war, ist eine
kleine Sensation.
Zwei junge Frauen, die 37-jährige Römerin Virginia Raggi und die 32-jährige
Turinerin Chiara Appendino, sind die Gesichter des M5S-Sieges. Sie
bestritten einen Wahlkampf, aus dem der charismatische Gründer der
Protestbewegung, der Komiker Beppe Grillo, sich völlig heraushielt: Erst
bei der Siegesfeier Sonntag Nacht zeigte er sich an der Seite Raggis. Schon
dies zeigt, dass die Anti-Establishment-Bewegung tiefe Wurzeln geschlagen
hat, dass sie weit mehr ist als die angeblich clowneske Truppe, die unter
einem politisierenden Comedian Wutbürger bei Laune hält. Mit Raggi und
Appendino genauso wie mit ihren jungen Frontleuten im Parlament präsentiert
sich das M5S heute nicht mehr als Bürgerschreck-Partei, sondern als seriöse
Kraft.
Als Kraft zudem, die Matteo Renzi mit dessen eigenen Waffen zu schlagen
wusste. Jung, unverbraucht, bereit das alte Establishment der eigenen
Partei zu „verschrotten“, postideologisch und deshalb in der Lage, Wähler
von links bis rechts zu umgarnen: So hatte sich Renzi inszeniert, so hatte
er 2013 erst die Partei, 2014 dann die Regierung für sich erobert. Die
Europawahlen vom Mai 2014 bescherten seiner PD 41Prozent, während das M5S
bei 20 Prozent hängen blieb.
Spätestens seit diesem Kantersieg war der junge Ministerpräsident
einigermaßen überzeugt, er stehe alternativlos auf der politischen Bühne
und könne nun durchregieren. Derweil diskutierten die Medien, ob Italien
nach 20 Jahren Berlusconi nun 20 Jahre Renzi ins Haus stünden.
Junge, unverbrauchte Gesichter, die Wähler aus allen politischen Lagern
anzusprechen wissen, die in Rom und Turin die Anhänger auch der Rechten im
zweiten Wahlgang für sich zu mobilisieren wussten, während die
PD-Kandidaten kaum zulegten: so präsentieren sich jetzt Raggi und
Appendino. Ihr Sieg zeigt, dass das M5S für Renzis PD brandgefährlich ist –
denn weit stärker als in den anderen europäischen Ländern, wo die neuen
Protestparteien mal klar rechts, mal eindeutig links aufgehängt sind,
entziehen sich die Fünf Sterne erfolgreich der ideologischen Zuordnung.
## Die linke Wählerschaft vergrault
Renzi dagegen verprellte mit seinen Arbeitsmarkt- und Schulreformen Teile
der alten linken Wählerschaft, ohne dauerhaft im rechten Lager Stimmen
anzuziehen. Und sein Auftritt als ebenso entschlossener wie optimistischer
Macher verfängt angesichts der Tatsache, dass der müde Aufschwung der
Wirtschaft von den meisten im Land nicht als wirklicher Umschwung
wahrgenommen wird.
Schon im Oktober steht der Regierungschef vor der nächsten, der wirklich
entscheidenden Probe: dem Referendum, in dem die Bürger über die von ihm
durchgesetzte Verfassungsreform entscheiden werden. Renzi selbst war
unvorsichtig genug, im Falle einer Niederlage seinen Rückzug aus der
Politik anzukündigen. Die Wahlen vom Sonntag – bei denen weite Teile der
Wählerschaft die Fünf-Sterne-Kandidatinnen auch als Vehikel nutzten, um
enthusiastisch gegen Renzi zu stimmen – verheißen nichts Gutes für ihn.
Schon binnen weniger Monate könnte sich der Verschrotter selbst beim
Alteisen befinden. Doch auch für das M5S birgt der Triumph hohe Risiken.
Die Bewegung muss jetzt liefern; sie muss vorneweg in Rom beweisen, dass
sie regierungsfähig ist, dass sie Lösungen für die immensen Probleme der
heruntergekommenen Hauptstadt hat. Sollte sie dagegen an dieser Aufgabe
scheitern, so wäre sie auch national als Regierungsalternative
diskreditiert.
20 Jun 2016
## LINKS
[1] /Kommunalwahlen-in-Italien/!5314540/
## AUTOREN
Michael Braun
## TAGS
Kommunalwahl
Virginia Raggi
Matteo Renzi
Fünf-Sterne-Bewegung
Italien
Movimento 5 Stelle
5-Sterne-Bewegung
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Italien
Virginia Raggi
Italien
Grillo
## ARTIKEL ZUM THEMA
Berater von Bürgermeisterin in Haft: Korrupte Sterne in Rom
Ein Fall von Vetternwirtschaft in der engsten Umgebung von Roms
Bürgermeisterin Raggi bringt die Fünf-Sterne-Bewegung arg in Verlegenheit.
Olympische Sommerspiele 2024: Fünf Sterne oder fünf Ringe?
Roms Bürgermeisterin Virginia Raggi sprach sich im Wahlkampf gegen die
Bewerbung für Olympia 2024 aus. Diese Woche will sie sich neu entscheiden.
Kommentar Fünf-Sterne-Bewegung Italien: Schon drei Jahre für fünf Sterne
Die Fünf-Sterne-Bewegung gibt es in Italien nun schon länger, als viele
erwartet hatten. Sie wollte ganz anders sein als die bisher bekannte
Politik.
Kommunalwahlen in Italien: Roms erste Bürgermeisterin
Bei den Kommunalwahlen holt Virginia Raggi einen Sieg für die
Fünf-Sterne-Bewegung. Der Renzi-Regierung dürfte das alles andere als
gefallen.
Bürgermeisterwahl in Rom: Fünf-Sterne-Bewegung in Führung
Eine Schlappe für Italiens Premier Renzi und seine Partei: In Rom liegt die
Kandidatin seines Gegners Beppe Grillo weit vorne. Am 19. Juni kommt es zur
Stichwahl.
Opposition in Italien: Grillos Truppe zerlegt sich selbst
Der „Fünf-Sterne“-Bewegung, die schon bei der Kommunalwahl abstürzte, dro…
die Spaltung. Hardliner und Pragmatiker finden keine Kompromisse.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.